Allerdings warten viele Investoren gespannt darauf, was die Neuausrichtung der Fed konkret bedeutet: "Nach der Vorstellung des aktualisierten geldpolitischen Rahmenwerks ist diese Notenbanksitzung der ideale Zeitpunkt, um die Theorie erstmals mit der Praxis zu konfrontieren", meint Volkswirt Christian Scherrmann vom Fondsanbieter DWS.
Der jüngst vorgestellte Strategieschwenk bietet mehr Spielraum beim Ansteuern des Inflationsziels. Demnach könnte die Fed die Teuerungsrate für einen längeren Zeitraum über dem angepeilten Idealwert von zwei Prozent halten, wenn diese zuvor geraume Zeit darunter geblieben ist. Zugleich soll stets das Ziel der Vollbeschäftigung an erster Stelle stehen. Der Arbeitsmarkt ist trotz einer fortschreitenden Erholung nach dem Höhepunkt der Corona-Krise im Frühjahr noch immer meilenweit von Vollbeschäftigung entfernt: Die Erwerbslosenquote ging zuletzt weiter zurück, ist mit 8,4 Prozent für US-Verhältnisse aber immer noch sehr hoch.
Fed-Direktorin Lael Brainard hatte Anfang des Monats signalisiert, dass die Notenbank bereits "in den kommenden Monaten" neue Konjunkturhilfen auf den Weg bringen könnte. Da die wirtschaftliche Erholung wohl noch eine Zeit lang auf Gegenwind durch die Pandemie treffen werde, müsse die Fed auf einen stärker konjunkturstimulierenden Kurs umschwenken. Die Fed hat in der Coronakrise unter anderem zahlreiche Kreditprogramme aufgelegt und den Leitzins auf die Spanne zwischen null und 0,25 Prozent gesenkt, um der Wirtschaft aufzuhelfen. Brainards Äußerungen lösten Spekulationen aus, dass sich die Fed nach den am 3. November anstehenden US-Wahlen zu neuen Maßnahmen durchringen könnte.
Mit dem Strategieschwenk hat die Fed laut BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels die Weichen für eine anhaltend laxe Geldpolitik gestellt: "Sie wird versuchen, die Zinsen für eine lange Zeit sehr, sehr niedrig zu halten." In einer Phase, in der sich die Wirtschaft erhole und die Inflationsraten unter Umständen nach oben gehe, werde sie nicht unmittelbar mit Zinsanstiegen eingreifen.
Fed-Vizechef Richard Clarida habe dazu bereits einen Fingerzeig gegeben: Demnach wird die US-Notenbank nur noch dann auf einen gut laufenden Arbeitsmarkt mit Zinsanhebungen reagieren, wenn ein Preisauftrieb nicht absehbar, sondern sichtbar ist. Dies klingt ein wenig nach Wortspielerei, ist jedoch ein Hinweis darauf, dass sich die Fed von Inflation nicht mehr so schnell aus der Reserve locken lassen wird.
"QUASI EIN FREIFAHRTSCHEIN"
Die US-Notenbank hatte ihr Ziel Vollbeschäftigung bereits erreicht, doch haben die Corona-Krise und die dadurch losgetretene Welle von Entlassungen Massenarbeitslosigkeit ausgelöst. Bei der Inflation hat sie das Ziel von zwei Prozent jedoch über weite Strecken nicht erreicht - wohl auch, weil der Trend zur Digitalisierung und zum Online-Geschäft dem Preisauftrieb entgegenwirkt.
Mit dem Strategieschwenk stelle sich die Fed "quasi einen Freifahrtschein" für eine ultralockere Geldpolitik auf unbestimmte Zeit aus, meint Adolf Rosenstock, volkswirtschaftlicher Berater von MainSky Asset Management. Eine weniger expansive Geldpolitik dürfte seiner Meinung nach erst dann ein Thema werden, wenn die Inflation nach altmodischer Definition galoppiere.
Das hat es aber schon seit langer Zeit nicht mehr gegeben: Laut Berechnungen von Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner beläuft sich die durchschnittliche US-Inflationsrate seit November 2008 auf nur 1,5 Prozent: Die neue Strategie eines durchschnittlichen Inflationsziels erfordere, dieses Unterschreiten in den nächsten Jahren allmählich wieder auszugleichen: "Die Schlussfolgerungen liegen auf der Hand: Die Geldpolitik wird expansiv bleiben."
rtr