Die Gesprächspartner


  • Martin Daut ist seit Juli 2019 Vorstandsvorsitzender der quirion AG. Weitere Karrierestationen waren unter anderem Digital Equipment, Sellbytel/BBDO und Cortal Consors, das er bis 2009 zur Direktbank umbaute. Zudem realisierte er eigene Beratungs- und Umsetzungsprojekte in der Finanzindustrie.
  • Matthias Hach ist seit November 2020 als Executive im Segment ­Privat- und Unternehmenskunden der Commerzbank AG für comdirect verantwortlich. Darüber hinaus trägt er im Konzern die fachliche Verantwortung für die Themen Marketing und Digital Banking Solutions. Außerdem ist Matthias Hach Aufsichtsratsvorsitzender der Commerz Direktservice GmbH und der onvista media GmbH.
  • Thomas Meyer zu Drewer leitet den öffentlichen Vertrieb bei Lyxor Deutschland seit der Fusion der beiden ETF-Marken ComStage und Lyxor im Jahr 2020. Er ist seit mehr als 25 Jahren in der Fonds- und ETF-Branche tätig und war sowohl aktiv als auch passiv anlegender Fondsmanager.
  • Dag Rodewald ist Leiter ETF & Index Solutions für Deutschland und Österreich bei der UBS Asset Management (DEU) GmbH in Frankfurt. Der studierte Diplom-Volkswirt verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung an den Finanzmärkten. Vor seinem Eintritt bei UBS ETFs im Jahr 2013 war er für verschiedene internationale Investmentbanken tätig, darunter beispielsweise Morgan Stanley, Sanford C. Bernstein und Bank of America Merrill Lynch.
  • Thomas Wiedenmann ist der Deputy Head of ETF, Indexing & Smart Beta Sales für Deutschland, Österreich und Osteuropa. Zudem verantwortet er die Wealth- und Retail-Strategie und betreut Banken, Plattformen und Vertriebspartner. Thomas Wiedenmann verfügt über eine mehr als zehnjährige Erfahrung in den Bereichen Indexprodukte und Kapitalmärkte.

    • Tischgrafik

      €uro: Wie haben Ihre Unternehmen und Ihre Produkte sich im abrupten Corona-Crash und der auf den Fuß folgenden blitz­artigen Erholung geschlagen?
      Martin Daut (CEO quirion AG): Problemlos, Kunden digitaler Vermögensverwalter reagieren nicht so aufgeregt auf Kurseinbrüche. Vermögensverwaltung ist kein Brokerage. Unsere Anleger haben sehr vernünftig reagiert und unterm Strich kein Geld abgezogen. Als sich für sie erkennen ließ, dass möglicherweise der Boden erreicht ist, haben sie schnell wieder investiert. quirion ist also super durch das Jahr gekommen und weiter gewachsen.
      Matthias Hach (Bereichsvorstand com­direct, Marketing & Digital Solutions bei der Commerzbank): Im direkten Kontakt zu Endkunden war es nicht anders. Es gab kaum Chaosverkäufe wie 2008/2009. Die Anleger verhielten sich disziplinierter. Der Lockdown war Auslöser für neues Investieren. Das ­betraf alle Bereiche, vom Sparplan über die digitale Vermögensverwaltung bis zum ­klassischen Aufbau von Vermögen. Überall gab es ein Wachstum, das wir so noch nicht gesehen haben: Die hohe Marktvolatilität der letzten Monate hat den Appetit der ­Anleger erheblich wachsen lassen.
      Thomas Meyer zu Drewer (Head of Public Distribution D/A bei Lyxor ETF): Für Produktanbieter ergab sich zwangsläufig dasselbe: ETFs waren enorm stark nachgefragt. Im Wettlauf zwischen dem aktiven und passiven Investment haben sie vor allem das Vorurteil widerlegt, sie könnten in fallenden Märkten schnell den Anschluss verlieren. Liquidität und Handelbarkeit blieben erhalten. Getreu dem Motto "only the unknown is unknown" konnte man allerdings auf kein Muster früherer Krisen zurückgreifen: Globale Lockdowns gab es noch nie. Es ist also für ein Fazit zu früh. Trotzdem wird man nach einigen Jahren rückblickend sagen können, dass es sich rentiert hat, passiv zu investieren. Zu den geringeren Kosten kommt, dass es schwer ist, über einen längeren Zeitraum den Markt konsistent zu übertreffen.
      Dag Rodewald (Leiter ETF & Index Solutions D/A, UBS AM): Auch der Zeitraffer war neu, die Krise hat ja eigentlich nur zwei Monate gedauert, zu kurz für panik­artige Verkäufe. Wir handeln bereits seit April 2020 in Europa und den USA wieder im Bereich der All-Time-Highs. Etwas anderes allerdings hat sich verändert: Anleger, ob institutionell oder privat, wollen definitiv stärker nachhaltig investiert sein. Dem kommen wir mit einer Produktpalette bei der UBS entgegen, bei der im ETF-Bereich bereits 25 Prozent der Asset under Management nachhaltig orientiert sind. Unterm Strich gab es im institutionellen Bereich zwar Abflüsse bei Core-Investments, wie denen in S & P 500 oder Euro­Stoxx 50 zu beobachten. Diese wurden aber durch Zuflüsse in den Nachhaltigkeitsbereich mehr als ausgeglichen.
      Thomas Wiedenmann (Head of ETF-, Indexing- & Smart-Beta-Sales D/A, Amundi): Das Gleiche gilt für uns, die Marktentwicklung muss man allerdings zweigeteilt betrachten. Die Zuflüsse in nachhaltige Invest­ments sind beeindruckend, kommen aber großteils aus dem institutionellen Bereich. Fast 60 Prozent der 50 Milliarden Euro, die seit Jahresbeginn in die europäische ETF-Industrie flossen, gingen in nachhaltige Produkte (28 Milliarden Euro). Das ist ein enormes Wachstumsfeld. Wir bei Amundi konnten das Volumen in nachhaltigen ETF-Produkten nahezu verdoppeln.


