Nach dem Betrugsskandal beim früheren DAX-Konzern Wirecard berät die Deutsche Börse derzeit über eine Reform des deutschen Leitindex. Nach Informationen von €uro am Sonntag könnten erste Vorschläge ab kommender Woche mit Marktteilnehmern besprochen und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die Deutsche Börse machte dazu auf Anfrage keine Angaben.
Diskutiert wird unter anderem eine Ausweitung des Index von derzeit 30 auf mehr Mitglieder, strengere Zugangskriterien für das "Aushängeschild" der Deutschen Wirtschaft sowie Vorgaben für gute Unternehmensführung (governance). Bislang gibt es mit Börsenumsatz und Marktkapitalisierung des Streubesitzes nur zwei qualitative Kriterien für die Aufnahme in den DAX. Künftig wird beispielsweise überlegt, dass ein Unternehmen Gewinne oder zumindest Gewinnfähigkeit ausweisen muss.
Dass der von einem Bilanzskandal erschütterte Zahlungsabwickler Wirecard auch nach dem Insolvenzantrag noch wochenlang im DAX notiert war, hat bei Kapitalmarktexperten für heftige Kritik gesorgt. Deshalb steht auch ein Sofortausschluss von Firmen in der Diskussion, die einen Insolvenzantrag eingereicht haben. Bislang war dies erst bei Eröffnung des Verfahrens möglich.
Christine Bortenlänger, die Geschäftsführerin des Deutschen Aktieninstituts, hält insbesondere eine Ausweitung des DAX30 für sinnvoll. "Der DAX kann so an Vielfalt und Breite gewinnen und die deutsche Unternehmenslandschaft besser abbilden." Zusätzliche qualitative Kriterien wie "guter Unternehmensführung" oder ökologische und soziale Ziele lehnt Bortenlänger dagegen ab.
Silke Schlünsen, Leiterin des Corporate Brokerage bei der Mainfirst Bank, befürwortet dagegen, dass DAX-Unternehmen in Zukunft auch bestimmte Ethik-, Umwelt- und Sozialstandards erfüllen sollten. "Diese Anforderungen werden in Zukunft allgemein zunehmen", sagt Schlünsen. Ebenso sollten nach ihrer Ansicht Vorgaben an gute Unternehmensführung erfüllt sein. Fehlende Zwischenberichte, Testat oder ein Insolvenzantrag sollten zum sofortigen Ausschluss führen.
Die Deutsche Börse lotet in den nächsten Wochen Vorschläge mit Markteilnehmern aus, bis Jahresende soll die Reform stehen. "Die 30 DAX-Mitglieder repräsentieren 80 Prozent der Marktkapitalisierung deutscher AGs. Durch seine regelbasierte Konstruktion eignet sich der Leitindex optimal als Grundlage für Derivate und Indexfonds(ETF) und ist Basis für 150 000 Finanzprodukte. Dieses Regelwerk möchten wir jetzt weiterentwickeln", sagte ein Sprecher der Deutschen Börse auf Anfrage.