Das Wort Nachhaltigkeit hat vor allem eines: einen nachhaltigen Beigeschmack. Das hat damit zu tun, dass der Begriff einerseits für ernste Themen stehen kann, die da lauten: Umwelt(schutz), soziale Standards sowie eine Art der Unternehmensführung, die auf Langfristigkeit angelegt ist. Die Bundesregierung versteht unter "Nachhaltigkeit" unter anderem dieses: "Jede Generation muss ihre Aufgaben lösen und darf sie nicht den nachkommenden Generationen aufbürden." In Zeiten von Rekordschulden zum Bewältigen der Corona- Krise ein Satz zum Sichmerken.
Andererseits gilt "Nachhaltigkeit" spätestens seit den Nullerjahren für viele Marketingleute als Muss. Unternehmen nannten sich plötzlich "nachhaltig", auch wenn sie einfach so weitermachten wie zuvor. Gebäude wurden als nachhaltig erklärt, obwohl an ihnen technisch nichts geändert wurde und die alten Heizkessel im Keller einfach weiter jeden Tag einen Tag älter wurden. Und auch bei Aktienfonds, die das Label "nachhaltig" tragen (oder die Abkürzung ESG für die englischen Begriffe Environment, Social und Governance), lohnt es sich, genau hinzuschauen, in welche Titel sie investieren. Das Anlegerleben lehrt: Nicht überall, wo "nachhaltig" draufsteht, ist auch "nachhaltig" drin - zum Beispiel dann, wenn Investoren unter "Nachhaltigkeit" den Bereich Ökologie meinen. Gerade erst fand die Stiftung Warentest heraus, dass nur wenige "nachhaltige" Fonds fossile Energien komplett ausschließen.
Was heißt "nachhaltig" überhaupt?
Das Sozialwissenschaftliche Institut (SWI) mit Sitz in Hamburg fasst das Problem so zusammen: "Nachhaltigkeit gewinnt in unserer Gesellschaft und Wirtschaft fortlaufend an Bedeutung", formuliert SWI-Projektleiter Tim Härle. "Der Begriff ist aber nicht sauber definiert. Es gibt ökologische, soziale und ökonomische Interpretationen." Umso ambitionierter mutete der Versuch an, in einer Studie für €uro am Sonntag zu ermitteln, welche Banken in Deutschland aus der Sicht ihrer Kunden besonders nachhaltig sind.
Das SWI probierte es und fand auf der Basis von mehr als 68.000 Kundenmeinungen heraus, dass die PSD Banken und die RaboDirect nach Meinung der Umfrageteilnehmer hierzulande die nachhaltigsten Banken sind. Sie schnitten mit der Note "sehr gut" ab, während sich die Sparkassen und überregionale Institute wie die Postbank, die Commerzbank, die Deutsche Bank und die Hypovereinsbank mit einem "befriedigend" begnügen mussten (siehe Tabellen und "So wurde gewertet").
Bei der Befragung waren erklärte Nachhaltigkeitsbanken wie die Bochumer GLS Bank oder die Nürnberger UmweltBank ausgenommen. Der Grund: Hier geht das SWI davon aus, dass deren Kunden ohnehin von der wie auch immer im Einzelnen aussehenden Nachhaltigkeit ihrer Bank überzeugt sind. Die Umfrage zielte also auf Allrounder wie Sparkassen, Volksbanken, überregionale Groß- sowie Direktbanken.
"Den Urgesteinen der Bankenbranche in Deutschland stellen ihre Kunden kein gutes Zeugnis in puncto Nachhaltigkeit aus", stellt Härle fest. "Ihre moderneren Direktbankenableger, wie zum Beispiel die Comdirect, kommen trotz ähnlicher Geschäftspraktiken besser davon." Seine Erklärung für dieses Ergebnis: "Es scheint, dass das Image der Banken nach wie vor einer der entscheidenden Faktoren für Kundenmeinungen zum Thema Nachhaltigkeit ist." Den Tochtergesellschaften gelinge es offenbar, "sich in diesem Bereich ausreichend zu emanzipieren und von den Kunden als eigene Marke wahrgenommen zu werden".
In der Tat schafften bei der Studie in der Sparte "Überregionale Geldinstitu- te" nicht nur die Sparkassen-Ableger 1822direkt und DKB - Deutsche Kreditbank immerhin die Gesamtnote "gut", sondern auch die Commerzbank-Tochter Comdirect und die Consorsbank, die zur französischen Großbank BNP Paribas gehört. Die RaboDirect, Notenbeste bei den Überregionalen, ist eine Tochter der niederländischen Rabobank, die genossenschaftlich strukturiert ist.
Innovationen wirken nachhaltig
Härle erklärt das bessere Abschneiden jüngerer Geldinstitute auch mit dem Image des Modernen und Ideenreichen. "Sind Kunden mit den Innovationen ihres Instituts zufrieden, verbessert das ihre Sicht auf dessen Nachhaltigkeit merklich", sagt er. Innovationen, also zum Beispiel technische Weiterentwicklungen und mehr Komfort beim Banking, wirkten auf die Kunden, als richteten die Anbieter ihr Unternehmen für die Zukunft aus und steigerten damit das Gemeinwohl. Bei vielen Umfrageteilnehmern kam das offenkundig als nachhaltig an - in diesem Fall weniger im Sinne von Ökologie als vielmehr mit Blick auf längerfristige soziale und wirtschaftliche Belange.
