Der künftige Konzernchef Herbert Diess soll die Führungsstruktur am Freitag im Aufsichtsrat erläutern. Dabei seien weitere Personalentscheidungen möglich, sagte ein anderer Insider. Volkswagen äußerte sich dazu nicht.

Der weltgrößte Autobauer hatte am Dienstag überraschend mitgeteilt, die Führungsstruktur neu ordnen zu wollen, aber keine Namen genannt. Seit zweieinhalb Jahren kämpft der Konzern mit den Folgen des Dieselskandals. Müller, seit September 2015 als Aufräumer im Amt, war zuletzt durch etliche missverständliche Interview-Aussagen in die Schlagzeilen geraten - offenbar auch zum Missfallen der Eignerfamilien. Nun will Volkswagen mit einem personellen Neuanfang wieder in die Offensive kommen.

Insidern zufolge wird der bisherige VW-Markenchef Diess, der einst von BMW kam und bei VW inzwischen bestens vernetzt ist, am Freitag zum neuen Chef gekrönt. Und der 59-Jährige dürfte sogar über eine breitere Machtbasis verfügen als Müller: In Wolfsburg wurde damit gerechnet, dass Diess die Marke VW neben seiner künftigen Funktion als Konzernchef zunächst behalten wird. Damit würde Volkswagen zu einer Konstruktion zurückkehren, die unter dem einstigen Konzernchef Martin Winterkorn - dem Vorgänger Müllers - galt. Die Doppelfunktion liefe allerdings jener dezentraleren Führung entgegen, die Müller eingeführt hat. Ein möglicher Kompromiss wäre, den Zuschnitt des Postens als Konzern-CEO zu verändern und Verantwortung auf andere Ressorts zu verteilen, hieß es in Konzernkreisen.

NOCH MEHR MITBESTIMMUNG?

Spannend ist Beobachtern zufolge auch die Personalie Kilian. Sollte er tatsächlich in den Vorstand aufrücken, hätte der mächtige Betriebsratschef Osterloh nach Meinung von Experten einen noch stärkeren Einfluss, als er durch die bei Volkswagen besonders ausgeprägte Mitbestimmung ohnehin schon hat. Vor allem angelsächsische Investoren kritisieren seit langem die Macht der Arbeitnehmer und der Politik bei Volkswagen. Das Land Niedersachsen ist nach der Familienholding Porsche SE zweitgrößter VW-Aktionär. Befürworter des Modells machen dagegen geltend, dass der Konzern gerade wegen der Mitbestimmung besonders stabil sei.

Allerdings gilt Volkswagen wegen der oft widerstreitenden Interessen der verschiedenen Marken als schwer zu steuern. Das haben schon frühere Vorstandschefs zu spüren bekommen und deshalb versucht, den Konzern durch eine Neustrukturierung flexibler und überschaubarer zu machen. Diess könnte als neuer Chef die Idee der sogenannten Markenwelten wiederaufleben lassen. Schon Winterkorn hatte mit einem solchen Modell experimentiert, das einst von seinem Vorgänger Bernd Pischetsrieder entwickelt wurde. Umgesetzt wurde es bisher nicht. Der Aufsichtsrat von Volkswagen will am Freitag auch über den immer wieder diskutierten Konzernumbau beraten.

UMWELTHILFE ÜBER DIESS: "KEIN ZEICHEN FÜR EINE ERNEUERUNG"

Während Börsianer mit der Neubesetzung der Konzernspitze die Hoffnung auf einen Aufbruch bei Volkswagen verbinden, löste die Personalie bei Umweltschützern keine Begeisterung aus. "Wir betrachten die Entscheidung für Herrn Diess als kein klares Zeichen, dass man eine Erneuerung will", kritisierte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch in Berlin. "Herr Diess ist langjährig verantwortlich für Abschalteinrichtungen, zuerst bei BMW, nun auch bei VW. Wir hätten uns gewünscht, dass eine unbelastete Person tatsächlich aufräumt, denn VW hat die größten Probleme in seinem Konzern."

Es sei nun zu befürchten, dass Volkswagen seine harte Haltung gegen Hardware-Nachrüstungen älterer Dieselautos beibehalten werde. Seine Hoffnung sei, dass die neue Bundesumweltministerin sich der Automobilindustrie in den Weg stelle, betonte Resch.

rtr