Kennen Sie die österreichische Steigerungsform von Unordnung? Na klar: Unordnung, Chaos - ÖIAG. In der Österreichischen Industrieholding AG sind die Beteiligungen der Republik Österreich an verstaatlichten und teilverstaatlichten Unternehmen gebündelt - klingt nach klarer Struktur, doch die ÖIAG agiert in jüngster Zeit alles andere als professionell.

Offenkundig wurde das beim Personalfiasko rund um den Chefposten beim Öl- und Gaskonzern OMV und bei der Veräußerung von Telekom Austria-Aktien an das Mobilfunkunternehmen América Móvil des mexikanischen Milliardärs Carlos Slim. Die Kritik: Die Telekom- Papiere seien zu billig verkauft worden. Und bei der OMV habe die vorzeitige und übereilte Ablösung von OMV-Chef Gerhard Roiss zu unnötigen Kosten und Führungslosigkeit geführt. Bei der entscheidenden Aufsichtsratssitzung konnte man sich nicht einmal auf einen Nachfolger einigen, obwohl im Vorfeld OMV-Finanzchef David Davies als sicherer Kandidat galt. Folge: die OMV-Aktie kam unter die Räder. Übrigens: In beiden Fällen spielte ÖIAG-Chef Rudolf Kemler eine höchst umstrittene Rolle.

Finanzminister Hans Jörg Schelling bezeichnete das Vorgehen bei der Ablösung des bisherigen OMV-Chefs Gerhard Roiss als "nicht professionell". Und Claus Raidl, früher selbst ÖIAG-Chef, unterstellte Kemler "fehlendes Verständnis für die Funktionsweise börsennotierter Unternehmen". Dass Kemlers Vertrag einvernehmlich um zwei Jahre verkürzt wurde, überrascht da nicht mehr. Jetzt läuft der Vertrag zum 31. Oktober 2015 aus. Kemler könne aber auch früher gehen, so ÖIAG Aufsichtsratschef Siegfried Wolf. Rückhalt und Unterstützung sieht anders aus.

"Ich habe mir überhaupt nichts vorzuwerfen, im Gegenteil", sagt dagegen Kemler selbst. Bei der Telekom wie auch bei der OMV gebe es rückblickend "nur Positives, nichts Negatives". Als Grund für seinen vorzeitigen Abgang gibt er an, es gehe bei der Staatsholding in eine Richtung, in der die Politik wieder eine größere Rolle spiele. "Und das ist nicht das Umfeld, in dem ich mich betätigen wollte."

Tatsächlich soll die ÖIAG wieder enger an den Staat rücken. In den vergangenen Jahren hatte die Politik nicht mal das Recht, die Gesch.ftsführung zu bestimmen. Die Vorstände suchten sich ihre Nachfolger praktisch selbst - damit soll nun Schluss sein.

Im Rahmen der Reform, gibt es auch Diskussionen um Eingliederungen weiterer Staatsbetriebe in die ÖIAG. Hier haben jedoch die Betriebsräte der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) und des Autobahnbetreibers Asfinag bereits ihren Widerstand angekündigt. Auch Wolfgang Anzengruber, Chef des Energieversorgers Verbund, sieht "keinen Vorteil", wenn sein Unternehmen, das zu 51 Prozent der Republik Österreich gehört, unter das Dach der Staatsholding käme. Das sei aber eine Entscheidung des Eigentümers, "und der kann mit seinem Eigentum machen, was er will".

Wäre es unter dem Dach der ÖIAG tatsächlich so schlimm? Hier lohnt ein Blick auf die drei börsennotierten Unternehmen, die sich bereits unter dem Dach der Holding befinden - also Telekom Austria, OMV und Österreichische Post.

