Um das Thema Pflege kommt derzeit wohl niemand mehr herum. Spätestens seit Corona unser Leben beherrscht, wissen wir alle, wie viel hier im Argen liegt. Das fängt mit dem Mangel an Fachkräften an, reicht über schlechte Bezahlung und Überforderung der Pflegenden bis hin zu steigenden Kosten für alle Bereiche des Gesundheitswesens. Und weil dazu auch die Beiträge für die gesetz-liche und private Pflegeversicherung gehören, wird es immer wichtiger, die eigene Situation zu durchleuchten.

Dabei gibt es ein Paradoxon: Trotz der offensichtlichen Bedeutung für jedermann existiert wohl kaum ein Versicherungsthema, bei dem so viel Unsicherheit und Unwissenheit herrscht. Von sich aus, das wissen erfahrene Versicherungsvertreter, spricht kaum ein Kunde die Absicherung des Pflegerisikos an.

Immer mehr Pflegefälle.


Dabei liegen die Fakten auf der Hand. Die Deutschen werden immer älter, und je älter man wird, desto höher wird das Pflegerisiko. Das gilt sowohl für die ganze Gesellschaft als auch für jeden Einzelnen. Ende 2019 waren laut Statistischem Bundesamt in Deutschland 76 Prozent der über 90-Jährigen auf Unterstützung angewiesen. Insgesamt gab es 4,13 Millionen Menschen, die im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes als pflegebedürftig galten, also mindestens Pflegegrad 1 hatten. Und angesichts der demografischen Entwicklung ist davon auszugehen, dass die Zahlen in den kommenden Jahren rasant steigen werden.

Gleichzeitig lässt sich leicht ausrechnen, dass die durchschnittliche Rente - Mitte 2020 betrug sie für Männer 1208 Euro und für Frauen 997 Euro monatlich - und die Zuschüsse aus der 1995 eingeführten gesetzlichen Pflegeversicherung nicht ausreichen, um im Fall des Falles auf der sicheren Seite zu sein.

Auch wenn die Zuschüsse bis zu 2005 Euro monatlich betragen können - eine Summe, die auf den ersten Blick recht hoch klingt. Diesen Betrag gibt es jedoch nur für den höchsten Pflegegrad 5. Um ihn zu erreichen, müssen die Einschränkungen schon sehr fortgeschritten sein. Die wenigsten Pflegebedürftigen werden so hoch eingestuft. Die meisten erreichen Pflegegrad 2 oder 3. Zudem wird diese Summe lediglich bei vollstationärer Pflege gezahlt, was auch nur ein Fünftel aller Pflegebedürftigen betrifft.

Wenn Angehörige die Sorge übernehmen, was in deutlich mehr als der Hälfte der Fälle so ist, reduzieren sich die Summen drastisch. Bei Pflegegrad 3 gibt es dann gerade mal 545 Euro monatlich. Und auch bei der sogenannten Kombinationspflege, bei der ambulante Pflegedienste die Angehörigen unterstützen, sind die Zahlungen deutlich geringer. In fast allen Fällen, darin sind sich Versicherer und Experten einig, übersteigen die tatsächlichen Kosten die Leistungen der Pflegekassen drastisch.

Breites Angebot an Policen.


Um die Lücke zu schließen, haben die Assekuranzen in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von privaten Zusatzversicherungen auf den Markt gebracht, die sich grob in drei Kategorien einteilen -lassen: Pflegerenten-, Pflegekosten- und Pflegetagegeldversicherungen.

Die erstgenannte Versicherung funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie klassische Rentenversicherungen und ist entsprechend teuer. Die Pflegekostenversicherung übernimmt - der Name legt es nahe - nur die tatsächlich entstehenden, nicht von der gesetzlichen Versicherung übernommenen Kosten, allerdings nicht Unterbringung und Verpflegung. Deutlich flexibler sind dagegen die Tagegeldversicherungen, mit denen sich das Analysehaus Morgen & Morgen im Auftrag von €uro beschäftigt hat. Diese Policen leisten regelmäßig eine bestimmte Summe - unabhängig davon, wie und wo die Pflege stattfindet. Voraussetzung ist nur, dass die Pflegebedürftigkeit durch die Pflegekasse anerkannt ist.

