Über die neue Führungsstruktur soll der Aufsichtsrat am Freitag beraten, wie mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Das Land Niedersachsen als zweitgrößter VW-Eigner und der Betriebsrat äußerten sich nicht. An der Börse sorgte die Aussicht auf Veränderung für gute Stimmung: VW-Aktien legten 4,5 Prozent auf 171,58 Euro zu.
Der plötzliche Chefwechsel käme allerdings überraschend: Eigentlich läuft Müllers Vertrag noch bis 2020. VW erklärte, der 64-Jährige habe seine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, an den Veränderungen mitzuwirken. Derzeit sei offen, ob die Überlegungen über eine neue Struktur zu Ergebnissen führen werde. Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch führe Gespräche mit verschiedenen Mitgliedern des Kontrollrats und des Vorstands. Müller führt den Konzern mit zwölf Marken seit September 2015, als der damalige Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn wegen der Dieselaffäre zurücktreten musste.
Müller trieb seither die Aufklärung des Dieselbetrugs voran, der den Konzern bereits mehr als 25 Milliarden Euro kostete. Schon bei seinem Amtsantritt ließ der passionierte Tennisspieler erkennen, dass er sich nur schwer von seinem liebgewordenen Amt als Porsche-Chef trennen konnte, um nach Wolfsburg zu wechseln. Als Konzernchef begann Müller dann mit dem Umbau des Unternehmens, das der frühere Konzernchef und spätere Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piech zu einem Imperium mit zentraler Führung aufgebaut hatte. Die einzelnen Regionen erhielten durch Müller mehr Mitsprache in der Modellpolitik, die Marken bekamen mehr Eigenständigkeit.
Der versprochene "Kulturwandel" kam jedoch nicht so schnell voran wie erhofft. Hinzu kamen immer wieder Skandale. Wenn der Volkswagen-Chef den Konzern gerade in etwas ruhigerem Fahrwasser wähnte, kündigte sich schon das nächste Desaster an. Müller musste dann wieder Schadensbegrenzung betreiben. Das zehrte auch an ihm persönlich. Als dann auch noch die fragwürdigen Abgastests mit Affen bekannt wurden, machte sich bei Müller Frust breit. Der Konzernchef verliere inzwischen die Lust, sagte eine mit den Vorgängen im Top-Management vertraute Person Anfang Februar zu Reuters. Er werde seinen Vertrag aber erfüllen, hieß es damals. Zu Müllers wachsendem Unmut dürfte auch beigetragen haben, dass die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen wegen des Abgasskandals immer wieder vor der Tür stand.
Müller hat schon vor längerem angekündigt, Randbereiche zu überprüfen, um das Riesenunternehmen überschaubarer zu machen. Dass der Umbau nicht so rasch vorankommt, wie viele erwartet haben, liegt auch daran, dass die Eignerfamilien Porsche und Piech auf der Bremse standen.
KOMMEN DIE MARKENWELTEN?
Die Ankündigung von Volkswagen, dass Veränderungen der Führungsstruktur auch mit Änderungen bei den Ressortzuständigkeiten im Vorstand verbunden wären, lässt nach Meinung von Konzernkennern erwarten, dass Volkswagen einen größeren Konzernumbau angehen will. Dazu soll auch ein Börsengang der Lkw-Sparte gehören, für den Insidern zufolge derzeit Vorbereitungen getroffen werden. Auch dies soll einem Eingeweihten zufolge am Freitag Thema im Aufsichtsrat sein.
Bei den Plänen für einen Konzernumbau könnte auch die Idee der so genannten Markenwelten aufleben, wie zuletzt immer wieder aus Unternehmenskreisen zu hören war. Der Konzern gilt trotz der von Müller eingeleiteten Veränderungen immer noch als zu schwerfällig. Bei der Bündelung müsse darauf geachtet werden, dass keine Synergien verloren gingen, betonen Insider. Unklar ist noch, wie die neue Struktur aussehen könnte. Schon der frühere Konzernchef Winterkorn hatte mit einem solchen Modell experimentiert, das einst von seinem Vorgänger Bernd Pischetsrieder entwickelt wurde. Anfangs sollte eine Premiumgruppe mit Audi, Bentley, Bugatti und Lamborghini und eine Gruppe mit den Volumenmarken VW, Skoda und Seat zusammengefasst werden. Später wurde überlegt, bestimmte Marken nach dem jeweiligen Baukastenprinzip zusammenzufassen, das sie verwenden.
rtr