Börse Online: In welchen Absatzmärkten erwarten Sie im zweiten Halbjahr Aufholeffekte?

Heinz-Jürgen Bertram: Niemand weiß, wie stark sich die kurz- und mittelfristigen Effekte der Corona-Krise auf das Geschäft auswirken. Auf regionaler Ebene hat Asien am ehesten das Potenzial dafür, dass die Nachfrage wieder anzieht. Das gilt vor allem für China.

Die operative Marge ist weiter gestiegen, auf nun 21,6 Prozent. Wie groß ist das Risiko, dass steigende Rohstoffpreise auf die Profitabilität drücken?

Wir haben 10 000 Rohstoffe, und mit diesem ausbalancierten Produktmix können wir singuläre Preissteigerungen gut kompensieren. In Zeiten von Covid-19 kommt uns auch zugute, dass wir die Lieferketten durch Rückwärtsintegration über die Jahre kontinuierlich stabilisiert haben.

Wo soll neues Wachstum herkommen?

Wir wollen die Früchte aus unseren jüngsten Übernahmen ernten. Wie das Quartalsergebnis zeigt, hat sich unser jüngster Zukauf ADF/IDF bei den Inhaltsstoffen für Heimtiernahrung als Volltreffer erwiesen. Das Beste kommt hier noch, zum Beispiel über künftige Produktumsätze mit natürlichen Aromen aus Huhn oder Produkte aus Eiern. Diese Proteinquellen für neue Produkte werden wir erst erschließen.

In Ihren Märkten dominieren vier Akteure. Ist das ein Vorteil, wenn man konjunkturunabhängig Wachstum generieren will?

Größe allein ist nicht der entscheidende Faktor. Ich sehe uns so gut aufgestellt, weil wir die Wertschöpfungskette immer weiter verlängert haben und zugleich neue Geschäftsfelder konsequent vergrößern. Nehmen wir die Mentholproduktion für Zahnpasta. In unserem 2019 eröffneten Werk in Charleston/USA werden wir die Produktionsvolumina in den nächsten zwei Jahren erneut verdoppeln und unsere Marktführerschaft damit weiter ausbauen.

In welchen Bereichen könnten Sie sich weitere Zukäufe vorstellen?

Im Bereich Chemie sind wir über die jüngste Akquisition von Pinova mit nachwachsenden Rohstoffen, wie sie für die Papierindustrie verwendet werden, jetzt weitgehend unabhängig von Erdöl. Wir können uns gut vorstellen, hier weiter in Felder mit "grüner Chemie" zu investieren. Auch bei probiotischen Technologien und gesunder Ernährung oder auch, wo Chemie durch biologische kosmetische Formulierungen ersetzt wird, kann noch mehr kommen. Dasselbe gilt für natürliche Rohstoffe in der Parfümerie. Mit Cashreserven von zuletzt 361 Millionen Euro können wir hier schnell reagieren.

Der Free Cashflow ist zuletzt deutlich gestiegen. Bedeutet das eine höhere Dividende für 2020, wenn dieser Trend im zweiten Halbjahr anhält?

Wir schütten 30 bis 50 Prozent unseres Gewinns als Dividende aus. Aktuell sieht es so aus, dass es 2020 im oberen Bereich endet, was Stand heute für eine moderat höhere Dividende spricht.

Welche Vorteile versprechen Sie sich von einem Aufstieg in den DAX?

Unser Schwerpunkt ist es, Wert im Unternehmen zu generieren, Börsenwert und Dividende zu steigern und unser exzellentes Nachhaltigkeitsprofil, für das wir zweimal den deutschen Nachhaltigkeitspreis erhalten haben, weiter zu verbessern. Wir haben keine Probleme damit, unsere Lieferketten vollständig offenzulegen. All das schätzen die Investoren an unserem Geschäftsmodell, wie der langjährige Kursverlauf der Symrise-Aktie zeigt. Kommt irgendwann die Aufnahme in den DAX dazu, nehmen wir das natürlich gerne mit.

Symrise: Schmackhafte Rendite


Zusammen mit Essenslieferant Delivery Hero gilt Symrise als heißester DAX-Nachrücker für Wirecard. Was sein Geschäftsmodell angeht, ist der Hersteller von Aromen, Duft- und Geschmacksstoffen das pure Gegenstück zum Zahlungsabwickler, gegen den wegen Bilanzfälschung und Marktmanipulation ermittelt wird. Symrise wächst unspektakulär, aber kontinuierlich. Weil die Rohstoffe immer vor Ort bezogen werden, machen dem global agierenden Konzern in der Corona-Krise keine unterbrochenen Lieferketten zu schaffen (siehe Interview).

Stark durch die Corona-Pandemie

Mit ihrem Halbjahresergebnis hat die Gesellschaft die Erwartungen übertroffen. Der Konzernumsatz legte um 7,6 Prozent auf 1,82 Milliarden Euro zu. Während sich das organische Wachstum auf 3,4 Prozent belief, steuerte die 900 Millionen US-Dollar schwere Übernahme von ADF/IDF, einem US-Hersteller von Tierfutterzusätzen, zum weiteren Wachstum bei. Den Nachfragerückgang von den Parfümerie-Endkunden, die laut Bertram im zweiten Quartal von der Corona-Krise "voll getroffen" wurden, konnte Symrise durch mehr Wachstum im Mentholgeschäft sowie bei Zusatzstoffen für Nahrungsmittel, Heimtiernahrung und Hygieneprodukte mehr als kompensieren. Die Ebitda-Marge verbesserte sich weiter auf 21,6 Prozent. Für das Gesamtjahr hat Symrise die Zielmarke jetzt auf 21 bis 22 Prozent erhöht.

Für die Wachstumsstory bezahlen Anleger aber ein happiges 2021er-KGV. Ein solcher Bewertungsaufschlag gilt jedoch für den gesamten Sektor, hier glänzt Symrise mit überdurchschnittlichen Profitabilitätskennziffern. Wir heben das Kursziel auf 133,00 Euro an, empfehlen aber, für Neuengagements Rücksetzer abzuwarten. Stefan Riedel