Wie viele andere Konzerne kann sich auch Siemens den Folgen der Corona-Pandemie nicht entziehen und muss einen herben Gewinnverlust verzeichnen. Der Gewinn nach Steuern brach von Januar bis März auf 697 Millionen Euro ein - das ist ein Minus von 64 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor, wie Siemens am Freitag in München mitteilte.
Der Umsatz ging auch vergleichbarer Basis um ein Prozent auf 14,2 Milliarden Euro zurück, der Auftragseingang aber schon um neun Prozent auf 15,2 Milliarden Euro. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebita) aus dem Industriegeschäft gab um 18 Prozent auf 1,59 Milliarden Euro nach. Dennoch habe Siemens ein "robustes Quartal abgeliefert", so Konzernchef Joe Kaeser.
Vor allem die sonst so starken Geschäftsfelder Digitale Industrie und Smarte Infrastruktur konnten im zweiten Quartal nicht überzeugen. Das Steckenpferd des Dax-Konzerns, das Segment Digitalisierung, meldete einen Umsatzrückgang von zehn Prozent auf 3,7 Milliarden Euro.
Auch die Abspaltung des Energiegeschäfts belastet Siemens. Siemens Energy ist in den operativen Zahlen nicht mehr enthalten - da Siemens das Energiegeschäft bis Endes des Geschäftsjahres an die Börse bringen will. Die Tochter rutschte in die roten Zahlen.
Gewinnprognose gekappt
Die Corona-Krise belastet Siemens also merklich. Nach ersten Bremsspuren im abgelaufenen Quartal werde der industrielle Niedergang vor allem im laufenden dritten Quartal (April bis Juni) sichtbar sein. "Wir erwarten, im dritten Quartal die Talsohle zu erreichen", sagte Kaeser. Trotzdem werde am Ende des Geschäftsjahres 2019/2020 (per Ende September) ein moderater Umsatzverlust zu Buche stehen.
Kaeser zog deshalb die Prognose für das Geschäftsjahr zurück. Die Münchner gehen nun von einem vergleichbar moderaten Umsatzrückgang aus. Bislang hatte Siemens ein moderates Wachstum angepeilt. Der Nachfragerückgang werde sich vor allem in den künftigen Kernsparten Digitale Industrie und Smarte Infrastruktur zeigen, die schneller auf die schwächelnde Konjunktur reagieren.
Das Gewinnziel von 6,30 bis 7,00 Euro je Aktie könne man "nicht mehr bestätigen", hieß es in der Quartalsmitteilung. Der Gewinn hänge stark davon ab, wie sich die Abspaltung von Siemens Energy bilanziell auswirke. Über den Börsengang soll eine außerordentliche Hauptversammlung am 9. Juli entscheiden.
So geht Siemens mit der Corona-Krise um
Der Technologiekonzern sieht sich für die aktuelle Krise vergleichsweise gut gerüstet. Das betonte Noch-Chef Kaeser immer wieder. Siemens sei "ein starkes Unternehmen mit einer hohen Liquidität". Man steuere derzeit durch die größte Krise in Friedenszeiten und das würde Siemens gerade ganz erfolgreich machen, so der Niederbayer. Deshalb schloss er zuletzt Stellenstreichungen wegen der Corona-Krise ebenso aus wie die Inanspruchnahme von Staatshilfen.
Während den Wirren der Corona-Krise gab Siemens Ende März überraschend Details zu Kaesers Nachfolge bekannt: So sollen Michael Sen und Klaus Patzak doch nicht Vorstandsvorsitzender und Finanzchef bei dem neuen Unternehmen Siemens Energy werden. Sie verlassen Siemens ganz. Zudem soll der Wechsel an der Vorstandsspitze des Siemens-Konzerns spätestens zur Hauptversammlung Anfang Februar 2021 vollzogen werden.
Nachfolger soll sein bisheriger Stellvertreter Roland Busch werden. Damit fiel die Entscheidung über den Führungswechsel etwas früher als geplant. Ursprünglich hatte der Aufsichtsrat erst im Sommer die Frage klären wollen. Kaeser soll als Aufsichtsratschef von Siemens Energy vorgeschlagen werden.
Einschätzung der Redaktion
Die Q2-Zahlen kamen am Markt gut an. Die Siemens-Aktie legte nach Markteröffnung um gut fünf Prozent zu.
Charttechnisch gesehen wurde die Siemens-Aktie hart vom Corona-Crash getroffen. Von rund 106 Euro ging es bis Mitte März auf unter 60 Euro zurück. Inzwischen hat sich das Papier wieder etwas erholt und liegt bei rund 85 Euro. Seit dem Start des jüngsten Börsencrashs hat die Aktie zum Stand heute gut 20 Prozent verloren - etwa so viel wie der Dax.
Mit einem Börsenwert von 70 Milliarden Euro gehört Siemens weiter zu den Schwergewichten im Dax - allerdings sieht die Bilanz Kaesers in diesem Punkt nicht gut aus. Zu seinem Antritt als Vorstandschef war Siemens noch 74 Milliarden Euro wert und lag damit nach Marktkapitalisierung auf dem zweiten Rang im Dax. Inzwischen ist SAP mit einer Marktkapitalisierung von 133 Milliarden Euro an der Dax-Spitze meilenweit entfernt, und auch Industriegashersteller Linde (88 Milliarden Euro) hat viel Vorsprung.
Analysten stufen die Siemens-Aktie weiterhin als kaufenswert ein. Zehn Analysten von dpa empfehlen das Papier zum Kauf, nur drei raten zur Zurückhaltung und keiner zum Verkauf. Die Kursziele reichen dabei von 80 Euro bis 125 Euro - der Schnitt liegt bei 100 Euro, als gut ein Fünftel über dem aktuellen Niveau.
Auch wir stufen die Siemens-Aktie auf Kaufen hoch.
Einschätzung: Kaufen.
Kursziel: 98,00 Euro
Stoppkurs: 72,00 Euro
Mit Material von dpa-AFX