Mit einem See vor der Tür und Ufern mit dichtem Bewuchs fällt Abschalten und neu Denken für gewöhnlich leichter. Idyllisch ins Grün fügt sich, aus einer bestimmten Perspektive betrachtet, der Hauptsitz der Darmstädter Software AG ein. Dieses Umfeld soll Ex-IBM-Manager Sanjay Brahmawar inspirieren. Seit gut einem Jahr leitet der 47-Jährige Deutschlands zweitgrößten Programmentwickler nach SAP.

Es deutet einiges darauf hin, dass der Inder mit belgischem Pass in Darmstadt schon ­etwas ins Rollen gebracht hat. In einem Interview zu Jahresbeginn hatte der ­Manager noch Dampf abgelassen: "Je nachdem, ob ein oder zwei Großaufträge im alten oder neuen Quartal abgeschlossen wurden, sahen wir aus wie Helden oder Deppen."

Brahmawar will es anders machen, das Geschäft mit einem deutlich höheren Anteil jährlich wiederkehrender Erlöse am Umsatz vorhersehbarer gestalten. Der Plan: Das Geschäftsmodell der Software AG, in dem der Verkauf von Softwarelizenzen und Beratung weiter dominieren, soll schneller auf Abo-Software umgestellt werden. Die Programme werden von Firmenkunden in den Rechenzentren der Softwareentwickler oder Cloud-Dienstleister via Internet abgerufen und genutzt. Bezahlt wird die Nutzung von Software, IT-Kapazität und Beratung im Abo.

Ausweg aus der Wachstumsfalle


Der Umzug in die Cloud ist indes ein langer Weg. Rückschläge durch schwache Quartale, wie zuletzt im Sommer, gehören dazu. Die kürzlich vorgelegte Bilanz für das dritte Quartal signalisierte nun aber, dass die Software AG auf dem richtigen Weg ist. Mit einem Plus von fünf Prozent auf währungsbereinigt 224 Millionen Euro Umsatz übertraf das Wachstum auch die höchsten Schätzungen der Analysten. Zudem verbessern sich die Perspektiven in der breit gefächerten Wachstumssparte Digital Business Platform, die mehr als zwei Drittel des für 2019 auf knapp 890 Millionen Euro geschätzten Umsatzes liefert. Der Aktienkurs sprang an.

Weltweit führend sind die Darmstädter in ihrem Bereich Digital Business Platform mit sogenannter Middleware. Darunter versteht man Software, die auf Netzwerkservern in Rechenzentren den reibungslosen und vollständigen Austausch von Daten zwischen verschiedenen Systemen garantiert. Darüber ­hinaus werden damit Apps in die IT-Struktur der Rechenzentren eingebunden. Auch beim Wachstumsthema Industrie 4.0 ist die Software AG präsent, andere Produkte der Hauptsparte werten Daten aus der digitalisierten Produktion von Unternehmen aus.

Gut aufgestellt und unterschätzt


Für die digital vernetzte Fertigung, das industrielle Internet der Dinge (Internet of Things, IoT), liefert die Software AG die weltweit führende IoT-Plattform Cumulocity, sagen Marktforscher der Gartner Group. Konzerne wie Dell, Bosch und Industrieriese Siemens, der Cumulocity in Kombination mit seinem IoT-Betriebssystem Mindsphere anbietet, sind hier erstklassige Referenzen.

Chef Brahmawar, der bei IBM den Bereich Watson IoT sowie Datenanalyse und Software für künstliche Intelligenz verantwortete, ist in diesen Märkten zu Hause und hat für den MDAX-Konzern hier zweistellige jährliche Wachstumsraten ausgemacht. Das Unternehmen hat in vielen Bereichen seiner Sparte ­Digital Business Platform cloudfähige Software im Portfolio. "Das bringt die Software AG in eine aussichtsreiche ­Position", urteilen die Analysten der US-Bank Goldman Sachs.

Wohl auch deshalb holte der Softwareentwickler unter Führung von Brahmawar 2018 starke Partner aus dem Cloud-Business an Bord, etwa die Amazon-Tochter AWS sowie Microsoft Azure und Cloud-Pionier Adobe. Dell liefert Netzwerkrechner mit der vorinstallierten Cumulocity-IoT-Plattform aus.

Unternehmenslenker Brahmawar aber will mehr: Partner sollen mittelfristig 30 Prozent statt bisher fünf Prozent der Nettoerlöse liefern. Dafür müsse es diesen Firmen jedoch möglich sein, in den Allianzen mitzuverdienen. "Bei der Software AG wird es Entscheidungen, Deals lieber allein zu machen, nicht mehr geben", so der Chef.

Investor-Info

Software AG
Neue Perspektive


Zuletzt überzeugte neben der größten Sparte Digital Business Platform auch das Geschäft mit Datenbanken für Großrechner. Der Softwarekonzern lieferte starke Quartalszahlen: Der Umsatz stieg um fünf Prozent auf 224 Millionen Euro, der operative Gewinn (Ebita) um sieben Prozent auf 68,4 Millionen Euro. Mit Ex-IBM-Manager Sanjay Brahmawar an der Spitze trauen Investoren den Darmstädtern wieder ein solides Wachstum zu. Die Aktie ist im Branchenvergleich günstig bewertet.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 35,00 Euro
Stoppkurs: 22,00 Euro