Heidi is back. Die Fans von Heidi Klums TV-Show "Germanys Next Topmodel" ("GNTM") chatten über ihre Favoriten auf allen verfügbaren Kanälen - in Netzwerken wie Instagram und Facebook ebenso wie auf den Internetseiten von ProSiebenSat.1. Auch 13 Jahre nach dem Start kommt die Modelshow hierzulande vor allem bei jungen, weiblichen Zuschauern gut an. Seit Anfang Februar wird wieder jeden Donnerstagabend vor Fernsehern oder Tablets aufgeregt über die Leistungen der "GNTM"- Kandidatinnen debattiert. In der Spitze lockt die deutsche Version des amerikanischen TV-Formats "America’s Next Top Model" hierzulande mehr als drei Millionen vor die Bildschirme und in die sozialen Netzwerke. Auch die jüngste Staffel läuft erfolgreich, zuletzt waren es 2,4 Millionen Zuschauer.

TV-Riesen stärker unter Druck

Während die TV-Welt bei "GNTM" noch glitzert, verdüstern sich hierzulande die Perspektiven für die Medienriesen ProSiebenSat.1 und RTL Group. Denn die Fernsehzuschauer sterben langsam aus. "In Deutschland und Großbritannien nutzen die mit dem Web vertrauten Generationen Streamingdienste und Onlinemedien bereits häufiger und länger als klassisches, lineares TV", berichten Medienexperten der Bank of America Merrill Lynch (BoAML). Bis 2020 werde der Anteil dieser Generation in beiden Ländern schon die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung stellen. "Das wird das im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bisher robuste TV-Geschäft in Großbritannien und Deutschland stark verändern", warnt BoAML-Analyst Adrien de Saint Hilaire. Für Deutschland rechnen die Experten damit, dass der Umsatzanteil des Mediums am gesamten Werbemarkt in sieben Jahren von aktuell einem Viertel auf ein Fünftel schrumpft.

Deutschland ist mit 17,3 Milliarden Euro Umsatz nach Großbritannien der zweitgrößte Markt Europas. Bisher haben ProSiebenSat.1 und RTL Group gut verdient. Im Gegensatz zu Ländern wie Italien und Spanien, wo die Erlöse mit TV-Reklame schon seit 2009 schrumpfen, stiegen die Umsätze in Deutschland laut BoAML zuletzt noch um drei Prozent jährlich. Die Margen der beiden deutschen TV-Riesen zählen europaweit zu den höchsten.

Investoren stellen sich bereits auf einen Rückgang ein. Die deutlichen Kursverluste der Aktien von ProSiebenSat.1 und RTL Group während der vergangenen zwölf Monate waren "erst der Anfang eines längeren Abschwungs", warnt de Saint Hilaire. Nicht nur die TV-Riesen aus Deutschland dürften schlechter verdienen. Die US-Analysten erwarten, dass die Margen aller europäischen TV-Konzerne bis 2025 im Schnitt um fünf Prozentpunkte sinken.

Um ihre Onlinepräsenz zügig auszubauen, müssen die Medienhäuser viel Geld in die Hand nehmen. Das birgt Gefahren. "Sie werden in einigen Fällen wertmindernde Zukäufe riskieren", so de Saint Hilaire. Überdies seien die Margen in der Onlinewerbung deutlich kleiner als im TV-Geschäft.

Im Internet herrschen im Übrigen andere Machtverhältnisse. Platzhirsche wie der Videodienst Youtube, der zum US-Webriesen Alphabet gehört, dominieren. Weltweit sind 1,8 Milliarden Youtube-Nutzer online. Das Geschäft brummt, für 2018 werden die Werbeerlöse des Dienstes auf rund 18 Milliarden Dollar geschätzt. Bis 2020 sollen sie um zwei Drittel auf fast 30 Milliarden zulegen.