      Hat nicht auch der Lockdown den Boom der nachhaltigen ETFs stark beeinflusst?
      Wiedenmann (Amundi): Ja, aber nicht allein. Die schnelle Kurserholung und die positive Performance nachhaltiger Produkte haben auch geholfen. Dazu kommen Kostenvorteile und die starke Volatilität. Kunden realisieren gerade in schwankenden Märkten, dass ETFs ein flexibles Anlageinstrument sind, das man problemlos kaufen und verkaufen kann. Diese positive Erfahrung prägt: Momentan ist der Chance-Risiko-Mix bei der Kombination aus Nachhaltigkeit und ETF sehr überzeugend.


      amundi

      Im Einklang mit den Pariser Klimazielen investieren


      Der Klimawandel ist spätestens seit der Pariser Klimakonferenz und Fridays for Future auch an den Börsen und bei Anlegern angekommen. Dafür gibt es drei wichtige Gründe:
      1. Viele Anleger möchten die Kohlenstoffintensität bei ihren Anlagen senken
      2. Klimainvestments sind in puncto Risiko-Rendite-Verhältnis aussichtsreich
      3. Die EU hat neue Klima-Index-Standards formuliert, die die Auswahl von Klima-ETFs erleichtern

      Konkret gibt es zwei Index-Standards, die Climate Transition Benchmarks (CTB) und die anspruchsvolleren Paris-abgestimmten Benchmarks (PAB).
      Die PAB sind auf die schnellere Einhaltung des 2-Grad-Erwärmungslimits ausgerichtet. Gefordert sind eine 50-prozentige Reduzierung der Kohlenstoffintensität, fortlaufende jährliche CO2-Einsparungen und Grenzwerte für Kohle, Öl und Erdgas.
      Bei Amundi ist ESG einer der vier Pfeiler der Firmenstrategie. Der Kampf gegen den Klimawandel hat hierbei hohe Priorität. Bis 2021 sollen zudem folgende Ziele erreicht werden:
      100 % ESG-Integration:
      • ESG-Kriterien werden bei allen Anlagen berücksichtigt.
      • Alle aktiven offenen Fonds haben ein besseres ESG-Rating als ihr Vergleichsindex

      100 % ESG-Analyse:
      • ESG-Ratings für alle rund 8000 Emittenten des Amundi Anlageuniversums.
      • Titel mit sehr schlechten Ratings und inakzeptablen Praktiken werden ausgeschlossen
      100 % ESG-Voting:
      • Als aktiver Aktionär engagiert sich Amundi vor und auf Hautversammlungen.
      • ESG ist im Abstimmungsverhalten vollständig integriert
      Neue EU-Klimabenchmarks - Neue Amundi Klima-ETFs ISIN Lfd. Kosten (OGC)
      1
      Amundi Euro Istoxx Climate Paris Aligned PAB - UCITS ETF DR LU2182388319 0,18 %
      Amundi MSCI Europe Climate Paris Aligned PAB - UCITS ETF DR LU2182388582 0,18 %
      Amundi MSCI World Climate Paris Aligned PAB - UCITS ETF DR LU2182388400 0,25 %
      1 Laufende Kosten (Ongoing Charges - OGC; jährl., inkl. Steuern) werden im Jahresverlauf aus dem Fonds abgeführt. Bis zum ersten Jahresabschluss werden sie geschätzt. Beim Handel von ETFs können zusätzlich Transaktionskosten und Kommissionen anfallen.


      Meyer zu Drewer (Lyxor ETF): ETFs sind sehr flexible Anlageinstrumente. Genauso wie ETF-Sparpläne: Man kann sie pro­blemlos aufstocken oder verändern. Das haben viele genutzt und sind im März und April in nachhaltige Produkte übergewechselt. Bei den Volumenzuwächsen ist klar, dass institutionelle Anleger immer eine Vorreiterrolle einnehmen. Es kommt aber ergänzend der Boom der Digitalisierung dazu, dafür sorgt schon das all­präsente Homeoffice-, Homeschooling-Umfeld ...

      Lyxor

      DER INDEX: DAX® 50 ESG: Der "grünere" DAX


      Nachhaltige Geldanlagen werden immer beliebter. Jetzt haben Anleger die Möglichkeit, in einen "grüneren" DAX anzulegen: Der Lyxor 1 DAX® 50 ESG UCITS ETF ist weltweit der erste börsengehandelte Investmentfonds auf den DAX® 50 ESG Index.
      Vollreplizierend, in Deutschland aufgelegt und aus- schüttend, bietet dieser ETF Zugang zu 50 besonders nachhaltigen deutschen Standardaktien, die aus dem HDAX stammen. Der HDAX setzt sich aus Aktien des Standard-DAX, des MDAX und TecDAX zusammen.
      In einem mehrstufigen Verfahren ermittelt die Research- und Ratingagentur Sustainalytics das ESG-Rating der im HDAX vertretenen Unternehmen im Hinblick auf Umwelt (Environment), Soziales (Social) und eine gute Unternehmensführung (Governance). Eine Berücksichtigung von Marktkapitalisierung und Börsenumsatz schließt sich an.
      Täglich werden die im Index enthaltenen Titel auf Einhaltung der ESG-Kriterien überwacht; vierteljährlich er- folgt eine Zurücksetzung der Indextitel auf maximal 7 %. Der Lyxor 1 DAX® 50 ESG UCITS ETF ergänzt das Angebot von 20 global und lokal anlegenden Lyxor ESG-ETFs

      ISIN / WKN DE000ETF9090 / ETF909
      Emittent Lyxor Fund Solutions
      Auflegung 06.04.2020
      Volumen 13,3 Mio. €
      Index Dax ® 50 ESG (TR) Euro
      TER (p.a.) 0,23 %
      Kursentwicklung seit Auflage 35,75 %
      Konstruktion direkt replizierend
      Stand: 30.11.2020 Quelle: boerse-online.de, Unternehmen


      Rodewald (UBS): ... und die Präsenz in den Medien und in der europäischen Politik vom Green Deal bis zur Taxonomie der ESMA. Nachhaltigkeit hatte ihren Ursprung ja in den neunziger Jahren, brauchte aber mehrere Anläufe, um sich durchzusetzen. Die UBS hatte im ETF-Bereich das Thema bereits 2011 adressiert. Allerdings waren wir 2014/2015 kurz davor, es nicht weiter zu verfolgen. Das Interesse war verschwindend klein. Es gab kaum Anleger (und auch nur wenige Journalisten), die sich für diesen Bereich interessierten. Der VW-Abgas-Skandal hat das geändert.