Zudem sind die Leistungen von Pflegetagegeldversicherungen nicht zweckgebunden, der Versicherte kann die Art der pflegerischen Versorgung - zumindest in der Regel - selbst wählen. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber spezielle Formen der Tagegeldversicherungen mit monatlicher Auszahlung, die sogenannten Pflege-Bahr-Policen, bezuschusst. Der Name kommt vom früheren Gesundheitsminister Daniel Bahr, der das Konstrukt 2013 einführte. Vorteil dieser -Police ist, dass Prämien ab zehn Euro monatlich mit fünf Euro bezuschusst werden - und dass sie ohne Gesundheitsprüfung abgeschlossen werden kann. Ende 2019 nutzten laut Verband der Privaten Krankenversicherung gut 900 000 Menschen dieses Angebot.

Vorteil wird zum Nachteil.


Allerdings gereicht dem Pflege-Bahr der letzte Vorteil gleichzeitig zum Nachteil. Denn da selbst bei Pflegegrad 5 im Leistungsfall nur 600 Euro gezahlt werden, weichen viele, die können, auf attraktivere Angebote aus. Dies führt dazu, dass sich in den Bahr-Tarifen überdurchschnittlich viele Versicherte mit gesundheitlichen Problemen und hohem Pflegerisiko sammeln. "Und das wiederum", erklärt eine Sprecherin der Bunds der Versicherten, werde bewirken, "dass die Tarife über kurz oder lang drastisch steigen."

Außerdem lässt sich die Höhe des Pflegemonatsgelds auch bei den anderen Pflegegraden beim Pflege-Bahr nicht beeinflussen, sie hängt ausschließlich vom Eintrittsalter des Versicherungsnehmers und von den Konditionen des Anbieters ab. Auch der Beitrag ist altersabhängig festgelegt. Wer die Gesundheitsprüfung besteht, dem raten die Verbraucherschützer denn auch eher zum normalen Tarif.

Sozusagen eine Kompromisslösung bieten die sogenannten Kombi-Tarife, bei denen Pflege-Bahr und eine ungeförderte Zusatzversicherung desselben Anbieters zusammengefasst sind. Durch diese Kombination kommen Versicherungsnehmer in den Vorteil des monatlichen Zuschusses und erhalten noch einiges obendrauf. Allerdings eben nur nachdem sie die Gesundheitsprüfung überstanden haben.

Der vorliegende Test konzentriert sich ausschließlich auf Bahr- und Kombi-Tarife, für die jeweils Einstiegsangebote für drei Altersklassen verglichen werden. Das Ergebnis wird dann einmal gesamt (also über alle drei Kategorien) dargestellt. Hier liegt bei den Bahr-Tarifen wie im letzten Jahr die Debeka vorn. Bei den Kombi-Tarifen dagegen hat die Barmenia den Vorjahressieger Allianz überholt. Außerdem gibt es alle Tarife mit vielen Detailinformationen noch einmal gesplittet nach Einstiegsalter.

Beitragshöhe hinterfragen.


Wichtig: Zuletzt wurde immer wieder von drastischen Erhöhungen bei laufenden privaten Pflegezusatzversicherungen berichtet. Hintergrund war zum einen das seit 2017 geltende Pflegestärkungsgesetz II, durch das mehr Menschen anspruchsberechtigt wurden - was auch die Kosten für die privaten Anbieter in die Höhe trieb. Zum anderen wirkte sich die Absenkung des Rechnungszinses aus, der deswegen eine Rolle spielt, weil in den Beiträgen ein hoher Sparanteil enthalten ist, der andererseits die monatliche Belastung in Grenzen hält. Die meisten Experten gehen davon aus, dass das Gros der Versicherer beides inzwischen eingepreist hat. Einige Anbieter wie die BBKK und die UKV haben jedoch noch weitere Erhöhungen angekündigt - und sie werden wohl nicht die einzigen sein. Wer sicher sein will, sollte daher vor Abschluss genau nachfragen.

Nicht zu jung abschließen.


Genaues Hinsehen empfiehlt sich immer, denn besonders bei den Kombi-Tarifen zeigt sich eine große Spannbreite - sowohl des Leistungsangebots als auch bei den Prämienhöhen. Das beste Angebot für einen 25-Jährigen kostet 24,04 Euro (HUK) und das teuerste für einen 55-Jährigen bei der Generali 96,71 Euro monatlich.

Daraus allerdings jetzt zu schließen, dass es immer sinnvoll ist, Pflegezusatzversicherungen möglichst jung abzuschließen, ist falsch. Vor allem dann nicht, wenn das Geld zu Beginn des Berufslebens knapp ist. Denn zunächst gibt es Policen, die wichtiger sind, beispielsweise die Haftpflicht und eine Absicherung gegen Berufsunfähigkeit.

