"Zu den üblichen Unsicherheiten kommen jetzt weitere große Unsicherheiten hinzu", sagte der Finanzchef der Munich Re, Christoph Jurecka, am Dienstag bei der Vorstellung der Quartalsbilanz. Er meint damit den Krieg in der Ukraine. Üblicherweise werden bei den normalen Verträgen der Rückversicherer (Munich Re) und Versicherer (Tochter Ergo) Schäden durch Kriegsrisiken ausgeschlossen, was die Risiken vermindert. Nur in Spezialsparten wie der Transport- oder in der Kreditversicherung müssten sie einstehen.
So verbuchte der Rückversicherer im ersten Quartal infolge des Kriegs Versicherungsschäden von etwas über 100 Millionen Euro. Es gebe noch nicht viele Schadenmeldungen, sagte Jurecka. "Wir haben also überlegt, was könnte schon eingetreten sein."
Operativ bangt die Branche vor allem um Leasingflugzeuge, die an russische Fluggesellschaften vermietet wurden und für die Leasingfirmen nun verloren sein könnten. Hier habe die Münchener Rück "eine gewisse Exponierung", bekräftigte Jurecka. Experten veranschlagen den drohenden Schaden branchenweit auf etwa zehn Milliarden US-Dollar. Bis klar ist, ob die Versicherer in welcher Höhe dafür einstehen müssen, könnten aber Jahre vergehen. Viel abschreiben könne die Münchener Rück bisher nicht, weil sich konkrete Schadenmeldungen in Grenzen hielten, sagte der Finanzvorstand. "Man geht Vertrag für Vertrag, Einzelfall für Einzelfall durch."
Hohe Abschreibung auf russische und ukrainische Anleihen
Zudem hat der weltgrößte Rückversicherer 700 Millionen Euro auf russische und ukrainische Staats- und Firmenanleihen abgeschrieben, die mit Kriegsbeginn drastisch an Wert verloren haben. "Aber das kann nur der Anfang sein", sagte Jurecka am Dienstag in München.
Die Abschreibung traf sowohl die Rückversicherungssparte als auch die Erstversicherungstochter Ergo. Netto belief sich die Belastung für den Konzern noch auf 370 Millionen Euro, weil die Lebensversicherungskunden einen Teil der Verluste tragen müssen - und die Abschreibungen die Steuerlast mindern, wie Jurecka erläuterte. Der größte Rivale Swiss Re verbuchte für den Krieg im ersten Quartal Belastungen von 283 Millionen Dollar, bei der Hannover-Rück- Mutter Talanx waren es 150 Millionen Euro.
Der Restwert der Anleihen sei nun "vergleichsweise klein", so der Manager. So stünden die Staatsanleihen aus beiden Ländern noch mit einem Wert von 20 Prozent in den Büchern des Konzerns, Unternehmensanleihen mit etwas mehr.
Gewinn legt leicht zu
Trotz der teuren Abschreibung auf russische und ukrainische Anleihen sowie den Versicherungsschäden infolge des Kriegs verdiente der Dax-Konzern im ersten Quartal mehr als ein Jahr zuvor - weil Naturkatastrophen und andere Großschäden deutlich weniger zu Buche schlugen als im Vorjahr. Der Gewinn stieg von 589 Millionen Euro auf 608 Millionen Euro. Analysten hatten allerdings 632 Millionen Euro erwartet. Die Hannover Rück verbuchte infolge von Großschäden, erster Rückstellungen für die Folgen des Ukraine-Kriegs und der Pandemie einen Gewinnrückgang um 14 Prozent. Der Schweizer Konkurrent Swiss Re sackte sogar in die roten Zahlen - auch weil ihn die Pandemie-Folgen eine weitere halbe Milliarde Dollar (rund 475 Mio. Euro) kosteten.
Trotz der "weiteren großen Unsicherheiten" hält der Vorstand an der Gewinnprognose von 3,3 Milliarden Euro fest. Im Jahr 2021 hatte die Munich Re noch 2,93 Milliarden Euro eingefahren - das wäre also ein Plus von 13 Prozent. Analysten sind hier allerdings nicht so optimistisch. Den Zahlen des Finanzdienstleisters Bloomberg zufolge erwarten die Experten lediglich ein Plus von neun Prozent auf 3,19 Milliarden Euro.
Verbesserte Schaden-Kosten-Quote
Vor allem das Rückversicherungsgeschäft weitet der Konzern stärker aus: Konzernweit sollen die Beitragseinnahmen mit 64 Milliarden Euro in diesem Jahr rund drei Milliarden höher ausfallen als noch im Februar in Aussicht gestellt. Im ersten Quartal nahm die Münchener Rück 16 Prozent mehr ein als Anfang 2021, die Bruttoprämieneinnahmen stiegen auf 16,8 Milliarden Euro.
Im ersten Quartal waren die Überflutungen im Osten Australiens mit 440 Millionen Euro der teuerste Schaden, danach kamen die Folgen der Winterstürme in Europa mit knapp 120 Millionen Euro. Doch insgesamt fiel die Großschadenlast mit 667 Millionen Euro rund ein Viertel geringer aus als ein Jahr zuvor. Das lag auch an der Auflösung von Rückstellungen für Schäden aus vergangenen Jahren.
Dadurch blieb von den Prämieneinnahmen in der Schaden- und Unfall-Rückversicherung deutlich mehr übrig: Die kombinierte Schaden-Kosten-Quote verbesserte sich von 98,9 auf 91,3 Prozent und lag damit deutlich unter der kritischen 100-Prozent-Marke. Analysten hatten im Schnitt eine deutlich schlechtere Quote erwartet.
Für den Rest des Jahres hat die Münchener Rück bei den Großschäden noch viel Luft: 3,3 Milliarden Euro sind noch im Budget.
Einschätzung zur Munich Re-Aktie
An der Börse wurden die Nachrichten aus München eher positiv aufgenommen. Die Munich-Re-Aktie legte kurz nach Handelsstart um mehr als zwei Prozent zu. Derzeit notiert sie rund 1,7 Prozent fester bei rund 217 Euro. Seit Jahresbeginn hat der Kurs insgesamt fast 18 Prozent an Wert verloren.
Die US-Bank JPMorgan äußerte sich in einer ersten Einschätzung optimistisch. Analyst Kamran Hossain traut der Munich Re-Aktie Kurse von 330 Euro zu - das wäre bei derzeitigen Kursen ein Plus von mehr als 50 Prozent. Er lies die Einstufung für Munich Re nach Quartalszahlen auf "Overweight". Der Rückversicherer habe in einem schwierigen Umfeld abgeliefert, schrieb der Experte. Die Kennziffern unterstrichen zudem die Bilanzstärke der Münchener.
Insgesamt sind die Experten überwiegend einer Meinung. So empfehlen 16 der 26 bei Bloomberg gelisteten Personen die Aktie zum Kauf. Acht sprechen ein Halte-Rating aus, zwei sagen: Verkaufen.
Wir schließen uns der Meinung an - insbesondere aufgrund der hohen Dividende. So schüttete die Munich Re nach der jüngsten Hauptversammlung Ende April elf Euro je Aktie aus. Für 2022 rechnen Analysten mit 11,25 Euro. Anleger erzielen damit eine Rendite von rund fünf Prozent.
Empfehlung: Kaufen.
rtr/dpa-AFX/fh