      UBS

      UBS ETF (LU) SUSTAINABLE DEVELOPMENT BANK BONDS UCITS ETF (USD) A-DIS


      Anlegerinnen und Anleger wollen heute nicht mehr nur investieren, sondern mit ihrem Geld auch Positives bewirken. Eine unmittelbare Möglichkeit dazu bietet unser Sustainable Development Bank Bonds ETF, der ein Engagement in Anleihen multilateraler Entwicklungsbanken (MDBs) ermöglicht. Solche MDBs wie etwa die Weltbank stellen Entwicklungsländern Finanzmittel zur Verfügung, um gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt zu fördern.
      Der ETF ist darüber hinaus auch aus ökonomischen Gesichtspunkten attraktiv. Er beinhaltet ausschließlich in US-Dollar denominierte Anleihen, die von der hohen Bonität ihrer supranationalen Emittenten profitieren. Die Anleihen verfügen über mindestens ein AA- (S & P) beziehungsweise ein Aa3 (Moody’s) Rating, haben einen Mindestemissionsbetrag von 500 Millionen US-Dollar und eine Restlaufzeit von mindestens zwölf Monaten.
      In den vergangenen Jahren boten die Anleihen eine höhere Rendite als US-Treasuries - auch wenn sich daraus nicht auf die zukünftige Entwicklung schließen lässt. Im Ergebnis stellt der ETF somit eine attraktive, risikoarme und nachhaltige Alternative zu High-Grade- Staatsanleihen dar.

      ISIN / WKN LU1852212965 / A2JQW6
      Auflegung 08.11.2018
      Volumen 580 Mio. €
      Index Solactive Global Multilateral Development
      Bank Bond USD 25% Issuer Capped TR Index
      Tracking Error 0,025 %
      TER (p.a.) 0,18 %
      Kursentwicklung seit Auflage (Frankfurt) 9,6 %
      Konstruktion replizierend
      Stand: 30.11.2020 Quelle: boerse-online.de, Unternehmen


      Daut (quirion): Heute wollen die Kunden definitiv Nachhaltigkeit. Aktuell entfallen 30 Prozent des Nettomittelzuflusses bei quirion auf nachhaltige ETF-Strategien.

      quirion

      PREISGEKRÖNTER ROBO-ADVISOR VERWALTET ÜBER 500 MILLIONEN EURO KUNDENGELD


      Der von €uro am Sonntag in Ausgabe 28/20 zum besten Robo-Advisor gekürte digitale Vermögensverwalter gehört zur Gruppe der passiven oder prognosefreien Anbieter. Robo-Advisor verwalten die Anlagen der Kunden auf der Basis hinterlegter Anlageregeln. Hierbei muss zwischen aktiven und passiven Konzepten unterschieden werden. Aktive Ansätze steuern die Allokation anhand eigener Marktprognosen. Passive Konzepte wie bei quirion hingegen steuern die Allokation anhand eines Rebalancing-Ansatzes. Sie stellen also regelmäßig die ursprünglich gewählte Gewichtung des Portfolios wieder her. So ist gewährleistet, dass das Depot immer zum vom Kunden gewählten Chance-Risiko-Profil passt. Laut einer Studie des Instituts für Vermögensaufbau sind Rebalancing- Ansätze langfristig den aktiven Strategien überlegen.
      Die Zusammenstellung der quirion-Portfolios leitet sich direkt aus den Erkenntnissen der Kapitalmarktforschung ab. Das Ergebnis sind größtmöglich diversifizierte Portfolios aus Aktien- und Anleihen-ETFs, gewichtet nach Marktkapitalisierung der Unternehmen. So wird das Risiko der Anlage reduziert, weil selbst große Unternehmen nur einen minimalen Anteil am Gesamtportfolio haben.
      Aktuell besteht das Globale Portfolio aus neun Aktien-ETFs und sechs Anleihen-ETFs. So gelingt es, rund 8000 Einzelunternehmen aus über 70 Ländern im Depot abzubilden. quirion nutzt ein selbst aus den Erkenntnissen der Nobelpreisträger Fama und French weiterentwickeltes 5-Faktoren-Modell.
      Neben dem Globalen Portfolio bietet quirion auf Wunsch auch eine nachhaltige Anlagestrategie an. Auch hier bleibt das Ziel, den Markt möglichst breit abzubilden und so das Rendite-Risiko-Verhältnis zu optimieren. Bei der Zusammenstellung der ETF-Depots berücksichtigen die quirion-Experten zusätzlich den CO2-Ausstoß und die ESG-Werte (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) der enthaltenen Unternehmen. Generell ausgeschlossen sind Investitionen in Hersteller von Streumunition, Landminen und Atomwaffen.
      Bei der Produktauswahl der ETFs achtet das Anlagemanagement bei allen Strategien insbesondere auf die Solidität des ETF-Anbieters, das Angebot geeigneter Indizes und natürlich die Produktkosten.


      Wiedenmann (Amundi): Diesen Trend sehen wir auch bei institutionellen Anlegern. Ihr Interesse an nachhaltigen Indexlösungen ist bereits fortgeschritten. Privatan­leger werden aber über kurz oder lang aufholen. Ihr Interesse an Nachhaltigkeit ist bereits jetzt gewaltig gewachsen und sie wissen die Kostenvorteile von ETFs zu schätzen.
      Daut (quirion): Genau, und es sind eher selten völlige Neulinge, die nachhaltige ETF-Produkte wählen. Bei uns sind es vornehmlich die Mittvierziger. Unsere Plattform verjüngt sich zwar laufend, noch aber stellen die erfahreneren Anleger das Gros dar. Sie haben um die Jahrtausendwende das Brokerage für sich entdeckt und sind mit der New Economy baden gegangen. Downside-müde gehen sie heute in ETFs und in Sparpläne für die nachhaltige Vermögensanlage. Kurzum: Die Nachhaltigkeit profitiert davon, dass sich Kunden über die Jahre entwickelt haben.
      Hach (comdirect): Das enorm gestiegene Interesse sehen wir bei comdirect heute deutlich. 2017/2018 war Nachhaltigkeit noch eine zarte Pflanze. Damals war unser Versuch, das Thema marktgängig zu machen, alles andere als ein durchschlagender Erfolg. Dabei hatten wir schon seinerzeit versucht, über Themengruppen den Zugang zu nachhaltigen Anlageprodukten zu erleichtern. Das Interesse ist aber erst 2019 ernsthaft angesprungen und hat sich dann durch Corona massiv gesteigert. Die themenbezogenen Such­anfragen auf der Website sind um 50 bis 60 Prozent gegenüber den Vorjahren ­gestiegen.

