von Marc-Oliver Lux von der Vermögensverwaltung Dr. Lux & Präuner

Er gehört zu den Giganten des Finanzmarktes: Charles Dow. Der Mann hat sich vor 120 Jahren große und unzweifelhafte Verdienste um den Finanzmarkt erworben. Er gründete das "Wall Street Journal" und erfand den ersten Index, den Dow Jones Industrial Index, bis heute eines der meistzitierten Börsenbarometer der Welt. Das dritte Standbein seiner Berühmtheit, die sogenannte Dow-Theorie, wird dagegen heute eher belächelt. Die meisten Wissenschaftler tun sie als Anlagerezept aus der Frühzeit der Finanzmärkte ab. Doch so einfach ist es nicht.

Dow hat aus seiner Erfahrung die These aufgestellt, dass sich Finanzmärkte zyklisch verhalten, Phasen der Ebbe solchen der Flut folgen. Er hat Indizien gesammelt, die Börsianern einen möglichen Phasenwechsel frühzeitig anzeigen. Dows Theorie enthält drei Elemente, die aus heutiger wissenschaftlicher Sicht allesamt kontraproduktiv erscheinen, bei Praktikern aber seit 200 Jahren hoch im Kurs stehen. Die drei Elemente sind: aktives Handeln, antizyklisches Investieren und regelbasiertes Anlegen.

Die moderne Finanzmarkttheorie folgert aus der angenommenen Vollkommenheit der Märkte, dass Anleger am besten in passive Indexprodukte investieren und an dieser Mischung möglichst nichts mehr ändern sollten. Aktive Auswahlstrategien tut sie nicht nur auf der Ebene der Einzelwerte (taktische Asset-Allokation), sondern auch auf der der Vermögensklassen (strategische Asset-Allokation) als teuren Unfug ab. Dow hätte dem nicht zugestimmt. Denn ganz grundsätzlich ist die Zusammensetzung eines Finanzmarktes, eines Index, das Resultat vieler aktiver Investoren. Passive Investoren können keine aktiven ersetzen, sie können immer nur Trittbrettfahrer sein. Mag sein, dass Investoren gut daran tun, etwa bei der Titelauswahl in der Anlageklasse "Deutsche Aktien" lieber auf einen ETF zu setzen. Wer aber sagt, welche Assetklassen, deutsche Aktien, türkische Anleihen, US-Nebenwerte etc. wann wie stark zu berücksichtigen sind?

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Das zweite Element der Dow-Theorie, das uns gefällt, ist deren antizyklisches Element. Dow hat nach Anzeichen von Stimmungswechseln an der Börse gesucht, die sich im Rauschen des Börsenstromes zeigen. Er hat Indikatoren wie etwa die Gewinner-Verlierer Ratio benannt, die Anlegern das baldige Ende einer Aufschwungphase anzeigen und Verkaufssignale bieten kann, wenn der Index insgesamt noch steigt. Auch darin zeigte sich der erfahrene Börsianer, der in Krisenzeiten Anleger wie die Lemminge stürzen sieht. Alte Hasen misstrauen den "neuesten" Erkenntnissen und den Stimmungen an den Börsen, den euphorischen Meldungen von immer neuen Kurszielen ebenso wie den niederschmetternden Nachrichten katastrophaler Kursentwicklung.

Was Dows Theorie vielleicht noch wertvoller macht, ist ein Moment, das in Buy-and-Hold-Strategien moderner Prägung ebenfalls keine Rolle mehr spielt: die Angabe von Kauf- und Verkaufsregeln. Für regelbasiertes Anlageverhalten hat die moderne Finanzmarkttheorie keinen Platz. In einem Umfeld, in dem alle Akteure mit ihren Informationen vollkommen rational umgehen, ist die Maximierung der Informationsgewinnung und die Optimierung des Entscheidungsmodells bis zur letzten Sekunde immer richtig. Sich vorab auf Kauf- und Verkaufssignale festlegen zu lassen, erscheint aus Sicht der Volkswirtschaftslehre töricht.

Doch erfahrene Praktiker schätzen sehr wohl regelbasiertes Anlegen. Denn sie wissen, wie wichtig es ist, den Stimmungsschwankungen, der Angst, der Gier und den Psychofallen am Markt eine wohlbegründete Handlungsanleitung entgegenzusetzen, die bewährte Erkenntnisse umsetzt, wenn der Bauch gerade etwas ganz anderes will. Vor 120 Jahren haben die Finanzmärkte grundsätzlich nicht anders funktioniert als heute. Deshalb sind Dows Erkenntnisse immer noch aktuell, selbst wenn sie konträr zur der fatalen Passivität liegen, die die Finanzwissenschaft derzeit lehrt.

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Marc-Oliver Lux

Lux ist Geschäftsführender Gesellschafter der Grünwalder Vermögensverwaltung Dr. Lux & Präuner. Der promovierte Volkswirt ist in Deutschland bekannt als ein Verfechter regelbasierter Anlagen. Sein Investmentansatz entstammt dem System des bekannten und erfolgreichen US-Assetmanagers Michael O’Higgins. Der Ansatz ist vollkommen prognosefrei und wird ausschließlich über ETFs (Indexfonds) abgebildet.