Der Mai ist in vielen Dingen ein Spitzenmonat: Etwa wenn es um den Sonnenschein geht oder die Produktivität der Natur. An der Börse ist es wie so oft anders. Da hat der Mai einen eher schlechten Ruf, rät doch die unter Börsianern bekannte Regel "Sell in May" dazu, sich im Wonnemonat von Wertpapieren zu ­trennen. Erst am Ende des Sommers soll man wiederkommen: "and remember to ­come back in September", wie der zweite Teil der Börsenweisheit lautet.

In der Tat ist der Mai mit Blick auf den DAX ein eher grauer Monat, in dem bisher eher negative Kurs­entwicklungen überwogen. Verluste standen meist auch im Juni und im August zu Buche, weshalb die These von der lohnenden Sommerpause für Börsianer verlockend ist.

Tatsächlich war die strikte Befolgung der Mai-Regel während der vergangenen 30 Jahre für DAX-Anleger ertragreich, wie Berechnungen des britischen Vermögensverwalters Fidelity belegen. So hat ein Investor, der Anfang 1989 exakt 10 000 Euro in den DAX investierte und seither jedes Jahr am 30. April aus- und am 1. September wieder einstieg, ohne Transaktionskosten bis Ende vergangenen Jahres 31,5 Prozent mehr Rendite ­erzielt, als wenn er permanent investiert geblieben wäre. Unter dem Strich ein Plus von über 28 000 Euro.

Ein üppiger Betrag. Dennoch warnen Experten, an einen Automatismus zu glauben. "In 17 Jahren hat die Regel funktioniert, in 13 nicht", sagt Fidelity-Anlage­experte Andreas Telschow. "Auch wenn sich ‚Sell in May‘ über 30 Jahre ausgezahlt hat - diese Regel zu befolgen, ist riskant. Der Zufall spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Es mögen Sonderfaktoren gewesen sein, die in jedem Jahr zu den Ausschlägen geführt haben." Wie etwa 1988. Da entwickelte sich der DAX von Mai bis September so stark, dass auf 30-Jahres-Sicht ein Anleger mit der Mai-Strategie nur um 17 Prozent besser gefahren wäre anstatt um 31,5 Prozent wie von 1989 bis 2018.

Heftige Ausschläge. Die Renditeauswirkungen sind teilweise heftig: Während 2001 und 2002 ein Ausscheiden im Mai mit einer Extrarendite von 17 und 26 Prozent belohnt wurde, hatte die Strategie 2003 ein Minus von 18 Prozent zur Folge. 2009 verpassten Mai-Aussteiger einen großen Teil (15 Prozent) des nach der Finanzkrise beginnenden Bullenmarkts. Hinzu kommt, dass sich aus Daten der Vergangenheit nicht auf die Zukunft schließen lässt: "Ab morgen", so Telschow, "kann alles anders sein."

Zudem fällt auf, dass ein positiver Sell-in-May-Effekt anders als beim DAX bei anderen Indizes nicht nachweisbar ist. Wer der Mai-Regel etwa beim britischen FTSE 30 folgte, musste sich nach Berechnungen von Fidelity über die vergangenen 30 Jahre mit acht Prozent weniger Gewinn zufrieden geben als ein Dauerinvestor. Nach Daten von HSBC Trinkaus & Burkhardt brachte der Ausstieg im Frühjahr auch beim Dow Jones kaum Vorteile. Beim Nasdaq mussten Anleger sogar spürbar auf Gewinne verzichten.

Eines aber haben alle betrachteten Indizes gemeinsam: In den Monaten Mai bis September ist die Performance im historischen Vergleich überall unterdurchschnittlich. Das heißt, dass im ersten Quartal, Anfang des zweiten und im vierten die Märkte meist besser laufen.

Dafür gibt es Gründe: Viele Unternehmen schütten einmal im Jahr Dividenden aus - meist im Zeitraum April bis Juni. Das lockt Anleger an und treibt die Kurse. Mit Auszahlung der Aktionärsbetei­ligung oder - bei hohen Kursen - schon vorher steigen viele wieder aus. Zudem nehmen in den Sommermonaten traditionell die Handelsvolumina ab. Die Umsätze sind niedrig, weil Marktteilnehmer in Urlaub sind. In der Vergangenheit kam es häufig vor, dass sich Anleger im Sommer von ihren Beständen trennten, um ihre Ferien unbeschwert zu genießen.

Niedrigere Umsätze bedeuten aber auch, dass die Märkte für Kursbewegungen anfälliger sind. Schlechte Nachrichten können dadurch doppelt wirken. Zum einen werden sie stärker wahrgenommen, weil im Sommer generell Nachrichtenflaute herrscht. Damit sorgen sie zum anderen bei geringeren Börsenumsätzen für größere Ausschläge.

Meist hat sich das im September noch nicht geändert. Der letzte Sommermonat ist historisch gesehen der schlechteste des Jahres. "Es wäre sinnvoller, den zweiten Teil der Mai-Regel zu ändern in ,remember to come back in October‘", sagt Matthias Hüppe, Chef der HSBC-Derivateabteilung. "Aber das reimt sich nicht."

Mit all diesen Informationen im Hinterkopf können Anleger sich für die potenziell ertragsschwächeren Monate im Jahr wappnen. Und es gibt auch dieses Jahr Argumente, dass die Börsen eine Verschnaufpause einlegen könnten. Das erste: DAX und Co sind bis Anfang Mai schon sehr gut gelaufen. Mit etwas mehr als 12 400 Punkten hat der DAX am 3. Mai die Kursziele vieler Analysten fürs Jahresende bereits übertroffen. Zudem war die Berichtssaison zum ersten Quartal durchwachsen. Das zweite: Die ak­tuelle Konjunkturdelle könnte sich im zweiten Quartal noch stärker bemerkbar machen. Das dritte: Politische Unsicherheiten - Ausgang der Europawahl Ende Mai, Brexit und Handelsstreit der USA mit China und EU - bleiben bestehen.