      comdirect

      GEFRAGTE SUCHBEGRIFFE AUF WWW.COMDIRECT.DE: "NACHHALTIGKEIT" UND "ETF"


      ETFs bauen ihren Siegeszug weiter aus: Auch 2021 könnte ein ETF-Jahr werden Die Bedeutung von ETFs hat 2020 noch einmal deutlich zugenommen. Das Interesse an solchen börsengehan- delten Investmentvehikeln wächst aber nicht nur bei den institutionellen Investoren, sondern zunehmend auch bei privaten Anlegern. Das zeigt sich deutlich in der diesjährigen Auswertung der comdirect Kundentrades.
      Durch ein weiter wachsendes Angebot in immer mehr Bereichen und Sektoren mit innovativen Anlagemodellen stehen ETFs in zunehmender Konkurrenz zu etablierten Anlageformen wie Einzelaktien, Anleihen oder aktiv gemanagten Fonds. Ihren Marktanteil deutlich ausgebaut haben ETFs zuletzt insbesondere in den Bereichen ESG, Gaming, dem E-Mobility-Sektor und den asiatischen Kapitalmärkten. Durch ETFs hat der Anleger eine breite Palette an Anlagemöglichkeiten und kann das Anlagerisiko bei gleichzeitig geringen Kosten verteilen. Allerdings setzt die Investition in ETFs beim Anleger auch voraus, dass er sich selbstbestimmt mit der Thematik auseinandersetzt und sich seiner Anlageziele und -strategie bewusst ist. Hier ist ein gewisses Umdenken auf Seiten des Anlegers, der dies zuvor seinem Bankberater überlassen hat, erforderlich. Ebenso notwendig ist ein gutes Edukationsangebot auf Seiten der Anbieter.
      Aufgrund hoher regulatorischer Anforderungen, der Komplexität und auch der Schwierigkeit, die Anlage- und Risikostrategie gegenüber Anlegern verständlich zu erklären, hat sich bis heute nur eine geringe Anzahl an Anbietern im Bereich der ETFs etabliert. Dies hat zu einer starken Clusterung der Vermögenswerte geführt. Durch das steigende Interesse der Privatanleger an ETFs bieten sich hier aber etablierten Banken und Finanzdienstleistern zahlreiche Chancen. Für sie ist es daher in den kommenden Jahren unabdingbar, sich mittels Marktbeobachtung auf dem neusten Stand der Anlagetrends zu halten.
      Das Anlageverhalten verändert sich bei den privaten (und institutionellen) Investoren heute teilweise rasant und führt dadurch auf Seiten der Anbieter zu Anpassungen der Technologie. Die Anwendungszyklen bestehender Technologien in der Trade-Abwicklung werden kürzer und die Standardisierung der Vermögensverwaltung in Form von ETFs ist kaum noch zu stoppen.


      Wiedenmann (Amundi): Auch die Performance hat viele überzeugt. Viele nachhaltige Strategien haben gerade während der letzten Jahre besser performt als Standard-Indizes. Das gilt sowohl für den Bullenmarkt wie in der Krise: So hat etwa der MSCI SRI Europe seit Jahresbeginn bis Ende November um sieben Prozentpunkte besser abgeschnitten als der Standard MSCI Europe. Und je strikter die Auswahlkriterien waren, desto mehr haben die Produkte geliefert. Das einzige Segment, für das das nicht galt, waren die Standard-Emerging-Markets-Indizes. Das lag aber einzig und allein an deren begrenzter China-Gewichtung. Je höher der Anteil war, desto besser haben die Produkte performt. Folglich hat der MSCI Emerging Markets Leaders, in dem China deutlich stärker gewichtet ist, besser abgeschnitten als die striktere SRI-Variante.

      Das heißt, dass Nachhaltigkeit jetzt fest in der Investmentwelt verankert ist?
      Rodewald (UBS): In jedem Fall. Vor wenigen Jahren wurde man immer noch gefragt, ist das jetzt ein Nischen- oder ein Mode­thema? Heute wird kein Mandat mehr vergeben, ohne dass Nachhaltigkeit zumindest diskutiert wurde. Die einzige Frage, die immer wieder kommt, ist, was ist eigentlich Nachhaltigkeit. Es gibt dafür so wenig eine einheitliche Definition wie für die ESG- oder SRI-Kriterien. Die Herausforderung wird sein, verständlich und transparent herunterzubrechen, was beispielsweise Environmental, Social and Governance - übersetzt Umwelt, ­Soziales und gute ­Unternehmensführung - im Anlageprozess genau bedeuten.
      Daut (quirion): ESG ist kein Modethema, sondern ein Leitthema für die Zukunft. Wie sich das optimal abbilden lässt, daran ­arbeitet wohl jeder in dieser Runde. Spezialthemen oder Fokussierungen auf einzelne Bereiche wie Batterie-Technik oder Wasserstoff sind für einen digitalen Vermögensverwalter eher kontraproduktiv. Sie erhöhen das Risiko, gerade weil sie modern und en vogue sind. Für unsere Kunden sind breitgestreute Ansätze deutlich interessanter und sinnvoller.
      Hach (comdirect): Wir sehen für beide Zugänge zu nachhaltigem Investieren einen Bedarf. Mehr Traffic bei der Informationsbeschaffung führt zwar vorerst nicht automatisch zu deutlich mehr Abschlüssen. Der Bedarf an verantwortungsbewussten Anlagevarianten ist aber unbestreitbar da und wird sich in Zukunft 100-prozentig noch verstärken. Wichtig ist, dass der Anleger Nachhaltigkeit zu fassen bekommt. Hier hilft, dass sie viele Berührungspunkte mit spannenden und gefragten Themen wie Digitalisierung, E-Mobilität, Energieversorgung und coronainduzierte Bereiche wie E-Learning und Medizintechnik hat.