Auf Seite 2: Die ÖIAG-Aktien im Überblick





Bei der Telekom Austria läuft noch bis 24. November eine Kapitalerhöhung mit einem Volumen von bis zu einer Milliarde Euro. Das hat die Aktie erst mal kräftig unter Druck gesetzt. Im Zuge der Kapitalerhöhung sollen 221,5 Millionen neue Aktien zum Preis von 4,57 Euro an den Mann gebracht werden. Dabei wird die Kapitalerhöhung zu fast 90 Prozent von den beiden Großaktionären América M.vil und ÖIAG gestemmt. Der mexikanische Telekomkonzern von Carlos Slim steckt 604 Millionen Euro in die Telekom Austria, die Staatsholding ÖIAG will ihren Anteil von derzeit 28,4 Prozent halten und zieht daher mit bis zu 287 Millionen Euro mit. Da BÖRSE ONLINE bei der Telekom Austria derzeit wenig Kursfantasie sieht, bleibt die Empfehlung auf "Beobachten".

Auf Seite 3: OMV





Das OMV-Ergebnis im dritten Quartal 2014 war wiederum durch den im Vergleich zum Vorjahr niedrigeren Ölpreis belastet, zudem waren die Produktionskosten je Barrel - also je 159-Liter-Fass - deutlich höher als im Jahr zuvor. "Insbesondere wegen des schwachen Ölpreises - zusammen mit der Unberechenbarkeit unserer Produktion in Libyen, die den Konzern-Cashflow negativ beeinflusst - haben wir entschieden, das Tempo unseres Investitionsprogramms für die nächsten zwei bis drei Jahre zu überprüfen", schreibt der bisherige OMV-Chef Gerhard Roiss noch im Quartalsbericht. Das könne letztlich dazu führen, dass das Produktionsziel von 400 000 Barrel je Tag - anders als bisher geplant - erst nach 2016 erreicht wird. Die OMV stehe allerdings weiterhin zu ihrem langfristigen Verschuldungsziel von rund 30 Prozent und zur bisherigen Dividendenpolitik mit einem Ausschüttungsgrad von 30 Prozent.

Die Analysten zeigten sich von den Zahlen jedoch alles andere als beeindruckt. So haben etwa die Aktienstrategen von UBS nach Bekanntgabe der Zahlen ihr Urteil - "neutral" - und ihr erst Ende Oktober von 32 auf 26 Euro zurückgenommenes Kursziel für die OMV-Aktie bekräftigt. Zwar habe der Konzern die Margenvorteile durch den Ausbau der Produktion im rumänischen Petrobrazi "voll ausgenutzt", doch sei es im Bereich Exploration und Produktion wegen hoher Kosten deutlich schlechter gelaufen als von den Analysten durchschnittlich erwartet.

Die Redaktion lehnt sich ein wenig weiter aus dem Fenster, weist auf die weiterhin positiven Dollareffekte, die extrem günstige Bewertung und die Tatsache hin, dass viele schlechte Nachrichten bereits eingepreist sind. Kursziel daher: 32 Euro.

Auf Seite 4: Österreichische Post



Als würden die Turbulenzen bei der ÖIAG nicht für genug Gegenwind sorgen, sind neue Hausdurchsuchungen bei der Österreichischen Post bekannt geworden. Die Staatsanwaltschaft untersucht derzeit mehrere Privatisierungen in der Zeit von Finanzminister Karl-Heinz Grasser, darunter auch der Börsengang der Post. Die Hausdurchsuchung in den Räumen der ÖIAG hat bereits im Juli stattgefunden.



Harte Fakten von der Österreichischen Post gibt es dagegen erst später: Die Quartalszahlen kommen nach Redaktionsschluss. Das Unternehmen hat jedoch in den vergangenen Jahren effizient gewirtschaftet und wurde kräftig restrukturiert. Die Aktie ist zwar nicht mehr ganz günstig, bietet aber fünf Prozent Dividendenrendite - insgesamt ein solider Wert in stürmischen Zeiten und deshalb Favorit der Redaktion.

Auf Seite 5: Staatsnahe Aktien aus Österreich