Alles wird umgekrempelt: Bis 2023 will Herbert Diess - seit April vergangenen Jahres Chef von VW - den in Verruf geratenen Autobauer in einen "Digital- und Elektrokonzern" umwandeln. Danach endet seine Amtszeit, verlängern will er nicht. Bislang nicht.

Diess ist ein Aufsteiger, Spross einer Arbeiterfamilie, die aus dem Salzburger Land nach München zog. Mittlere Reife, zweiter Bildungsweg, so sein Werdegang. Dann Studium Fahrzeugtechnik sowie Maschinenbau, Abschluss als Di­plom-Ingenieur, Promotion. Über Stellen an der TU München und Bosch kam er dann zu BMW, wo er es nach elf Jahren in den Vorstand schaffte. Pikant: Schon dort setzte er sich vehement für die Entwicklung von Elektroautos ein.

2014 dann der Wechsel zu Volkswagen. Ein ganz anderes Kaliber: Der Dieselskandal hatte seinen Vorgängern den Kopf gekostet, der Betriebsrat ist mächtig, die Eigentümerfamilien Piëch und Porsche lautstark. Da kracht es bisweilen. Insgesamt hat er den Laden aber im Griff.

Obwohl - oder vielleicht weil - Diess recht gern aneckt. Anecken muss. Intern im Konzern. Aber auch nach außen: In einer TV-Talkshow umschrieb Diess die Dieselthematik nicht wortreich, sondern sprach offen von "Betrug", die Politik watscht er wegen des frühen Atomausstiegs ab, und die Öffentlichkeit irritiert er mit Plänen, ein VW-Werk in der Türkei errichten zu wollen.

Seine Gefährtin
Mit Ehefrau Irene - hier zu sehen in Salzburg bei der "Audi Night 2015" - und seinem Sohn Andreas hat Diess vor gut sechs Jahren im Münchner Glockenbachviertel die Tapas-Bar "Itxaso" eröffnet. Nicht zufällig: In den 1990ern leitete der perfekt Spanisch sprechende Diess für Bosch eine Fabrik für Lichtmaschinen in der nordspanischen Region Kantabrien. Dort besitzt die Familie ein Haus, wo sie gern Urlaub macht.

Sein Kontrahent
Gerade ist Oliver Zipse als Chef bei BMW angetreten. Dort muss er sich dringend um eine neue Strategie für den Bereich E-Mobilität kümmern. Ausgerechnet der jetzige Konkurrent Diess hatte sich als BMW-Vorstand zwischen 2007 und 2014 massiv für Elektroautos eingesetzt, ehe Zipses Vorgänger Harald Krüger den raschen Ausbau der Elektroflotte zugunsten von Hybrid-Modellen stoppte.

Seine Widersacher
Diess wollte ein drastisches Sparprogramm durchsetzen. Bernd Osterloh, Chef des Betriebsrats, stellte sich quer. Gekürzt wird weit weniger als erhofft, und Osterloh setzte gar eine Verlängerung der Beschäftigungsgarantie bis 2029 durch. Gleichzeitig hat Diess ­ordentlich zu kämpfen mit Altlasten seines Vorvorgängers Martin Winterkorn. Dass der jetzt in den USA unter Anklage steht, darf Diess nicht kommentieren - Maulkorb!

Sein Kompagnon
Für die Fertigung von Batteriezellen hat sich Diess mit dem schwedischen Start-up Northvolt zusammengetan. Gründer Peter Carlsson stand einst im Dienst des Elektropioniers Tesla. In Schweden baut er jetzt eine Zellfabrik mit einer jährlichen Kapazität von 32 Gigawattstunden. In Salzgitter soll ein weiteres Werk entstehen.

Seine Unterstützer
Er findet die Strukturen bei VW "verkrustet": Wolfgang Porsche, Aufsichtsrat sowie Sprecher der Eigentümerfamilien Piëch und Porsche. Der Betriebsrat habe zu viel Einfluss. Den Vorstandschef unterstützt er: "Diess ist einer, der Druck macht, und das ist wichtig." Über Porsche-Chef Oliver Blume heißt es, er halte den VW-Konzern zusammen. Er gilt bereits als die starke Nummer 2 hinter Vorstandschef Diess.