      Einzelthemen, ESG light oder ESG pur - jede Ausformung ist gefragt. Wie gehen Sie von Anbieterseite damit um?
      Wiedenmann (Amundi): Wir haben sehr unterschiedliche Kunden: Privatkunden, Vermögensverwalter, Dachfonds. Daher bietet Amundi eine maximal große Auswahlmöglichkeit. Dazu dient eine breite Palette von ETFs mit ESG-Fokus in verschiedenen Abstufungen. Die erste Stufe trägt "Universal" im Namen und ist sehr nah an traditionellen Benchmarks ausgerichtet. Danach kommen Produkte mit dem Zusatz "Leaders", die bereits 50 Prozent der Titel ausschließen. Die strengste Kategorie mit 75 Prozent ausgeschlossenen Titeln kennzeichnet der Begriff "SRI" (Social Responsible Investments). Alle drei Bereiche werden nachgefragt. Wir können also auf keinen verzichten. So hat etwa der finnische Pensionsfonds Ilmarinen gezielt 500 Millionen Euro in den Amundi-ETF Emerging Market Leaders (WKN A2PZDB) investiert.
      Rodewald (UBS): Schon die drei Buchstaben von ESG sind nicht für jeden gleichwertig. Den unterschiedlichen Zielsetzungen müssen wir produktseitig entgegenkommen, was sich in dem breiten ETF-Angebot bereits sehr deutlich widerspiegelt. Im institutionellen Bereich ist es wichtig, einen sehr geringen Tracking Error auszuweisen, also selbst unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien nicht zu stark von dem zugrunde liegenden Index abzuweichen. Zu große sogenannte aktive Wetten sollen vermieden werden. In der Vermögensverwaltung geht der Trend hin zu strengeren Ansätzen. Politisch getrieben geht es vorrangig um Umwelt, Klimawandel und CO2-Ausstoß. Im kommenden Jahr wird der CO2-Fußabdruck für die Vermögensverwalter und Privatbanken ein beherrschendes Thema im Bereich Nachhaltigkeit sein. Dort geht der Trend weg von schwachen Indexmethodologien.
      Meyer zu Drewer (Lyxor ETF): Einsteiger, die von der guten Performance der nachhaltigen ETFs nach dem Corona-Crash angezogen wurden, wollen ebenfalls Auswahlmöglichkeiten. ESG ist ja kein regionales Thema. Anleger werden erwarten, dass ESG-ETFs auch für Regionen und Themen zur Verfügung stehen, die bisher noch nicht abgedeckt werden. Natürlich arbeiten wir als ETF-Anbieter daran und haben unser Angebot in diesem Jahr deutlich ausgeweitet. Vergleichbares kann man beim Klimawandel sagen, der durch die vielen trockenen Sommer ins Bewusstsein rückt. Solche Themenstellungen fangen sehr breit an und die Kunden entscheiden darüber, welchen Ansatz und wie viel Stringenz sie tatsächlich haben wollen. Kurzum: Die Nachfrage der Kunden entscheidet darüber, welche Produkte sich durchsetzen.
      Wiedenmann (Amundi): Es gibt aber einen Impuls, das Motto "je strikter, desto besser" zu bedienen. Auch in diesem Jahr ging die Hälfte der nachhaltigen Flows in Europa in SRI-Produkte, die einen hohen Grad an ESG-Integration haben. Eine ähnlich hohe SRI-Quote gibt es auch im Bestand nachhaltiger Produkte.

      Verstehen alle Anleger, was sich hinter Begriffen wie ESG, SRI, SDG verbirgt?
      Hach (comdirect): Nein, das zeigen die vielen Nachfragen, was denn direkt darunter zu verstehen ist. Hier müssen nicht nur wir Intermediäre, sondern auch die ETF-Anbieter und die Medien noch viel Aufklärungsarbeit leisten.
      Rodewald (UBS): Bereits ESG ist ja kein klar definiertes Thema. Das zeigt sich sogar auf der Ebene der ESG-Rating-Agenturen, die aufgrund ihrer jeweiligen ­Modelle durchaus zu unterschiedlichen Urteilen kommen können. Die Taxonomie, also ein Katalog der relevanten Ausprägungen, wird hier etwas ändern. Für den Bereich Umwelt (E) hat ihn die ESMA ja bereits erstellt. Spätestens bei der Frage, was unter S und G genau zu verstehen ist, dürfte es größere Unschärfen geben. Denn hierbei geht es nicht einfach um die Manager, sondern ebenso stark um das Geltendmachen von Interessen und die Ausübung der Stimmrechte auf den Hauptversammlungen.
      Meyer zu Drewer (Lyxor ETF): Diese übt Lyxor sehr dezidiert aus und hat sogar ein spezielles Impact-Investing-Team. Nicht nur bei uns hat sich das Selbstverständnis der ETF-Anbieter stark gewandelt. In den Anfangsjahren - in Europa ist die Branche ja erst 20 Jahre alt - hätte man vielleicht gesagt, man sei nur deswegen in Aktien investiert, weil man den Index abbilden muss. Heute ist das passive Investment wesentlich näher dran. Wir üben Stimmrechte aus und unterstützen Unternehmen in ihrem Bemühen, nachhaltiger zu werden. Das hat natürlich auch Einfluss auf die Branche und auf Indizes, die nicht nach ESG-Kriterien zusammengestellt sind.

