Zu schaffen machen Siemens Energy vor allem Verwerfungen in der Lieferkette, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg und die Folgen der Pandemie. Konzernchef Christian Bruch sagte am Mittwoch, die Verfügbarkeit von Material bleibe ein kritisches Thema. Neben dem Krieg machten ihm die strikten Corona-Lockdowns in China Sorgen. "Wir haben noch nicht alles gesehen, was aus China kommt."

Siemens Energy erwartet im Geschäftsjahr 2022 nun Ergebnisse am unteren Ende der bisherigen Prognosespannen für die vergleichbare Umsatzerlös-Entwicklung von minus zwei bis plus drei Prozent und für die angepasste Ebita-Marge vor Sondereffekten von plus zwei bis plus vier Prozent. Allein der Krieg in der Ukraine werde den Umsatz um 300 bis 400 Millionen Euro belasten, der damit verbundene Fehlbetrag liege im hohen zweistelligen bis niedrigen dreistelligen Millionenbereich, sagte Bruch.

"Die Lage ist volatil. Ich gehe davon aus, dass wir eine erweitere Ausweitung der Sanktionen sehen, deswegen sind weitere Belastungen möglich." Siemens Energy überprüfe derzeit sein Russland-Geschäft.

Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben seit 165 Jahren in Russland tätig. 2021 steuerte das Geschäft einen niedrigen einstelligen Prozentsatz zum gesamten Umsatz von 28,5 Milliarden Euro bei. Siemens Energy hatte im April vorläufige Zahlen für das zweite Quartal des Geschäftsjahres vorgelegt. Hinzu kam nun noch ein Verlust nach Steuern von 252 Millionen Euro nach einem Gewinn von 31 Millionen Euro vor Jahresfrist.

Lage bei Gamesa verschärft


Die Ergebnisse der spanischen Windenergie-Tochter Siemens Gamesa seien zum wiederholten Mal enttäuschend, sagte Bruch. Die Tochter belaste erheblich den eigenen Konzern. Die Situation bei Gamesa habe sich seit der letzten Gewinnwarnung weiter verschärft. "Als Mehrheitsaktionär stellen wir unsere Expertise zur Verfügung, um den Ursachen auf den Grund zu gehen und die Probleme zu bewältigen." Zugleich bekräftigte er, dass das Windkraftgeschäft ein wesentlicher Teil der Strategie bleibe. Auch glaube er, dass Siemens Gamesa als Ganzes eine Chance habe.

Die Windkrafttochter hatte kürzlich unerwartet große operative Probleme und steigende Kosten gemeldet, die zu einem hohen Quartalsverlust führten. Bruch hatte Anfang März sein bisheriges Vorstandsmitglied Jochen Eickholt als neuen Gamesa-Chef eingesetzt. Er soll den Turnaround einleiten.

An der Börse kommen die Probleme bei Gamesa und die gesenkte Prognose allerdings nicht gut an. Die Aktien von Siemens Energy fallen zeitweise um mehr als sechs Prozent und markieren bei 15,65 Euro den tiefsten Stand seit der Abspaltung von Siemens im September 2020. "Es gibt keinen Grund, die Aktien zu kaufen, bevor die Gamesa-Probleme gelöst sind", sagte ein Händler.

Einschätzungen zur Siemens-Energy-Aktie


Die Schweizer Großbank UBS hat die Einstufung für Siemens Energy nach den detaillierten Zahlen zum zweiten Geschäftsquartal auf "Buy" belassen und das Kursziel von 30 Euro bestätigt. Die Sparte Gas and Power des Energietechnik-Konzerns habe die Erwartungen durchweg übertroffen, schrieb Analystin Supriya Subramanian.

Das Analysehaus Jefferies ist ebenfalls zuversichtlich für Siemens Energy gestimmt und sieht ein Kursziel von 37 Euro. Die endgültigen Resultate des Konzerns hätten nicht überrascht, schrieb Analyst Simon Toennessen am Mittwoch. Gleichwohl peilten das Geschäftsfeld Gas and Power (GP) und auch der Konzern insgesamt nunmehr nur das untere Ende der Prognosespannen für das Gesamtjahr an. Laut dem Experten könnten die Markterwartungen für das operative Ergebnis der Sparte damit deutlich sinken.

Börse Online hatte im März ein Kursziel für Siemens Energy von 28 Euro ausgegeben. Doch die Aktie wurde schon wenige Wochen später bei 19 Euro ausgestoppt. Vor einem Neueinstieg sollte eine Bodenbildung des MDax-Werts abgewartet werden.

mmr mit rtr und dpa