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Strategie 1: Die Seitwärtsbewegung


Anleger können sich mit einer Seitwärtsstrategie für die Sommerpause positionieren. Die Erwartung: Es tut sich nicht viel an der Börse, weder nach oben noch nach unten. Dafür bieten sich Discount- und Bonuszertifikate an.

Das Prinzip beim Discounter: Anleger erwerben den gewählten Basiswert - in diesem Fall den DAX - mit Rabatt auf den aktuellen Kurs. Sie können damit tiefer als das aktuelle Niveau in den Markt einsteigen. So erzielt der Käufer sogar dann noch einen Gewinn, wenn der DAX um ein paar Prozent fällt. Der mögliche Gewinn ist auf einen Höchstbetrag begrenzt, definiert durch die Obergrenze, den Cap. Am Ende der Laufzeit wird der Höchstbetrag ausgeschüttet, wenn der DAX auf oder über dem Cap notiert. Ansonsten entspricht der Wert des Discounters dem Basiswert. Anleger beachten: Sollte der DAX deutlich fallen, produziert ein solcher Schein Verluste.

Beispiel: Ein Anleger erwirbt bei einem DAX-Stand von 12 350 einen Discounter mit einer Gewinnobergrenze von 12 400 Punkten und vier Monaten Laufzeit. Er erhält ihn mit einem Abschlag von mehr als drei Prozent auf den DAX-Kurs, also bei 11 950 Punkten. Sollte der Index bis dahin seitwärts laufen und Ende September immer noch bei 12 350 stehen, würde der Schein eine Rendite von rund acht Prozent per annum abwerfen (Emittent: DZ Bank, ISIN: DE 000 DD1 89X 6).

Ein Bonuszertifikat bietet Anlegern einen Extragewinn, also einen Bonus, wenn der DAX-Kurs während der Laufzeit des Zertifikats eine definierte untere Kursschwelle, die Barriere, nicht berührt. Sonst verfällt der Bonus, und der Wert des Zertifikats entspricht dem DAX-Kurs. Seitwärtsinvestoren könnten sich beispielsweise für einen Schein mit einer Barriere von 11 200 Punkten entscheiden - also weit genug weg vom aktuellen DAX-Niveau. Als Bonus kann das Level von 13 200 Punkten gewählt werden. Das heißt, dieses Niveau kommt definitiv zur Auszahlung, wenn der DAX bis zum Laufzeitende die Marke von 11 200 Punkten nicht durchbricht. Mit einem solchen Zertifikat ist eine Rendite von acht Prozent drin (Emittent: BNP Paribas, ISIN: DE 000 PZ7 MN6 9).


Strategie 2: Bei kräftigem Abschwung


Nicht wenige Marktteilnehmer rechnen früher oder später mit einer kräftigen Korrektur des DAX. Der Sommer könnte dafür der passende Zeitpunkt sein.

Wer genau das erwartet, für den wäre ein ­Engagement im Short-DAX genau das Richtige. Dieser Index - ebenfalls von der Deutschen Börse berechnete - entwickelt sich gegenläufig zum DAX. Steigt der DAX, fällt der Short-DAX um genau den gleichen Prozentsatz wie der DAX. Fällt der DAX, steigt analog der Short-DAX. Den Short-Index gibt es für risiko­freudigere Anleger auch mit verschie­denen großen Hebeln. Der Short-DAX funktioniert nach demselben Prinzip, als wenn Anleger "short gehen". Um von fallenden Kursen zu profitieren, "verkaufen" sie also den Basiswert teuer, bevor sie ihn günstig zurückkaufen.

Die Deutsche Bank bietet für die Abschwungstrategie ein Indexzertifikat auf den ungehebelten Short-DAX an. Das Papier folgt der Performance des Short-Index eins zu eins. Bei dem endlos laufenden Zertifikat gibt es keine Zeitwertverluste. Es eignet sich damit zur Spekula­tion sowohl auf einen kurzfristigen Abschwung als auch mit längerem Anlagehorizont (ISIN: DE 000 DB2 SRT 5).


Strategie 3: Im Sommerloch


Für Anleger, die die Möglichkeit von Verlusten im Sommer entspannt aussitzen wollen, gibt es den Seasonal-DAX. Der Index macht im Sommer Urlaub. Er wird prinzipiell exakt so berechnet wie der DAX, aber nur im Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Juli.

Im August und September setzt das Barometer aus und verharrt auf dem Juli-Schlusskurs. Am 1. Oktober setzt der Seasonal-DAX wieder ein. Die Performance berührt es also nicht negativ, wenn es in den beiden Sommermonaten zu Verlusten gekommen sein sollte. Dies war in der Vergangenheit ­übrigens noch öfter der Fall als bei der Sell-in-May-Regel. Laut Deutscher Börse legte der saisonale DAX seit Auflage im­ Juni 2005 um rund 18 Prozent pro Jahr zu.

Wer im August und September investiert blieb, also in den klassischen DAX, erzielte im selben Zeitraum "nur" einen Gewinn von elf Prozent pro Jahr. UniCredit bietet ein Indexzertifikat auf den Seasonal-DAX an. In der Zeit, in der der DAX pausiert, bewegt sich der Kurs für zwei Monate nur minimal um den Stand des letzten Juli-Schlusskurses herum, An- und Verkäufe sind dennoch möglich (ISIN: DE 000 HV1 DB6 6).