      Demnach beschränken sich nachhaltige ETFs nicht auf den Best-in-Class-Ansatz?
      Wiedenmann (Amundi): Nein, das war vielleicht anfangs so. Zwar setzt man mit ESG-Investments tendenziell immer noch eher auf die Unternehmen, die innerhalb ihrer Branche zu den Besten in puncto ESG gehören. Wir engagieren uns aber auch im Dialog mit Unternehmen und über Stimmrechte sehr effektiv. Und wir stimmen, falls wir kein Gehör finden, letztlich auch mit den Füßen ab. Amundi verfolgt außerdem ein klares Ziel: Jeder unserer aktiven offenen Fonds soll in Hinblick auf Nachhaltigkeit besser dastehen als die jeweilige Benchmark. Dafür nehmen wir auch eine Differenz zum Ausgangs-Index in Kauf, beispielsweise in der Amundi-Prime-ETF-Familie. Diese hat nicht nur den Anspruch, mit 0,05 Prozent laufenden Kosten eine Marke zu setzen, sie schließt auch Anbieter für geächtete Waffen wie zum Beispiel Streumunition aus. Während früher solche Ausschlüsse bei Kunden schwer zu rechtfertigen gewesen sind, werden sie heute sogar erwartet. Den damit verbundenen höheren Tracking Error nehmen wir ebenso in Kauf wie eine mögliche Performanceabweichung. Aber wir erwarten, dass dies Auswirkungen auf die Waffenbranche hat.
      Meyer zu Drewer (Lyxor ETF): Das verantwortliche Handeln auf Anbieterseite wird generell Folgen haben. Das geht aber nicht von heute auf morgen - die steigenden Zuflüsse in diesem Bereich erhöhen aber schnell die Schlagkraft. Dass die Kompromissbereitschaft der ETF-Aktionäre sinkt, zwingt Unternehmen zu Konsequenzen. Man sollte jedoch nicht alle Unternehmen ausschließen, die noch nicht weit genug sind. Täte man das, bräche morgen die ­Infrastruktur zusammen. Um ein Beispiel zu nennen, muss Elektromobilität noch aus dem klassischen Geschäft subventioniert werden. Es gibt auch kulturelle Unterschiede: Atomkraft wird je nach Land unterschiedlich beurteilt, denn es verursacht keine CO2-Emissionen wie bei der Strom­erzeugung aus Kohle. Die Diskussion, wie man die Transformation am besten hinbekommt, wird manchmal zu kurz geführt.
      Daut (quirion): Ohne Zugeständnisse können auch digitale Vermögensverwalter nicht operieren. Wir müssen das Risiko-­Rendite-Verhältnis beachten. Deshalb kommen wir gar nicht darum herum, den Weltmarkt breit abzubilden. Und solange der Weltmarkt nicht ESG-konform ist, werden wir immer wieder Kompromisse machen müssen. Es wird vielleicht noch zehn bis 20 Jahren dauern, den Weltmarkt dahingehend zu ändern, der Prozess ist aber nicht mehr aufzuhalten. Bis es so weit ist, verlangt Risikominimierung die Streuung auf möglichst viele Unternehmen, nicht nur auf die bessere Hälfte.
      Rodewald (USB): In der Übergangszeit kommt dazu noch ein anderes gewichtiges Argument: Je weniger man in Unternehmen investiert ist, die erst nachhaltig werden müssen, umso weniger Stimmrechte hat man. Mit anderen Worten: Wenn man die Perspektive ändert, ist aus Nachhaltigkeitssicht ein Desinvestment nicht immer die beste Wahl. Es beraubt einen der Einflussmöglichkeiten. Allerdings muss man seine aktiven und passiven Investments bündeln und möglicherweise gemeinsam mit anderen Assetmanagern auf solche Companies in Transition einwirken. Das passiert natürlich in einem ­großen Haus mit aktivem und passivem Management sehr effizient. Stewardship Engagement bringt dann mehr, als Sektoren einfach auszuschließen.
      Hach (comdirect): Der Impact wirkt und wird von den Anlegern gewollt. Auch in einem breiten Index wie dem MSCI World werden sich Impulse in Richtung auf mehr Nachhaltigkeit auswirken, einfach weil die Stimmrechte ausgeübt werden. Grundsätzlich hat sich das gesellschaftliche Verständnis für gute Unternehmensführung geändert, auch wenn die Masse das noch nicht selbstverständlich unter dem Begriff "Governance" subsumiert.

      Sind die Sustainable Development Goals der UN auch eine ETF-Investment-Idee?
      Rodewald (UBS): Ja und nein. Die Sustainable Development Goals (SDG) sind in einem ETF-Produkt direkt nur sehr schwer zu adressieren. Dazu sind 17 sehr unterschiedliche Ziele zu breit gefächert. Das wird dann zwangsläufig sehr selektiv, denn man muss sich auf eines oder zwei konzentrieren und so fokussiert auch noch genügend Kunden für diese Zuspitzung finden. Wir adressieren die SDGs mit einem Produkt indirekt, nämlich über Anleihen von Entwicklungsbanken (WKN A2JQW6). Diese wiederum streuen die von ihnen finanzierten Projekte auf ganz unterschiedliche SDGs. Somit entstehen beispielsweise Schulen, Straßen, Krankenhäuser und durch die verbesserte Infra­struktur verändert man auch die Lebensbedingungen (siehe Kasten UBS).
      Meyer zu Drewer (Lyxor ETF): SDGs haben eine große Interdependenz untereinander, wenn man eines der Ziele ansteuert, adressiert man oft auch andere mit. Wer Schulen baut (Ziel 4), verringert die Armut (Ziel 1), sorgt für bessere Arbeit (Ziel 8) und weniger Ungleichheit (Ziel 10). Obendrein steigt mit besserer Bildung auch noch die Chance, dass vor Ort nachhaltiger produziert und konsumiert wird (Ziel 12). Diese Verbindungen zu sehen ist aber mitunter gar nicht so einfach. Ein klar definierter Wasser-ETF (Ziel 6) wie der Lyxor World Water, der auf die 20 einschlägigen Unternehmen des WOWAX-Index setzt, versteht dagegen jeder auf Anhieb (WKN LYX0CA).

