Der Experte für Erbrecht und Erbschafsteuerrecht zieht Bilanz Von Stefan Rullkötter



BÖRSE ONLINE: Wie bewerten Sie die Erbschaftsteuerreform nach einem Jahr in der Rechtspraxis?


Anton Steiner: Es zeichnet sich das ab, was zu erwarten war: Die Erbschaftsteuerreform hat alles noch komplizierter gemacht, ohne dass irgendwer davon einen greifbaren Nutzen hätte. Die Unternehmen haben einen enormen Planungsaufwand mit entsprechenden Kosten, um die Steuerbefreiungen im Erb- oder Schenkungsfall sicherzustellen. Die Finanzverwaltung steht vor einer kaum zu bewältigenden Kontrollaufgabe, und dies ohne dass nennenswerte Steuermehreinnahmen zu erwarten wären.

Ein Kernpunkt der Reform waren Unternehmensübertragungen auf die nächste Generation, bei denen durch Erbschaftsteuerlast keine Arbeitsplätze verloren gehen sollen. Wo gibt es in der Praxis Probleme?


Die bereits bestehenden Normenprobleme wurden nochmals verschärft, insbesondere die Bewertung von Betrieben - und die Abgrenzung zwischen dem nach Ansicht des Gesetzgebers "bösen" Verwaltungsvermögen und dem "guten" Produktivvermögen. Besonders bitter ist die Erbschaftssteuer auch für Immobilien Eigentümer, vor allem in Gegenden mit hohen Immobilienpreisen, weil dort die Freibeträge sehr schnell überschritten sind und die Erben daher regelmäßig Liquiditätsprobleme haben, um die Steuer zu zahlen.

Sie haben wiederholt eine Erbschaftsteuer-Flatrate- mit einen niedrigen Einheitssteuersatz ohne Freibeträge - auf die politische Agenda gebracht. Ist Ihr Vorschlag noch aktuell?


Der Vorschlag ist nach wie vor aktuell - und die einzig praktikable Lösung für einen Weg aus der bestehenden Misere. Der Gesetzgeber will besteuern, zugleich aber niemanden zwingen, dass er sein Unternehmen verkaufen muss, wenn er es erbt oder geschenkt erhält.

Welche Folgen hätte die Einführung einer Flatrate konkret?


Geringe Steuersätze, wie sie das Deutsche Forum für Erbrecht fordert, entschärfen Bewertungsdiskussionen, machen teure Umgehungskonstruktionen unattraktiv und führen im Ergebnis dazu, dass der Fiskus mindestens so viel Geld einnimmt wie bisher. Kombiniert mit Stundungsregelungen führt dies dazu, dass niemand im Erbfall sein Unternehmen oder auch eine Immobilie verkaufen muss. Stattdessen haben wir jetzt hohe Steuersätze, die aber für viele Vermögensgruppen - wie etwa Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliche Vermögen - nur auf dem Papier stehen.

Können Sie der Erbschaftsteuer-Reform auch positive Aspekte abgewinnen?


Nein! Ziel der Reform war es, sehr große Unternehmensvermögen zur Erbschaftssteuer heranzuziehen. Daher wurde eine Grenze bei einem Unternehmenswert von 26 Millionen Euro gesetzt. Diese Grenze lässt sich aber leicht umgehen, so dass nicht einmal dieses Ziel erreicht wurde.

Die Erbschaftsteuer wir als Teil der "Gerechtigkeits-"Debatte auch im Bundestagswahlkampf breit diskutiert. Ist das Thema dafür geeignet?


Nein. Eine bezahlbare Erbschaftsteuer ist ein wichtiger Standortfaktor für unsere Wirtschaft und sollte nicht für Neiddiskussionen missbraucht werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass beispielsweise Österreich die Erbschaftsteuer schon vor längerem abgeschafft hat. Die Erbschaftssteuer in der bisherigen Form hinterlässt allerdings tatsächlich eine gewaltige Gerechtigkeitslücke: faktisch ist sie eine reine Mittelstandssteuer, kleine Erbschaften werden wegen der Freibeträge - richtigerweise - nicht belastet, sehr große Erbschaften können sich in die Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen flüchten, wenn man beispielsweise mit mehr als 25 Prozent an einem DAX-Konzern beteiligt ist.

Zur Person: Anton Steiner ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht in München. Er ist Präsident des 1996 gegründeten Deutschen Forums für Erbrecht, einer Vereinigung von 470 Erbrechtsexperten.