Zwei BÖRSE ONLINE-Redakteure, zwei Meinungen. Wohin steuert der VW-Konzern in Zukunft und welche Chancen haben Anleger mit der Aktie?

Für Redakteur Richard Pfadenhauer ist jetzt die Zeit zum Einstieg bei VW

Die VW-Aktie hat Ferrari & Co deutlich abgehängt. Seit Jahresbeginn schob sich die Aktie der Wolfsburger ex Dividende knapp acht Prozent ins Plus. Auf Rang 2 liegt Ferrari mit 3,6 Prozent. Die Anteilscheine von Mercedes und Porsche liegen aktuell sogar im Minus. Ist dies der Beginn einer nachhaltigen Rally? Die Chancen stehen gut. Der Aktienkurs spiegelt nicht den Status quo eines Unternehmens wider, sondern Erwartungen für die kommenden Monate beziehungsweise Jahre. Hier deutet sich tatsächlich ein gewisser Sinneswandel bei den Investoren an. 

Zugegeben, die hohen Produktions- und Entwicklungskosten in Europa, der Absatzrückgang in China und die erratischen Aktionen im Weißen Haus belasten. Gleichwohl ist 2025 für Konzernlenker Oliver Blume ein Übergangsjahr, und immer mehr Anleger scheinen Blume und seinem „Top 10 Programm 2025“ zu vertrauen. Die Strategie umfasst einerseits Kostensenkungen — dabei sollen konzernweit bis 2030 rund 40 000 Stellen abgebaut werden —, gleichzeitig werden die Weichen für mehr Wachstum gestellt.

Kehrtwende eingeleitet

In den USA setzt der Konzern nicht nur stärker auf die Anpassung bestehender Modelle an die Bedürfnisse amerikanischer Kunden, sondern stieg kürzlich mit der Marke Scout in das Geschäft mit Pick- ups und geländetauglichen SUVs ein. Die jüngsten Absatzzahlen zeigen nach oben. Auch in China sollen die Modelle künftig stärker an den Kundenwünschen ausgerichtet werden. Ab 2026 wird mit der China Electronic Architecture (CEA) eine neue Plattform in allen lokal produzierten Elektrofahrzeugen der Marke Volkswagen eingesetzt. Auf diese Weise sollen bis zu 40 Prozent der Kosten gespart und Produktentwicklungen beschleunigt werden. Auf der Automesse in Shanghai Ende April präsentierten die Wolfsburger drei Stromer, die kommendes Jahr in China auf die Straße kommen sollen. Bis 2027 sind bis zu 30 neue Modelle geplant.

Um im Softwarebereich, bei autonomem Fahren und Infotainment auf die Konkurrenz aufzuschließen, kooperieren die Wolfsburger inzwischen mit Rivian in den USA und Xpeng in China. Blumes Ziel ist, zum globalen Technologietreiber in der Automobilindustrie aufzusteigen. Die Zahlen zum ersten Geschäftsquartal zeigen, dass der Autobauer Abatzschwächen in einzelnen Regionen durch Zuwächse in anderen ausgleichen kann. Trotz eines Absatzrückgangs in China wurden in den ersten drei Monaten des Jahres mehr Fahrzeuge ausgeliefert als im Vorjahreszeitraum. Der Absatzrückgang höherpreisiger Modelle war maßgeblich für den drastischen Gewinneinbruch verantwortlich. Der freie Cashflow war jedoch solide. Der Abwärtstrend bei den Gewinnprognosen seitens der Analysten ist zunächst gestoppt. Viele Risiken sind eingepreist. Dennoch ist die Aktie mit einem KGV von 5,2 und einer Dividendenrendite von 6,8 Prozent niedrig bewertet.

BO-Redakteur Jörg Lang sieht bei VW unter anderem ein China-Risiko

Wer beginnt, bei Volkswagen alle Kreuz- und Querverbindungen zu sortieren, verliert schon einmal die Übersicht. Und genau das ist eines der größeren Probleme, warum die Aktie im Moment nur schwer investierbar erscheint. Ausdruck findet das darin, dass die Gesellschaft bei Auswertungen zur Unternehmensführung hintere Ranglistenplätze einnimmt. Das beginnt etwa auf der Führungsebene. Oliver Blume ist gleichzeitig Firmenchef bei VW und Porsche AG. Normalerweise müsste er bei der seit 2023 notierten Sportwagentochter den Aufsichtsrat leiten. Das macht dafür Wolfgang Porsche, der auch den Aufsichtsrat von VW-Großaktionär Porsche SE leitet und im Aufsichtsrat von VW sitzt. Die personelle Verflechtung wird von Hans Dieter Pötsch komplettiert. Der Österreicher, früher Finanzchef bei VW, leitet die SE als CEO, nimmt gleichzeitig aber auch den Aufsichtsrats-Chefposten bei VW ein. Dass die Herren Porsche und Pötsch mehr die eigenen und nicht in erster Linie die Interessen der freien Aktionäre von VW vertreten, vermuten kritische Aktionärsvertreter.

Natürlich haben beide großen Einfluss auf VW, immerhin hält die von den Familien Piëch und Porsche über die nicht notierten Stammaktien kontrollierte SE die Mehrheit der Stimmrechte. Aber das nutzt wenig bei harten Entscheidungen. Großaktionär Niedersachsen kann dank des VW-Gesetzes einen Vertreter mehr in den Aufsichtsrat schicken. Niedersachsen und die Arbeitnehmer zusammen können nicht überstimmt werden. In so einer Konstellation fällt es schwer, Restrukturierungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Das ist sicherlich ein Nachteil, wenn etwa die neuen Wettbewerber modernste Fabriken aufbauen. Ich habe Zweifel, ob die Wolfsburger das aufholen können. So ist der chinesische Konzern BYD mit seinem neuen Kleinwagen heute schon da, wo VW erst 2027 sein will.

China immer größeres Problem für VW?

Und Chinas Wettbewerb ist nicht nur hierzulande ein Problem. VW verdiente mit seinen Marken in China glänzend. Doch das Geschäft ist rückläufig. Aus den Konzernzahlen lässt sich die Entwicklung in Geldbeträgen nur erahnen, weil die Aktivitäten über Gemeinschaftsunternehmen in die Bilanz fließen. Bei den Absatzzahlen hingegen ist der Abwärtstrend offensichtlich. Meine Befürchtung ist, dass man in China nur die Spitze des Eisbergs gesehen hat, und damit die Gewinnschätzungen viel zu hoch ausfallen.

Hinweis: Der Artikel stammt aus der aktuellen Heftausgabe von BÖRSE ONLINE (23/25), die Sie hier finden.

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