Den Durchbruch vom Labor auf den Markt geschafft haben die sogenannten CAR-T-Therapien. Die den Patienten aus dem Blut entnommenen T-Zellen werden im Labor genetisch verändert, vermehrt und dann per Infusion wieder verabreicht. Die "aufgeladenen" Immunzellen erkennen die Krebszellen und greifen diese an. Einen anderen Ansatz verfolgen künstliche bispezifische Antikörper, indem sie eine Immunantwort gegen bestimmte Tumorzellen erzeugen.
"Die neuen Ansätze schaffen Optionen für maßgeschneiderte personalisierte Medizin für Blutkrebs", meint Maurizio Bernasconi, Portfoliomanager bei BB Biotech. Das bedeute womöglich kleinere Patientengruppen, die auf diese individualisierten Therapien ansprechen, aber nicht automatisch weniger Umsatz: "Kann eine Therapie die Lebenserwartung eines Patienten verdoppeln, lassen sich unter Umständen auch mit kleinen Patientengruppen hohe Erlöse generieren."
Das gilt vor allem für Blutkrebsarten, für die es kaum Behandlungsmöglichkeiten gibt. Zum Beispiel bei B-Zell-Lymphomen, die meistens durch unkontrollierte Vermehrung der weißen Blutkörperchen ausgelöst werden und unbehandelt rasch tödlich enden. Oder bei akuter lymphatischer Leukämie (ALL), einer besonders aggressiven Leukämieart.
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Teilweise völlige Heilung möglich
Kymriah ist für diese schweren Fälle gedacht. Die von Novartis entwickelte CAR-T-Therapie ist in den USA und in Europa zugelassen - allerdings nur für Kinder und junge Erwachsene bis 25 Jahre, die auf Standardtherapien nicht ansprechen oder bereits zwei Krankheitsrückfälle erlitten haben. Das gilt auch für Yescarta, das zweite bislang zugelassene Produkt für die Behandlung von Leukämien und Lymphomen, die von bösartig veränderten B-Zellen im Blut ausgehen. Klinische Tests zeigten bei beiden Substanzen bislang teilweise eine völlige Heilung der Patienten.
Dieser Erfolg hat seinen Preis. Bis zu 450 000 US-Dollar jährlich kostet die Behandlung in den USA mit Kymriah - pro Patient wohlgemerkt. Bei Yescarta liegen die Kosten bei 373 000 US-Dollar. Als Gründe nennen die Firmen die hohen Produktionskosten, die sich auf etwa 50 000 US-Dollar pro Patient belaufen sollen. In Europa, wo die zwei Präparate seit 2018 zugelassen sind, ist die Kostenerstattung aufgrund der heterogenen Gesundheitssysteme schwieriger zu klären als in den USA.
Noushin Irani, Fondsmanagerin bei DWS, ist optimistisch, dass sich mit der neuen Generation von CAR-T-Therapien, wie sie auf der ASH 2018 vorgestellt wurden, die Optionen erweitern: "Bislang wurden nur klinische Studien mit völlig austherapierten Patienten abgeschlossen. Je mehr klinische Ergebnisse mit anderen Patientengruppen vorliegen, desto wahrscheinlicher wird es, dass CAR-T-Therapien nicht nur als allerletzte Behandlungsoption zugelassen werden." Für das bislang moderate Umsatzwachstum von Kymriah und Yescarta sieht sie einen konkreten Grund: "Zentren, Ärzte und Krankenhäuser sind noch nicht auf breiter Basis mit der neuen Therapie und ihrem komplexen Behandlungsmodus geschult. Aus diesem Grund wurde der Verkaufsstart vorsichtig angelegt."
Aus der Vielzahl der Firmen, die sich auf diesem Sektor tummeln, sollten sich Anleger auf fünf Aktien konzentrieren. Biotechschwergewicht Amgen hat mit Blincyto den ersten bispezifischen Antikörper gegen ALL auf dem Markt. Weitere Kandidaten gegen andere Blutkrebsarten sind in der klinischen Endphase und werden 2019 zulassungsrelevante Daten liefern. Einen Schritt weiter ist Bluebird Bio. Zusammen mit Partner Celgene steht die US-Biotechfirma in diesem Jahr vor der US-Zulassung für ihre CAR-T-Therapie bb2121 zur Behandlung des multiplen Myeloms.
Unter den europäischen Biotechs ist Genmab am weitesten fortgeschritten. Die dänische Firma schreibt schwarze Zahlen dank der Umsatzbeteiligung an Darzalex gegen das multiple Myelom. Zudem laufen klinische Studien zur Behandlung dreier weiterer Blutkrebsarten. Vor dem großen Sprung steht Morphosys mit MOR 208 zur Behandlung von DLBCL (diffus großzelliges B-Zell-Lymphom) und chronischer lymphatischer Leukämie. Geht alles glatt, könnte der Antikörper 2020 als erstes eigenes Produkt auf den Markt kommen.
Über das Beteiligungsportfolio von BB Biotech können sich Anleger am künftigen Erfolg der Neulinge Argen-X oder Macrogenics beteiligen, die auf der ASH positive Daten lieferten. Zugleich sind sie bei etablierten Konzernen wie Celgene oder Gilead Sciences dabei.