Kurz vor einem erwarteten neuen Übernahmeangebot für Stada bekommt der hessische Arzneimittelhersteller einen neuen Vorstandschef. Der ehemalige Boehringer-Ingelheim-Manager Engelbert Tjeenk Willink soll den Posten übernehmen - allerdings nur bis zum Jahresende, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Matthias Wiedenfels, der das Amt als Stada-Chef vor rund einem Jahr "bis auf weiteres" übernommen hatte, sei mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Auch der langjährige Finanzvorstand Helmut Kraft geht. Er wird bis Ende 2017 durch den ehemaligen Finanzchef von Lanxess und Beiersdorf, Bernhard Düttmann, ersetzt.

An der wohlwollenden Haltung des Stada-Vorstands zu einem neuen Anlauf der Finanzinvestoren Bain und Cinven, das Unternehmen aus Bad Vilbel bei Frankfurt zu schlucken, soll der Wechsel nichts ändern. "Wir setzen unsere Strategie unbeirrt fort", erklärte Aufsichtsratschef Carl Ferdinand Oetker. Er galt lange als skeptisch gegenüber einem Verkauf, betonte aber, Stada werde mögliche weitere Offerten "unvoreingenommen prüfen und bewerten". Tjeenk Willink erklärte, er werde alle Optionen "im Interesse der Aktionäre und der Belegschaft" abwägen.

Wiedenfels, der durch das Aus für den langjährigen Stada-Chef Hartmut Retzlaff an die Spitze gespült worden war, hatte den Verkauf des Konzerns auch gegen interne Widerstände vorangetrieben und nach Ansicht von Experten einen hohen Preis für Stada herausgeholt. Noch vor einer Woche hatten Wiedenfels und Oetker Einigkeit demonstriert. "Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir absolut an einem Strang gezogen haben", hatte Wiedenfels gesagt. Trotzdem galt er als Vorstandschef auf Abruf. Der Aufsichtsrat hatte seit Monaten einen Marketing-Chef gesucht, der im besten Fall auch die Nachfolge von Wiedenfels übernehmen könnte. Der 56-jährige Tjeenk Willink war bei Boehringer bis 2012 für Marketing und Vertrieb zuständig.

Die kurze Laufzeit der Verträge der neuen Vorstände gibt den Erwartungen Nahrung, dass sich Stada weiter auf eine baldige Übernahme einstellt. Finanzinvestoren bringen nach dem Kauf eines Unternehmens oft ihre eigenen Manager mit. Bain und Cinven bereiten nach Angaben von Stada bereits einen neuen Anlauf vor. Sie wollen sich von der einjährigen Wartefrist befreien lassen, die sie nach dem Scheitern ihres Angebots eigentlich einhalten müssten. Der Antrag muss bei der Wertpapieraufsicht BaFin gestellt werden, der Schlüssel liegt allerdings beim Vorstand von Stada - er muss dem zustimmen. Der Aufsichtsrat spielt erst dann wieder eine Rolle, wenn es um die Beurteilung eines neuen Übernahmeangebots selbst ginge.

"FINANCIAL TIMES": NEUES ANGEBOT BINNEN ZWEI TAGEN



Nach einem Bericht der "Financial Times" könnten Bain und Cinven spätestens am Mittwoch grünes Licht von der BaFin und von Stada erhalten. Die Finanzinvestoren waren mit ihrer 5,3 Milliarden Euro schweren Offerte in der vergangenen Woche zunächst gescheitert, weil nur 65,5 statt der erforderlichen 67,5 Prozent der Stada-Aktionäre ihre Offerte angenommen hatten. Das lag Finanzkreisen zufolge vor allem an Hedgefonds, die in der Hoffnung auf ein höheres Angebot bei Kursen von mehr als 66 Euro eingestiegen waren. Um keinen Verlust zu machen, hielten sie einen Teil ihrer Aktien zurück - und sorgten damit dafür, dass die Übernahme platzte.

Bain und Cinven haben laut "FT" inzwischen von einigen Investoren Zusagen bekommen, dass sie ihre Anteile nun verkaufen. Beim zweiten Anlauf solle es bei 66 Euro je Aktie bleiben. Um sicher zu gehen, wollten die Finanzinvestoren die Mindestannahmeschwelle aber auf 65 Prozent oder weniger senken. Ihr Kalkül: Zusammen mit den Anteilen von börsengehandelten Indexfonds (ETF), die ihre Aktien erst später andienen können, kämen sie letztlich auf mehr als 75 Prozent, die notwendig sind, um über einen Beherrschungsvertrag Zugriff auf die Kasse von Stada zu bekommen.

An der Börse trieb die Hoffnung auf ein neues Gebot Stada-Aktien um 2,2 Prozent auf 63,92 Euro. Der Druck auf Stada ist groß, den Finanzinvestoren einen erneuten Vorstoß zu erlauben. Analyst Bernhard Weininger von Independent Research hält es für wahrscheinlich, dass das Unternehmen "vor dem Hintergrund der betont guten Zusammenarbeit im Übernahmeprozess zwischen Stada und den Finanzinvestoren" sich darauf einlassen wird. Die Erwartung eines Verkaufs hatte den Aktienkurs binnen eines Jahres von weniger als 40 bis auf knapp 67 Euro getrieben.