Apropos Nachhaltigkeit in Form von Umweltschutz: "Abseits ethisch-ökologischer Institute erkennen Kunden wenig Unterschiede in der ökologischen Nachhaltigkeit der Banken", erklärt Härle. Das heißt, wer nicht gezielt zu einer Adresse vom Typ Umweltbank geht, die ausdrücklich erklärt, ausschließlich umweltfreundliche Projekte zu finanzieren, vermag nicht zu erkennen, dass es hinsichtlich der Anlage- und Finanzierungspolitik von Sparkassen, PSD Banken, Großbanken oder den offenbar vergleichsweise hip anmutenden Direktbanken nennenswerte Unterschiede gibt. Ob das daran liegt, dass alle Banken tatsächlich substanziell ähnlich einzuschätzen sind oder aber die einen mittels Greenwashing, also Ökomarketing statt Substanz, das kompensieren, was andere womöglich an tatsächlicher ökologischer Nachhaltigkeit bieten, bleibt bei der Studie offen.
Kunden schätzen Lösungsqualität
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Noch ein Befund, der sowohl für Filialbanken hilfreich sein kann als auch für Institute, die sich als Direktbanken sehen: "Freundliche Kundenberatungen mit hoher Lösungsqualität stehen für Kunden im Zusammenhang mit verbesserter Nachhaltigkeit", so Härle. "Zeigen Institute Interesse an einer langfristigen Beziehung zu ihren Kunden, nehmen diese sie als wirtschaftlich nachhaltiger wahr." Es lohnt sich also, die Kunden in Filialen gut zu behandeln. Banken, die keine oder kaum Niederlassungen haben, sollten dafür sorgen, per Telefon oder E-Mail gut erreichbar zu sein. Dann wirken sie glaubwürdig in ihrem Bestreben, mit ihrer Kundschaft eine nachhaltige Geschäftsbeziehung zu unterhalten.
In der Erhebung zeigt das konkrete Folgen. So empfehlen selbst 54 Prozent der generell unzufriedenen Kunden ihre Bank weiter, wenn sie mit der Nachhaltigkeit des Instituts zufrieden sind. Sind grundsätzlich unzufriedene Kunden auch noch auf Distanz zur Nachhaltigkeit ihrer Bank, empfehlen nur noch gut elf Prozent ihr Institut weiter.
Was auffällt, ist das sehr gute Abschneiden der PSD Banken, die nicht nur bei den Regionalen, sondern insgesamt vorn landeten. Die Kunden sind also höchst zufrieden mit der Nachhaltigkeit. Besonders die PSD-Ableger in Kiel und München taten sich hier sehr positiv hervor. Den Umfrageverlierern (Großbanken, Sparkassen) gibt das SWI einen praktischen Rat: "Diese Unternehmen sollten ihr Handeln und ihre Kommunikation hinsichtlich Nachhaltigkeit optimieren." Und zwar nachhaltig.
So wurde gewertet
Die Analyse "Nachhaltige Bank", die das Sozialwissenschaftliche Institut (SWI) in Hamburg für €uro am Sonntag vorgenommen hat, gründet auf 68 338 abgegebenen Fragebögen von Bankkunden. Im Kern ging es bei dieser erstmals durchgeführten Umfrage um folgende Fragen: 1) "Wie zufrieden sind Sie mit der Nachhaltigkeit Ihrer Bank?" und 2) "Wie groß ist Ihr Vertrauen in Ihre Bank?", ergänzt um die Zusatzfrage: "Wie groß ist Ihr Vertrauen in die Bankenbranche insgesamt?"
Die geäußerten Zufriedenheits- und Vertrauenswerte wurden in Punkte übersetzt. Die Zufriedenheit mit der Nachhaltigkeit wurde mit 70 Prozent gewichtet, der Aspekt Vertrauen mit 30 Prozent. Banken, für die mindestens 200 Kundenmeinungen abgegeben wurden, kamen individuell in die Endwertung. Waren es weniger als 200 Meinungen (betrifft viele der regionalen Sparkassen, Volksbanken und Sparda-Banken), wurden sie unter einem Sammelbegriff wie "Sparkassen" oder "Volks- und Raiffeisenbanken" gebündelt.
Basis: Umfrage unter 68 338 Bankkunden; ¹ Über 90 Punkte: sehr gut; ab 75 P.: gut; ab 60 P.: befriedigend; ab 45 P.: ausreichend; unter 45 P.: mangelhaft; 2 zusätzlich zu den sechs einzeln aufgeführten PSD-Banken auch alle weiteren PSD-Banken, für die jeweils weniger als 200 Voten abgegeben wurden; 3 alle zwölf Sparda-Banken zusammen. Quelle: SWI Finance