Außerdem zeigen Modellrechnungen, dass, wer jahrelang einzahlt, trotz niedriger Anfangsbeiträge am Ende sogar draufzahlen kann. Zudem gibt es das Risiko, vielleicht irgendwann mal eine längere Zeit nicht zahlen zu können - nicht alle Versicherer bieten hier kulante Regelungen. Kommt es dann zur Kündigung, sind alle Spareinlagen verloren.

Allzu lange zögern sollte man wegen der bereits erwähnten Rückstellungen aber auch nicht. Spätestens mit Mitte/Ende 30 ist es an der Zeit, dafür zu sorgen, dass sich im Alter zu gesundheitlichen nicht auch noch finanzielle Probleme gesellen - und nicht darauf zu warten, dass ein Versicherungsvertreter das Thema anspricht.

Bestimmung des Pflegegrads: Gute Vorbereitung zahlt sich aus


Wichtig zu wissen: Die Bestimmung des Pflegegrads erfolgt derzeit wegen Corona oft telefonisch. Das macht es noch schwieriger.

Wer wie viel Geld aus der gesetzlichen Pflegeversicherung bekommt, bestimmt der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) durch Einstufung in einen Pflegegrad. Da hier jede Höherstufung deutliche finanzielle Auswirkungen hat - und auch die Zahlungen zusätzlicher privater Tagegeldversicherungen bestimmt -, weisen Experten immer wieder darauf hin, dass Betroffene die Begutachtung unbedingt detailliert vorbereiten sollen.

Normalerweise kommt ein Vertreter des MDK zu einem angekündigten Termin zur betroffenen Person nach Hause. Schon dann ist die Situation schwierig. In der Pandemie kommt hinzu, dass oft gar keine persönlichen Begutachtungen mehr durchgeführt werden, sondern nur noch telefonische. Für viele Betroffenen stellt dies eine zusätzliche Belastung dar. Viele hören schwer oder sind auch gar nicht mehr in der Lage, ihre Situation realistisch darzustellen. Bei der Begutachtung sollte daher immer eine Vertrauensperson anwesend sein.

Zudem ist es wichtig, sich bereits im Vorfeld ausführlich Gedanken über die Beweglichkeit des Pflegebedürftigen, seine kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten und mögliche psychische Probleme zu machen. Neben dem Grad der Selbstversorgung und der Gestaltung des Alltagslebens sowie dem Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen fließen all diese Dinge mit unterschiedlicher Gewichtung in die Gesamtbewertung ein.

Umfassende Hilfestellung bei der Vorbereitung gibt der Ratgeber "Das Pflegegutachten", der für 9,90 Euro über verbraucherzentrale.de bestellt werden kann.

Gesamtwertung


Hier sehen Sie die Pflege-Bahr-Tarife


Hier finden Sie die Kombi-Tarife


So lesen Sie die Tabellen


Die Ergebnisse der Untersuchung stammen vom unabhängigen Software- und Analysehaus Morgen & Morgen, die Bewertungen von €uro.

Der Test hat zwei Teile. Erstens werden Pflege-Bahr-Tarife, also staatlich geförderte Pflegezusatzversicherungen, untersucht. Zweitens Kombi-Tarife, das sind Kombinationen dieser Pflege-Bahr-Policen mit ungeförderten Policen. Beide Tarife werden jeweils für verschiedene Anfangsalter der Versicherten betrachtet, nämlich 25, 45 und 55 Jahre. Aufgenommen wurden aber nur Tarife, die im "M & M Rating Pflegetagegeld" von Morgen & Morgen mindestens vier von fünf möglichen Sternen haben. Erläuterung und Dokumentation zum Rating finden Sie unter morgenundmorgen.com. Diesem Kriterium genügten 23 Pflege-Bahr-Tarife und 15 Kombi-Tarife (vollständige Liste siehe Tabellen oben). Für die Aufnahme der Kombi-Tarife wurde zudem vorgeschrieben, dass die Höhe des monatlichen Pflegegelds mindestens die Versorgungslücke - zwischen tatsächlichen Kosten und den Zuschüssen durch die gesetzliche Pflegeversicherung - bei Pflegegrad 5 schließt.

Erläuterungen zu den Spalten der Gesamttabellen:


1. Monatsprämie Sie ist nicht für die gesamte Laufzeit festgelegt, sondern kann steigen oder fallen (ähnlich wie in der privaten Krankenversicherung). Bei den Werten ist der staatliche Zuschuss von fünf Euro abgezogen.

2. Pflegegeld Auszahlungsbeträge für die fünf Pflegegrade. Die private Pflegezusatzversicherung zahlt beim Pflege-Bahr dieselben Summen - egal, ob ambulant oder stationär gepflegt wird. Bei den Kombi-Tarifen gibt es bei manchen Anbietern Unterschiede zwischen den Zahlungen für stationäre und ambulante Pflege.

