Schon längst ist der Abgasskandal kein reines Volkswagen-Thema mehr. Auch Unternehmen wie Daimler und BMW stecken tief im Schlamassel - obwohl sie zunächst ihre Unschuld beteuert hatten. Doch gerade das kann ihnen jetzt zum Verhängnis werden. Große Fonds werden bei Daimler auf Schadenersatz wegen Verstößen gegen das Kapitalmarktrecht klagen. Private Anleger können sich ebenfalls beteiligen.
Im September 2015, als der Dieselskandal bekannt wurde, spielte der jetzt abgetretene Daimler-Chef Dieter Zetsche noch den Unschuldigen. Abgasmanipulationen wie bei Volkswagen seien bei seinem Unternehmen undenkbar, sagte er. Inzwischen wissen wir: Auch Mercedes hat unzulässige Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in seinen Fahrzeugen verbaut. Rückrufe der Autos und Schadenersatzklagen der Kunden sind die Folge. Eine saftige Kartellstrafe durch die europäischen Behörden könnte noch folgen.
Bei der Daimler-Aktie haben diese Nachrichten für Kursverluste gesorgt. Große institutionelle Daimler-Aktionäre, zumeist Fondsgesellschaften, bereiten Klagen auf Schadenersatz vor. Ihre Argumentation: Da das Management über die Manipulationen im eigenen Haus Bescheid wusste, hätte es den Kapitalmarkt im Rahmen der Ad-hoc-Publizität über die damit verbundenen Risiken frühzeitig informieren müssen. Immerhin handelte es sich um kursbewegende Tatsachen.
Dass dies nicht geschehen ist, könnte Daimler gegenüber seinen Aktionären schadenersatzpflichtig machen. Die Aussagen des inzwischen ausgeschiedenen Vorstandschefs Zetsche würden dem Unternehmen dann auf die Füße fallen. Ähnlich wie im Fall Volkswagen, wo ein vergleichbares Verfahren vor dem OLG Braunschweig läuft, halten Beobachter die Chancen der Kläger bei Daimler ebenfalls für sehr hoch. Auch private Anleger können individuell klagen oder sich einer Musterklage anschließen, die voraussichtlich in diesem Sommer vor dem OLG Stuttgart beginnen wird. Allerdings ist dies mit einem Kostenrisiko verbunden. Wer dieses Risiko scheut, kann zu einer Prozessfinanzierung greifen. Kosten entstehen nur dann, wenn tatsächlich Schadenersatz gezahlt wird. In diesem Fall geht ein Drittel des Geldes an den Prozessfinanzierer und zwei Drittel an den Anleger. Gelingt kein Erfolg, so entstehen auch keine Kosten.
Aussichtsreich ist eine Klage für Anleger, die ihre Daimler-Aktien zwischen Juli 2012 und Juni 2018 gekauft haben. Dabei ist es egal, ob sie die Papiere inzwischen verkauft haben - solange der Verkauf nicht vor September 2015 erfolgt ist. Einige Daimler-Aktionäre weisen uns darauf hin, dass sie ihr eigenes Unternehmen ja nicht durch eine Klage schädigen wollen. Ihnen sei gesagt: Rund 60 Prozent der Daimler-Aktien liegen in den Händen von institutionellen Investoren, zumeist Fonds. Die meisten davon werden ohnehin klagen, um sich nicht von ihren Investoren den Vorwurf machen zu lassen, sie seien fahrlässig mit deren Geld umgegangen.
Für private Anleger stellt sich also die Frage, ob sie - wenn die Kläger gewinnen - lediglich den Schadenersatz der Profiinvestoren mitfinanzieren oder ob auch sie ihr gutes Recht wahrnehmen wollen. Der erste Schritt dazu wäre eine Prüfung der eigenen Ansprüche. Bei der Interessengemeinschaft Widerruf können Daimler-Aktionäre feststellen lassen, ob sie Anspruch auf Schadenersatz anmelden können und ob sie sich für die Prozessfinanzierung qualifizieren. Bei dieser Prüfung wird auch betrachtet, welche Kosten ein individuelles Vorgehen (das heißt ohne Prozessfinanzierung) verursachen würde. Der Anleger kann anhand dieser Zahlen dann entscheiden, ob und wie er vorgehen möchte. Allerdings ist die Teilnahme an der Prozessfinanzierung zeitlich befristet: Sie wird vor Beginn der Musterfeststellungsklage gegen Daimler geschlossen.
Zur Person:
Roland Klaus
Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für den Widerruf von Immobilienkrediten und bietet unter www.widerruf.info/vw eine kostenlose Prüfung von Schadenersatzansprüchen für VW-Anleger an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC.