Mit dem Gruppenspiel Frankreich gegen Deutschland erlebt die Fußball-Europameisterschaft (EM) am 15. Juni in München gleich zu Beginn einen echten Klassiker - und ein Schaulaufen der Superstars. Laut Transfermarkt.de beträgt der Marktwert der für die Équipe Tricolore nominierten Spieler 1,03 Milliarden Euro. Derweil taxiert das Portal den 26 Mann starken Kader von Bundestrainer Jogi Löw auf 936,5 Millionen Euro. Bei der mit Spannung erwarteten Partie in der Allianz Arena stehen auch die beiden führenden Sportartikelhersteller auf dem Platz. Die globale Nummer 1, Nike, stattet die Franzosen aus. Deutschland trägt seit annähernd sieben Jahrzehnten die drei Streifen von Adidas auf dem Revers.
2020 Corona-bedingt verschoben, bietet die EM den Ausstattern endlich wieder eine Möglichkeit, auf globaler Bühne für die eigene Marke zu trommeln. Die Zuschauerkapazitäten der elf Spielstätten sind mit Ausnahme von Budapest zwar begrenzt, doch die Europäische Fußballunion (UEFA) hat die Übertragungsrechte in über 200 Länder verkauft. Laut einer Prognose der für die mediale Vermarktung zuständigen Agentur IMG könnten so insgesamt mehr als fünf Milliarden Menschen bei den Liveübertragungen dabei sein.
Fast zeitgleich mit der EM findet die Copa América statt. Das kurzerhand aus Kolumbien und Argentinien nach Brasilien verlegte Turnier ist wegen der angespannten Corona-Lage in dem südamerikanischen Land umstritten. Gleichwohl dürfte die Copa die Trikotverkäufe ankurbeln. Unter schwierigen Bedingungen starten kurz nach den beiden Fußballgroßereignissen am 23. Juli die Olympischen Sommerspiele in Tokio. Inklusive der Paralympics verlängert sich die mediale Dauerpräsenz der Sportartikelhersteller bis Anfang September.
Adidas mischt überall mit. "Fußball ist die wichtigste Sportart in Bezug auf Zuschauerzahlen", betont der DAX-Konzern im Geschäftsbericht 2020. Für die EM hat sich das Unternehmen etwas Besonderes einfallen lassen. Adidas beherbergt die deutsche Mannschaft am Firmensitz in Herzogenaurach. Das DFB-Team logiert im neu errichteten Gebäudekomplex Home Ground. So wichtig Wohlfühlfaktor und Trainingsplätze für Jogis Jungs sind, die Formkurve von Adidas hängt vor allem vom globalen Impffortschritt, von den Öffnungsquoten im Sporteinzelhandel sowie vom Erfolg der zusehends über die sozialen Medien ausgerollten Werbekampagnen ab.
Vorstandschef Kasper Rorsted ist guter Dinge. "Im ersten Jahr unseres neuen Strategiezyklus sind wir schnell aus den Startblöcken gekommen", kommentierte er den Verlauf des ersten Quartals. In der Tat ließ Adidas mit einem währungsbereinigten Umsatzwachstum um 27 Prozent sowie mehr als einer halben Milliarde Euro Gewinn für die ersten drei Monate aufhorchen. Im von EM und Copa geprägten zweiten Quartal will Rorsted das Tempo noch einmal erhöhen. Währungsbereinigt erwartet er eine Umsatzsteigerung um nahezu 50 Prozent.
Der Däne denkt schon viel weiter, er hat dem Konzern eine bis 2025 reichende Strategie verpasst. Getreu dem Motto "Own the Game", zu Deutsch "Mach das Spiel", will Adidas dem Rivalen Nike bis dahin Marktanteile abjagen. Rorsted peilt dazu ein durchschnittliches Umsatzwachstum um acht bis zehn Prozent jährlich an. Der Gewinn soll überproportional um im Schnitt 16 bis 18 Prozent zulegen. Neben der Digitalisierung und dem Ausbau des Onlinevertriebs setzen die Franken verstärkt auf das eigene Ladennetz.
Trotz der starken Zahlen und der ehrgeizigen Pläne tritt die Adidas-Aktie seit mehreren Monaten auf der Stelle. Für neuen Schwung könnte neben dem Sportsommer ein Verkauf von Reebok sorgen. Adidas hat die US-Tochter ins Schaufenster gestellt. Unbestätigten Meldungen zufolge sollen sowohl die Konkurrenz als auch Finanzinvestoren sehr interessiert sein. Bis Ende Juni dürfte die Liste mit den ernsthaften Offerten stehen.
Warten auf den Kick-off
Allein schon aus kartellrechtlichen Gründen dürfte sich Nike kaum in Herzogenaurach melden. Ungeachtet dessen rückt der Branchenprimus am 24. Juni in den Fokus. Nike veröffentlicht dann die Zahlen für das Geschäftsjahr 2020/21 (per 31. Mai). Im dritten Quartal machten dem Konzern geschlossene Läden und Lieferschwierigkeiten zu schaffen. Vor allem im Nordamerika-Geschäft bremsten Engpässe bei Überseecontainern die Geschäftserholung jäh aus. Bereits im Schlussquartal wollte das Management diese Delle ausbügeln. Die im März und April gegenüber dem Vorjahr stark gestiegenen Umsätze des US-Einzelhandels mit Sportartikeln sprechen für diese Erwartung. Zusammen mit der Aussicht auf einen von EM und Copa forcierten Kick-off für das neue Geschäftsjahr halten wir an der Kaufempfehlung für Nike fest.
Gleiches gilt für Puma. Bei der EM kleidet die globale Nummer 3 im Sportartikelmarkt vier Mannschaften ein, darunter Mitfavorit Italien. Die Geschäfte liefen schon vor dem Turnier. Nach einem starken ersten Quartal - Puma steigerte den Umsatz währungsbereinigt um mehr als ein Viertel - hat Vorstandschef Björn Gulden die Prognose erhöht. Er stellt für 2021 nun rund 15 Prozent höhere Erlöse in Aussicht. Zuvor hatte der ehemalige Fußballprofi nur mit einem moderaten Wachstum gerechnet. Obwohl auch Puma mit deutlich höheren Frachtkosten und verzögerten Lieferungen zurechtkommen musste, hat sich der Gewinn von Januar bis März mehr als verdreifacht.
Einen großen Auftritt bekommt das Raubkatzenlogo bei den Olympischen Spielen. Puma stattet annähernd 200 Athleten für die Spiele in Tokio aus. Traditionell treten etwa die Sportler aus Jamaika in Schuhen und Jerseys der Franken an. Weniger Sprint- als vielmehr Steherqualitäten zeigt Puma gerade an der Börse. Ende Mai verkaufte Kering über Nacht 890 Millionen Puma-Aktien. Damit fuhr der französische Luxuskonzern seine Beteiligung von knapp einem Zehntel auf vier Prozent zurück. Trotz der Platzierung hält sich der Mid Cap auf Rekordniveau. Möglicherweise haben Investoren einen positiven Nebeneffekt der Transaktion im Blick. Durch die Erhöhung des Streubesitzes stiegen die Chancen, dass Puma im Zuge der DAX-Erweiterung im Herbst in die erste deutsche Börsenliga aufsteigt.
Zeit für eine Verschnaufpause
Under Armour zählt zum US-Leitindex S & P 500. Anfang 2020, kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, übernahm Patrik Frisk beim Hersteller sportlicher Funktionskleidung den Chefsessel. Der Manager mit mehr als 30 Jahren Branchenerfahrung verordnete Under Armour ein Restrukturierungsprogramm. Gleichzeitig forcierte er den Onlinehandel. Mit neuen Kollektionen reagierte der CEO auf den im Lockdwon verstärkten Bewegungsdrang vieler Konsumenten. Die Strategie hat gezündet: Nach einem starken Rückgang im Corona-Jahr steigerte Under Armour den Umsatz im ersten Quartal um über ein Drittel und schaffte beim Gewinn den Turnaround. Frisk schraubte daraufhin die Prognose für 2021 deutlich nach oben. Der Umsatz soll in den prozentual hohen Zehnerbereich anstatt in den zuvor angepeilten hohen einstelligen Bereich wachsen. Mit 28 bis 30 US-Cent liegt der Ausblick für das bereinigte Ergebnis je Aktie bei mehr als dem Doppelten des ursprünglich geplanten Korridors.
An der Börse ist Under Armour der Konkurrenz davongelaufen. Seit unserer Kaufempfehlung in Ausgabe 25/2020 hat sich der Aktienkurs mehr als verdoppelt. Da gleichzeitig die Bewertung deutlich über das Branchenmittel hinaus angeschwollen ist, stufen wir den US-Titel auf "Beobachten" herab. Der im Fußball ohnehin wenig präsente Konzern hat sich zur EM erst einmal eine Verschnaufpause verdient.
Auf einen Blick
Sportartikel
Anstoß: Fußball ist als Massenphänomen für den Sektor von großer Bedeutung. Daneben gelten der in der Pandemie von vielen Menschen entwickelte Bewegungsdrang, der Trend zur sportlichen Kleidung und die Digitalisierung als Wachstumstreiber.