      Folglich passen Megatrends und Nachhaltigkeit im ETF-Portfolio zusammen?
      Meyer zu Drewer (Lyxor ETF): Ja, denn viele Anleger verfolgen auch beim verantwortungsvollen Investieren eine Core-Satellite-Strategie. Um im Bild zu bleiben: Um ein breit gestreutes Basis-Investment kreisen Themen, auf die Anleger besonderen Wert legen oder von denen sie sich eine besonders gute Wert­entwicklung erwarten. Als Produktanbieter liefern wir beide Bausteine. Dazu zählen Klassiker wie sauberes Wasser oder grüne Energie, aber auch Megatrends, die nicht zuletzt durch die Corona-Hilfen seitens der ­Notenbanken und Regierungen auf Jahre Rückenwind haben dürften. Das umfasst Digitalisierung, autonomes Fahren, Infrastruktur, intelligente Städte, um nur einige zu nennen. All das geht mit dem zweiten Megatrend Nachhaltigkeit natürlich Hand in Hand. Man kann die beiden nicht getrennt voneinander betrachten. Wir haben daher beide in unseren Produkten verbunden. Im Grunde geht es darum, das nachhaltigere digitale Unternehmen von morgen zu finden. Oder das nachhaltige ­Unternehmen, das weltweit für die smarte Urbanisierung steht. Im Jahr 2030 werden 70 Prozent der Weltbevölkerung in großen Städten leben.
      Wiedenmann (Amundi): Ob breit gestreut oder fokussiert, beide Bereiche werden wachsen. Während einige Anleger zum Beispiel allgemein den Klimawandel berücksichtigen möchten, wollen andere konkret in Übereinstimmung mit den Pariser Klimazielen investieren. Für beide Bedürfnisse haben wir ETFs. Interessant ist, dass auch einige Colleges der Universitäten von Cambridge und Oxford ihre ­Stiftungsgelder kohlenstoffarm und ohne fossile Energien angelegt sehen wollen. ETF-Anbieter helfen dabei - und der große Shift von traditionell zu nachhaltig angelegtem Kapital bietet ETFs große Wachstumschancen.
      Rodewald (UBS): Man darf nicht den Fehler machen, Privatkunden und institutionelle Anleger separat zu betrachten. Die Zuflüsse in die Nachhaltigkeit kommen von überall, nur dass sie über Robo-Advisor-Plattformen, Vertriebspools oder Fonds-Policen gebündelt werden. Entsprechend gibt es auch Bedarf für die von uns seit 2011 aufgebaute Expertise. Unser Anteil an nachhaltig verwalteten Kundengeldern wird nicht bei aktuell 30 Prozent stehen bleiben.
      Hach (comdirect): Die Zukunftsaussichten schätzen auch wir als enorm ein. Seit 2000 haben wir kein solches Wachstum an Depotkunden und Trades gesehen. Seit sich das Thema Nachhaltigkeit eta­bliert hat, sehen wir eine deutliche Präferenz für ETF-Lösungen. Die ETFs sind nicht mehr aufzuhalten. Doch das Thema hat eine Komplexität, die Otto Normal­anleger nicht auf Anhieb verstehen kann. Wir haben enorm viele Anfragen, wie etwa: Was genau ist ein ETF? Wie finde ich den für mich passenden? Und warum soll ich den einen ETF oder den anderen nehmen? Man darf nicht den Fehler der Zertifikatebranche machen und eine fünfstellige Anzahl von ETFs auf den Markt werfen. In einem solchen Dschungel findet sich kein Kunde mehr zurecht.
      Daut (quirion): Das ist ein wichtiger Risiko-Hinweis von Retail an die Produkt­geber. Wenn wir neue Anleger für den Kapitalmarkt gewinnen möchten, müssen wir einfach und verständlich bleiben. Der Wahnsinn aus der Zertifikatewelt darf sich im ETF-Bereich nicht wiederholen. Geldanlage sollte einfacher und klarer werden, denn der Großteil der Kunden sind ­normale Menschen mit normalem Welt­verständnis. Gerade neue, unerfahrenere Anleger werden verstärkt auf Nachhaltigkeit bei der Geldanlage achten. Und dafür brauchen wir normale, einfache Produkte, keine Modethemen. Die sind nicht massentauglich und auch zu riskant. Als Beimischung für sehr aktive Anleger okay, aber nicht für den Vermögensaufbau.

      Mit welchen Fragen zur Nachhaltigkeit sind Sie am häufigsten konfrontiert?
      Hach (comdirect): Ehrlich gesagt, überwiegend mit Basics. Die meisten Kunden kommen über eine persönliche Motivation. Sie kommen mit einfachen Fragen, nicht mit komplexen Vorstellungen. Das zeigt sich in der Betreuung sehr deutlich. Die Vielfalt der unterschiedlichen Szenarien erleben sie nicht selten als Überforderung. Wir versuchen deshalb den Kunden verschiedene mögliche Investmentprodukte über die Zuordnung zu Anlagethemen zugänglich zu machen. Wir müssen das so transparent darstellen, dass der Kunde sich auch leicht entscheiden kann. Alternativ müsste man eine Logik drüber entwickeln: "Sag, was du willst und was dir wichtig ist - wir suchen die fünf am besten passenden Produkte heraus." Das wäre dann eine Mischung aus Robo-Advisor, Motiv-Scout und ESG-Dolmetscher.

      Wie stellt quirion die nachhaltigen Portfolios risikogewichtet zusammen?
      Daut (quirion): Wir setzen aktuell auf neun Aktien-ETFs und sechs Anleihen-ETFs. Die optimalen Produkte werden in einem mehrstufigen Auswahlverfahren bestimmt. Dabei berücksichtigen wir Nachhaltigkeitsdaten, Anbieter und Kosten. Was regelbasiert am besten abschneidet, das nutzen wir strikt und leiden­schaftslos. Änderungen sind an deutliche Verbesserungen der Qualitätsmerkmale gekoppelt.

      Welche Rolle spielen Green Bonds im boomenden ETF-Markt?
      Meyer zu Drewer (Lyxor ETF): Green Bonds kommen hierzulande allmählich ins Bewusstsein des normalen Anlegers. Das rührt daher, dass auch die Bundesrepublik entsprechende Produkte aufgelegt hat. Allerdings ist bei Green Bonds im Vorfeld eine Klärung nötig: Wem und wozu dienen solche Finanzierungen? Das führt zwangsläufig zu der Frage zurück: Wollen wir nur fördern, was bereits weit gediehen ist, oder auch etwas, das erst im Entstehen ist? Der Transformationsprozess spielt eine große Rolle. Also was genau wird finanziert und wie setzt sich das in Nachhaltigkeit um? Dazu braucht es breite Berichterstattung.
      Hach (comdirect): Bei comdirect ist das Interesse bisher noch sehr überschaubar. Das ist ein Thema, das erst bei den Institutionellen angekommen ist und in der Politik relativ stark gespielt wird. Im Private Banking oder im breiten Endkunden-Geschäft ist es noch nicht angekommen. Wer nicht bereits bisher klassischer Anleihen­investor war, wird schwerlich in Green Bonds switchen. Da braucht’s noch mehr als nur das alleinige Angebot als ETF, nämlich deutlich mehr Bewusstsein und Aufklärung über das Produkt.
      Rodewald (UBS): Green Bonds sind auf längere Sicht eine Chance, da mit Staatsanleihen nachhaltiges Investieren nicht problemlos umzusetzen ist. Man denke nur an Menschenrechts- und Demokratiefragen, Atomkraft und Todesstrafe: Es gibt sehr viele Handicaps und Hürden.