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Amazon und Netflix drehen auf

Auch in Deutschland ist Youtube als Medium für Unterhaltung für viele Konsumenten schon Alltag. TV-Konzerne hingegen tun sich mit Web-Angeboten immer noch schwer. Im boomenden Streamingmarkt müssen sie gegen globale Wettbewerber wie Amazon und Netflix bestehen. Die US-Konzerne nutzen für ihr Streaminggeschäft bereits ein globales Netz von Rechenzentren und sind technisch damit klar im Vorteil. Beispiel ProSiebenSat.1: Der Erfolg des hauseigenen Streamingportals Maxdome ist bislang sehr bescheiden. "In Deutschland wird der Umbruch durch Netflix und Amazon deutlich zu spüren sein", sagt BoAML-Analystin Sophie Julienne.

Einer Studie zufolge reduzieren Abonnenten von Streamingdiensten ihren TV-Konsum im Schnitt um 30 Prozent. In Deutschland haben nach Angaben von BoAML mehr als drei Millionen ein Netflix-Abo. Bei Amazon ist eine Film- und Serienvideothek in der Prime-Mitgliedschaft enthalten. Die verfügbaren Prime-Zahlen für Deutschland sind aus dem Jahr 2016. Damals gab es nach Angaben des Portals Statista 17 Millionen Kunden. Inzwischen dürften es deutlich mehr sein.

Die Streaminganbieter müssen laut einer Vorschrift 30 Prozent ihrer Inhalte aus europäischer Produktion anbieten. Die US-Konzerne investieren deshalb stark in entsprechende Programme und in Kooperationen.

Im Sommer will ProSiebenSat.1 mit einem neuen Streamingdienst angreifen. Wie groß die Nervosität im Konzern ist, zeigte der Abgang von Finanzvorstand Jan Kemper am Dienstag. Im Streit um die Strategie soll Kemper die Ablösung von Chef Max Conze gefordert haben.

Während der Machtkampf bei ProSiebenSat.1 weiter schwelt, lässt RTL Group in Frankreich aufhorchen. Dort will sich die Mediengruppe Lagardère aus dem TV-Geschäft zurückziehen und verhandelt mit der französischen RTL-Tochter M6 exklusiv über den Verkauf des größten Anteils an der Sparte. Im Portfolio ist auch Frankreichs führende Kinder-TV-Marke Gulli. Deren Streamingdienst gehört zu den erfolgreichsten und ist in 91 Ländern vertreten. Der Kampf um die Zuschauer im Web verschärft sich.

Investor-Info

Amazon
Vorteil Prime

Nach Schätzungen von Bloomberg Intelligence nutzen weltweit mehr als 320 Millionen Menschen in 200 Ländern Amazons Bezahl-Abo Prime. Gut ein Viertel der Onlineshopper weltweit haben damit Zugang zu Prime Video. Mit dieser Basis lohnt es sich für Amazon sogar, Filmstudios zu erwerben. Wie die Cloud-Tochter AWS sind auch die Prime-Mitgliedschaften ein sehr profitabler Wachstumstreiber. Breiter aufgestellt als Netflix. Aussichtsreich.

ProSiebenSat.1
In Turbulenzen

Ein Medienriese im Umbruch: Top-Führungskräfte verabschieden sich wegen Differenzen über die Strategie. Im November hatte Chef Max Conze angekündigt, die Dividendenquote auf 50 von zuvor 80 Prozent des Gewinns zu senken, um mehr Geld in deutsche Inhalte und digitale Plattformen zu investieren. TV-Werbung spielte 2018 rund 57 Prozent des auf vier Milliarden Euro geschätzten Umsatzes ein. Verkaufen.
Empfehlung: Verkaufen
Kursziel: - Euro
Stoppkurs: - Euro

RTL Group
Mehr Shows und TV-Serien

Die Bertelsmann-Tochter soll laut Analysten 2018 rund 6,5 Milliarden Euro Umsatz eingefahren haben. Rund ein Viertel davon spielen Shows und TV-Serien der RTL-Tochter Fremantle ein. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu ProSiebenSat.1. Die Serien "Charité" und "American Gods" werden auch auf Netflix, "Charité" zusätzlich in der ARD vermarktet. TV-Werbung bringt 46 Prozent der Erlöse. Auch RTL steht unter Druck. Trotz hoher Dividende nur eine Halteposition.
Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 53,00 Euro
Stoppkurs: 38,00 Euro