Die Wolfsburger verdienten aber immer noch mehr als erwartet und mussten zudem ihre Jahresziele nicht eindampfen, anders als die Rivalen Daimler und BMW und große Zulieferer wie Continental und Schaeffler. Die Anleger reagierten erleichtert. Die VW-Aktie stieg am Dienstag um bis 5,1 Prozent und steuerte damit auf den größten Tagesgewinn seit zweieinhalb Jahren zu.

"Volkswagen ist robuster als die meisten seiner Konkurrenten", sagte Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Er rechnet damit, dass der Konzern in den nächsten Jahren wieder Fahrt aufnimmt, sollte China die Steuern auf Autokäufe tatsächlich senken. Piepers Kollege Arndt Ellinghorst vom Londoner Investmentberater Evercore ISI ergänzte: "Die zeigen Stärke in schweren Zeiten." Dabei seien die Erfolge der laufenden Restrukturierung noch gar nicht richtig eingeflossen.

Volkswagen-Chef Herbert Diess hat den Konzern neu gegliedert und die Pkw-Marken in verschiedenen Gruppen gebündelt. Das Lkw-Geschäft wird unter dem Namen Traton fit für einen Börsengang gemacht. Durch die Neuaufstellung soll der Konzern wendiger werden. Gleichzeitig erntet Volkswagen erst jetzt die Früchte seiner vor einigen Jahren eingeführten Baukastenstrategie, die das Unternehmen nach Meinung von Experten widerstandsfähiger macht und bei der Rendite hilft. Dadurch hat der Konzern ausreichend finanzielle Mittel, um den Wandel zu einem modernen Mobilitätsdienstleister zu bewältigen und zugleich die hohen Kosten der selbst verschuldeten Dieselaffäre zu schultern. "VW kann drohende Regressforderungen von zehn bis 20 Milliarden Euro relativ gut wegstecken, weil man in den nächsten Jahren sicherlich auch zweistellige Milliardenbeträge operativ verdienen wird", ist Frank Schwope von der NordLB überzeugt.

Erleichterung gab es auch an anderer Stelle: Ex-Audi-Chef Rupert Stadler kommt nach vier Monaten aus der Untersuchungshaft frei. Das Oberlandesgericht München setzte den im Dieselskandal erlassenen Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug.

PARTNERSCHAFTEN BEI SELBSTFAHRENDEN AUTOS DENKBAR

Im dritten Quartal schrumpfte der Betriebsgewinn vor Sondereinflüssen wegen der Kosten bei der Einführung des europäischen Abgasmessverfahrens WLTP um 18,6 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro. Analysten hatten allerdings mit einem noch geringeren Betriebsgewinn gerechnet. Der Umsatz erhöhte sich leicht auf rund 55 Milliarden Euro und lag damit ebenfalls über den Erwartungen. Volkswagen war mit der Umstellung auf WLTP nicht hinterhergekommen und hatte deshalb im September einen schmerzhaften Verkaufsrückgang verbucht. Bis zum Jahresende soll das aber wieder wettgemacht werden. Die Nettoliquidität schrumpfte per Ende September um fast drei Prozent auf rund 25 Milliarden Euro. Die Kosten für Strafen, Vergleiche und Bußgelder sowie Rückstellungen für Anwaltskosten im Zusammenhang mit "Dieselgate" türmen sich inzwischen auf über 28 Milliarden Euro.

Vor diesem Hintergrund bleibt Finanzvorstand Frank Witter auf der Hut. Erstmals ließ er erkennen, das VW etwa bei der Entwicklung von selbstfahrenden Autos Partnerschaften nicht mehr abgeneigt ist, um Geld zu sparen. "Es ist kein Geheimnis, dass das eine sehr teure Geschichte ist, das zu entwickeln und dass es schon den ein oder anderen gibt, der weit fortgeschritten ist", sagte er während einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Als Beispiel nannte Witter die Google-Tochter Waymo, die Roboterautos bereits auf Straßen in den USA testet. Entschieden sei aber noch nichts. Es sei auch denkbar, dass Volkswagen den selbstentwickelten Baukasten für Elektroautos (MEB) anderen Herstellern zugänglich mache. Im November kommt der Aufsichtsrat zusammen, um die Investitionen und Projekte der kommenden Jahre zu besprechen.

Zu den wichtigsten Vorhaben zählt auch der Einstieg in eine eigene Batteriezellenfertigung. Insidern zufolge planen die Wolfsburger eine milliardenschwere Partnerschaft mit dem koreanischen Batteriezellenhersteller SK Innovation. VW muss - wie andere Hersteller auch - die Produktion von batteriegetriebenen Autos in den kommenden Jahren kräftig ausweiten, um die schärferen Klimavorgaben zu erfüllen. Sonst drohen hohe Strafzahlungen. Mit der Allianz will der Konzern unabhängiger von Lieferanten aus Asien werden.

rtr