Das Präsidium des Aufsichtsrats werde sich mit den Vorwürfen befassen, sagten Insider. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt kündigte nach einem Treffen mit Winterkorn an, er wolle sämtliche Diesel-Modelle des Autobauers auf dem deutschen Markt durch unabhängige Gutachter streng überprüfen lassen.

Aus Sorge über milliardenschwere Strafzahlungen trennten sich Anleger zu Wochenbeginn in Scharen von VW-Papieren. Die Aktie brach um bis zu 23 Prozent auf 125,40 Euro ein. Mit dem größten Kurssturz seit 21 Jahren verlor der Wolfsburger Autokonzern rund 17 Milliarden Euro an Börsenwert. Das ist mehr als die gesamte Marktkapitalisierung des Kosmetikkonzerns Beiersdorf.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sprach von einem "schlimmen Vorfall". Man müsse sich um den exzellenten Ruf von VW und den anderen Auto-Herstellern sorgen. Auch aus von US-Regierung kamen kritische Stimmen. Man sei "erheblich besorgt" über den Vorfall, sagte ein Sprecher des US-Präsidialamts. Die Aufklärung obliege aber der US-Umweltbehörde.

Erste Analysten sowie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordern bereits einen personellen Neuanfang an der Konzernspitze. Winterkorns Vertrag soll eigentlich auf der Aufsichtsratssitzung am Freitag vorzeitig um zwei Jahre bis Ende 2018 verlängert werden. Denn der 68-Jährige soll den von ihm angestoßenen Konzernumbau begleiten.

Autoanalyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI geht davon aus, dass der Abgas-Skandal weitere Veränderungen im VW-Management auslösen könnte. "Entweder Winterkorn wusste von dem Vorgehen in den USA oder es wurde nicht an ihn berichtet", sagte er. Im ersten Fall müsse Winterkorn sofort zurücktreten. Im zweiten Fall müsse man genau fragen, wieso ein solch weitreichender Verstoß nicht an ihn berichtet wurde - auch dann sollte es für Winterkorn eng werden.

VW sei der Konzern mit dem weltweit größten Forschungsbudget und habe sich in den USA wie eine Hinterhofwerkstatt benommen, die mit Manipulationen einen Gebrauchtwagen durch die Abgas-Inspektion bringen wolle, sagte Ellinghorst. Betriebsratschef Bernd Osterloh sagte, er stehe zu Winterkorn. Wenn Winterkorn persönlich für den Abgas-Skandal verantwortlich wäre, würde der Vorstandschef zurücktreten.

MILLIARDENSTRAFE DROHT



Die US-Umweltschutzbehörde EPA verdächtigt VW, bei fast einer halben Million Diesel-Fahrzeugen die Abgasvorschriften vorsätzlich umgangen zu haben. Volkswagen droht damit eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar. Die EPA will weitere Diesel-Fahrzeuge auf den Prüfstand stellen. Winterkorn hatte sich am Wochenende für den Verstoß entschuldigt und eine externe Untersuchung angekündigt. Daneben dürfte der Konzern für die Nachbesserung beziehungsweise Rücknahme der manipulierten Fahrzeuge zur Kasse gebeten werden. Zudem drohen Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe. Auch dürften die Autoverkäufe in den USA, die sich zuletzt stabilisiert hatten, wegen des Imageverlusts unter Druck geraten.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht bei VW den Tatbestand der "vorsätzlichen Körperverletzung" erfüllt, weil die betroffenen Fahrzeuge absichtlich bis zu 40 mal mehr hochgiftige Diesel-Abgasgifte ausgestoßen hätten als erlaubt. Die DUH fordert daher Winterkorns Rücktritt und eine lückenlose Offenlegung durch den Aufsichtsrat, ob weitere Diesel-Pkw mit einer Software zur Abgas-Manipulation ausgerüstet und weitere Länder betroffen seien.

Auch andere Hersteller setzten nach Einschätzung der DUH insbesondere in Europa Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung ein, um noch mehr Leistung aus den Motoren herauszuholen. Daimler erklärte, man sei nicht von den Ermittlungen der US-Umweltbehörde betroffen. Bei BMW hieß es, die US-Behörde habe ein Dieselmodell getestet und keine Verstöße festgestellt.

Die Bundesregierung fordert von den Autoherstellern Klarheit, ob eine Manipulation von Abgaswerten auch über die USA hinaus möglich ist. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums forderte den Konzern auf, bei der Aufklärung eng mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten. Klarheit forderte auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der im VW-Präsidium sitzt. Niedersachsen ist der zweitgrößte Anteilseigner des Wolfsburger Autobauers.