      Gibt es grundlegende Hindernisse, Green-Bond-ETFs zu bringen?
      Wiedenmann (Amundi): Wir schauen uns auch Green Bonds und entsprechende Indizes im Detail an. Die Liquidität ist hier der springende Punkt, weshalb wir noch keine entsprechenden ETF lanciert haben.
      Rodewald (UBS): Für Portfolio-Lösungen muss man auch die Anleihe-Seite mit nachhaltigen ETFs abdecken. Das kann man auch mit entsprechenden Unternehmensanleihen. Wir sind hier seit 2014 präsent, erst mit US-Firmen (WKN: A2PZBC), später auch solchen aus der Eurozone (WKN: A1JA1T). In beiden Strategien sind mittlerweile je über eine Milliarde US-Dollar bzw. Euro investiert. Auf der Staats­anleihenseite hat es etwas länger gedauert. In den Eurozonen-Staatsanleihe-ETF flossen mittlerweile einige 100 Millionen Euro. Aber hier muss ich meinem Vorredner recht geben. ETFs müssen Bereiche abdecken, die liquide genug sind.
      Meyer zu Drewer (Lyxor ETF): Wie wichtig das ist, zeigte sich Ende März/Anfang April. Hier kann man guten Gewissens noch mal eine Lanze für ETFs brechen. Im Peak der Krise haben ETFs genau das ­gemacht, was sie versprochen haben. Die Produkte der großen Anbieter hatten auch in diesen Stressmomenten keine Pro­bleme mit der Liquidität und den Spreads.

      Was wird den ETF-Markt in den kommenden Monaten bestimmen?
      Daut (quirion): Die spannende Diskussion bisher zeigt die Komplexität. Dass es nicht nur um Kapitalmarkt, Finanzmarkt und jetzt Produkte geht. Unsere Aufgabe als digitaler Vermögensverwalter ist schlichtweg, diese Komplexität zu reduzieren und dem Kunden die richtigen Risiko-Rendite-­Strategien anzubieten. Wir versuchen, dieses wichtige Themenfeld auf den Punkt zu bringen und dem Kunden etwas Verständliches und leicht Investierbares anzubieten. Die Vorarbeit dazu leisten die ETF-Anbieter. Ich kann nur sagen: Go ahead.
      Rodewald (UBS): Die Zahlen sprechen für sich: Geht man nur fünf Jahre zurück, waren über die gesamte europäische ETF-Industrie in Nachhaltigkeit maximal eine Milliarde US-Dollar investiert. Mittlerweile sind wir bei fast 65 Milliarden. Das Wachstum ist enorm, der Trend ist unaufhaltsam. Der Hinweis der Diskutanten mit direkten Kontakten zu den Endkunden ist angekommen: Wir werden weiter für klare und nachvollziehbare Strukturen sorgen. Dieser Verantwortung stellen wir uns als UBS. Für uns ist Nachhaltigkeit der neue Standard, der nachhaltig bestehen bleibt.
      Hach (comdirect): Beifall. Ich würde aber gern noch auf die Chancen verweisen. Wir adressieren gemeinsam ein deutschlandweites soziales Thema, vielleicht sogar ein weltweites. Wir haben eine historische Chance, dass man soziales Engagement wie selbstverständlich mit den eigenen Finanzen verbindet. Dazu gab es in den zurückliegenden 20, 30 Jahren nicht so viele Möglichkeiten. Somit dreht sich etwas um: Soziales Engagement hat eine Relevanz für den privaten Bereich. Man kann zugleich etwas Gutes für sich und für die Umwelt tun. Deshalb sollte man den Blick nicht auf den kurzfristig gewonnenen Euro, sondern auf die Gewinne richten, die beide Seiten in den folgenden Jahrzehnten haben werden.
      Meyer zu Drewer (Lyxor ETF): Die gesamtgesellschaftliche Verantwortung ist da. Das alles Entscheidende ist, die Komplexität von etwas herunterzubrechen, das uns die nächsten Jahrzehnte beschäftigen wird. Wir tun produktseitig und kostenseitig unser Bestes, um dazu beizutragen. Mit den Zuflüssen, Aufklärungsarbeit und weiteren Regulatorien wird die Transparenz steigen, was wirklich nachhaltige Investments ausmacht und auszeichnet.
      Wiedenmann (Amundi): ETF-Anbieter haben die Chance, ihrer Kommunikation gerade beim Thema Nachhaltigkeit einfacher zu machen. Als Anbieter für die verschiedensten Zielgruppen haben wir die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse zu berücksichtigen. Im Kontakt zu Privatanlegern heißt das, verständliche und relevante Daten bereitzustellen, damit einerseits rationale Entscheidungen und andererseits Werte der Anleger erfasst werden. Wir leisten die Vorarbeit, arbeiten mit allen ESG-Rating-Agenturen zusammen und bereiten umfangreiche Daten hierfür auf. Die Herausforderung liegt dann darin, die Informationen so zu verschlanken, dass sich Privatanleger auf das Wesentliche konzentrieren können. Das macht denkbar, dass künftig vor jedem Abschluss ein Warnhinweis aufpoppt. Etwa: "Dieses Portfolio könnte Werte enthalten, die mit Kinderarbeit Geld verdienen." Diese und andere eingängige Warnungen lenken die Aufmerksamkeit aufs Wesentliche. Das Gespräch moderierte Ludwig Riepl