Der "Süddeutschen Zeitung" zufolge haben auch enge Vertraute des russischen Präsidenten Wladimir Putin über zwei Milliarden Dollar durch Scheinfirmen geschleust, was der Kreml als "Desinformation" zurückwies. Insgesamt sollen zwölf aktuelle oder ehemalige Staatschefs in den Listen stehen. In Island forderte die Opposition den Rücktritt der Regierung.

Der "Süddeutschen Zeitung" waren durch eine anonyme Quelle etwa elf Millionen Dokumente aus der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca in Panama zugespielt worden. Unter den Kunden fänden sich fast 130 Politiker aus aller Welt. Der Zeitung zufolge zeigen die Daten, "wie eine globale Industrie, angeführt von großen Banken, Anwaltskanzleien und Vermögensverwaltern, die Besitztümer von Politikern, Fifa-Funktionären, Betrügern und Drogenschmugglern, aber auch von Milliardären, Prominenten und Sport-Stars in aller Verschwiegenheit verwaltet".

"GUARDIAN": VATER DES BRITISCHEN PREMIERS WAR AUCH DABEI



Auch Freunde Putins hätten die Dienste der vor fast 40 Jahren von dem Deutschen Jürgen Mossack gegründeten Kanzlei in Anspruch genommen, berichtete die Zeitung. Putin selbst werde in den Unterlagen aber nicht erwähnt. Ein Sprecher des russischen Präsidialamtes sagte, Ziel der Veröffentlichung sei, Putin vor anstehenden Wahlen zu diskreditieren. Dem "Guardian" zufolge soll auch der verstorbene Vater des britischen Premiers David Cameron, Ian Cameron, zu den Kunden gezählt haben. Den Berichten zufolge soll die Familie des pakistanischen Ministerpräsidenten Nawaz Sharif ebenfalls die Dienste der Kanzlei genutzt haben.

In Island schlug hohe Wellen, dass Regierungschef Sigmundur Davio Gunnlaugsson und weitere Regierungsmitglieder auf der Kundenliste stehen. Die Opposition forderte seinen Rücktritt, was Gunnlaugsson ablehnte. Schon vor einem Monat war bekannt geworden, dass seine Frau über Offshore-Konten Forderungen gegen mehrere 2008 pleite gegangenen isländische Banken gehalten hat.

Ebenfalls eine Briefkastenfirma gegründet haben soll der Zeitung zufolge der ukrainische Präsident Petro Poroschenko. Die mit dem Verkauf seines Roshen-Konzerns beauftragte Anwalts-Kanzlei erklärte, Steuern seien nicht hinterzogen worden. Von den Enthüllungen über Briefkastenfirmen ist auch die Ehefrau von EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete aus Spanien betroffen.

Frankreichs Präsident Hollande kündigte an, sobald neue Informationen zutage träten, würden Steuer-Verfahren eröffnet und Prozesse geführt. Auch in Australien, Dänemark, Neuseeland oder Österreich zeigten sich die Regierungen alarmiert. Insgesamt waren der "Süddeutschen Zeitung" zufolge rund 400 Journalisten von über 100 Medienorganisationen in rund 80 Ländern über ein Jahr lang an der Daten-Auswertung beteiligt.

Einer der Mitgründer von Mossack Fonseca, Ramon Fonseca, wies im Gespräch mit Reuters Verfehlungen von sich. Die Kanzlei sei nicht für Aktivitäten der Briefkastenfirmen verantwortlich, sondern Opfer einer internationalen Kampagne gegen Datenschutz.

Auf Seite 2: BUNDESREGIERUNG WILL "ZUSPIEL" AUFNEHMEN





BUNDESREGIERUNG WILL "ZUSPIEL" AUFNEHMEN



Der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Martin Jäger, sagte, Deutschland stehe nicht im Zentrum der Enthüllungen. Hierzulande gebe es bereits Instrumente gegen Steuerhinterziehung über Briefkastenfirmen. Schäuble setze sich seit Jahren international gegen Steuerhinterziehung ein. Was fehle, sei weltweite Transparenz. Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte: "Wir müssen Briefkastenfirmen und Stiftungen, deren wirtschaftlich Berechtigte anonym bleiben, weltweit verbieten."

Nach Worten von Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans könnte Deutschland aber auch national mehr tun, etwa durch die Einführung eines Unternehmensstrafrechts: "Dann können Banken und andere Unternehmen wegen Steuerhinterziehung belangt werden und nicht nur einzelne Angestellte wegen Delikten, die ihnen nachzuweisen sind." Nach eigenen Angaben arbeitet das Bundesjustizministerium derzeit schon an einem Gesetzentwurf zur Sanktionierung von ganzen Unternehmen.

Der Chef der Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, sagte Reuters, die Politik müsse sich vielleicht zu einer radikalen Lösung durchringen und Geschäfte mit Ländern erschweren, die über Briefkastenfirmen beim Steuerbetrug behilflich seien.

Der Zeitung zufolge haben auch deutsche Banken Kunden geholfen, Briefkastenfirmen zu gründen. Ein Sprecher von Deutschlands größtem Geldhaus sagte: "Was die Deutsche Bank angeht, so haben wir unsere Kundenannahme-Verfahren verbessert; wir überprüfen, mit wem wir Geschäfte machen und stellen sicher, dass unsere Richtlinien, Verfahren und Systeme so gestaltet sind, dass sie alle relevanten Gesetze und Regularien befolgen." Die Commerzbank hatte sich 2015 mit der Staatsanwaltschaft Köln auf ein Bußgeld von 17 Millionen Euro geeinigt. Das Verfahren wurde eingestellt.

Reuters