3. Pflegequote im Vergleich zur Mindestabsicherung Der Gesetzgeber fordert bei Pflege-Bahr einen Mindestschutz. Er beträgt je nach Pflegegrad 60, 120, 180, 240 beziehungsweise 600 Euro. In dieser Spalte wird der Unterschied zur Mindestleistung unter Berücksichtigung der Prämienhöhe dargestellt. Die günstigste Prämie erhält den Faktor 1. Beispiel Debeka, Abschlussalter 25 Jahre: 1 mal 233 % = 233 %. Für Beträge, die vom günstigsten Betrag abweichen, berechnet sich der Faktor, indem der niedrigste Beitrag durch den aktuellen Beitrag des Tarifs geteilt wird. Damit erhält ein Tarif, der doppelt so teuer ist wie der günstigste Tarif, den Faktor 0,5.

4. Punkte normiert Hier werden zusätzlich zur Pflegequote die Tarifleistungen (Tarifindex) einberechnet. Die Punkte errechnen sich, indem die Pflegequote mit dem Tarifindex multipliziert wird. Dieser Index selbst wird allerdings nicht separat in der Tabelle aufgeführt. Er reicht beim Pflege-Bahr von 1 bis 1,3, was nur von den Tarifen von Allianz, Barmenia, Envivas und Generali erreicht wird. Beispielhaft hier wieder für die Debeka berechnet, heißt das: 233 % mal Tarifindex (1,2) = 280 %. Am Ende werden dann alle Werte zur besseren Vergleichbarkeit normiert und in Punkte umgerechnet. Bei der Berechnung des Tarifindex fließen bei allen Tarifen die folgenden Leistungsmerkmale ein:
Dynamik: Möglichkeit, die Versicherungssumme ohne Gesundheitsprüfung zu erhöhen - etwa um einen Inflationsausgleich zu integrieren.
Geltungsbereich und Wohnsitzverlegung: Ein vorübergehender Auslandsaufenthalt beziehungsweise ein dauerhafter Wegzug aus Deutschland sollte weltweit ohne Einschränkungen möglich sein.
Wartezeit: Da beim Pflege-Bahr keine Gesundheitsfragen gestellt werden dürfen, haben die Anbieter das Recht, eine Wartezeit von fünf Jahren vorzusehen. Das bedeutet, eine Leistung erfolgt frühestens fünf Jahre nach Versicherungsbeginn. Manche Anbieter verzichten darauf, wenn innerhalb dieser Zeit Pflegebedürftigkeit durch einen Unfall eintritt. Als Besonderheit beim Abschluss eines Kombi-Tarifs gibt es Versicherer, die auf eine Wartezeit im Pflege-Bahr verzichten. Hintergrund ist die Gesundheitsprüfung im ungeförderten Tarif.
Ausschließlich bei den Kombi-Tarifen gibt es dann noch weitere Tarifmerkmale, die berücksichtigt werden. Dadurch schwankt die Quote von 1 bis 1,7. Die höchsten Quoten erreichen: Barmenia, BBKK, Hallesche, HUK, Münchener Verein, R + V, UKV und VRK.
Höchstalter: Manche Versicherer begrenzen das Eintrittsalter, bis zu dem man in die Versicherung aufgenommen wird. Das ist für ältere Personen unvorteilhaft.
Mindestvertragsdauer: Die Musterbedingungen gehen im Allgemeinen von zwei Jahren aus. Durch die Kombination mit einem ungeförderten Pflegetagegeld entfällt diese manchmal oder reduziert sich auf ein Jahr.
Leistungen bei Suchterkrankungen: Manche Versicherer zahlen nichts, wenn die Pflegebedürftigkeit auf einer Suchterkrankung beruht. Andere zahlen nur bei bestimmten Drogen. Wieder andere leisten in jedem Fall.
Zusätzlich ist im Tarifindex eine Reihe von Kriterien indirekt berücksichtigt, die bereits beim M & M Rating und damit bei der Aufnahme in den Test eine Rolle spielten. Dies sind unter anderem der Zeitraum, den ein Unternehmen für eine Zusage braucht, wenn alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, Überbrückungsmöglichkeiten bei Zahlungsschwierigkeiten und Leistung bei stationärer Reha und Kur.

5. Noten ungenügend: bis 22,49 Punkte
mangelhaft: ab 22,50 Punkten
ausreichend: ab 45,00 Punkten
befriedigend: ab 56,00 Punkten
gut: ab 67,00 Punkten
sehr gut: ab 78,00 Punkten
sehr gut +: ab 89,00 Punkten