Herr Prof. Dudenhöffer, Audi-Chef Rupert Stadler sitzt seit Montag wegen Betrugsverdachts in der Abgasaffäre in U-Haft. Nun will der Volkswagen-Aufsichtsrat Berichten zufolge übergangsweise Vertriebsvorstand Bram Schot zum Nachfolger berufen. Ist das nach der Entwicklung in den vergangenen Wochen nicht alles viel zu spät?
Leider ist das viel zu spät. Der Aufsichtsrat hat sich mit seinem langen Festhalten an Stadler einen Bärendienst erwiesen. Auch hier stellt sich erneut die Frage, warum Wolfgang Porsche so lange über Stadler seine schützende Hand hielt. Naivität kann das sicher nicht gewesen sein.
Rupert Stadler ist im Zuge des jüngsten Konzernumbaus bei Volkswagen die Verantwortung für den gesamten Vertrieb im Zwölf-Marken-Reich übertragen worden. Damit ist seine Rolle ja sogar noch aufgewertet worden. Hat sich der neue VW-Chef Herbert Diess hier ein Eigentor geschossen?
Jeder der Konzernvorstände hat ja noch eine zweite Rolle bekommen. Das ist das Konzept der Matrix-Organisation, das man bei VW umgesetzt hat. Von daher wäre eine fehlende zweite Rolle für Stadler eher das Eingeständnis gewesen, dass man ihn abwertet und nicht mit ihm in die Zukunft will. Und das dürfte nicht im Sinne der Familie Porsche-Piëch gewesen sein.
Bleibt Stadler ihrer Einschätzung nach nun der ranghöchste amtierende Manager im Volkswagen-Reich, der in den Diesel-Strudel gerissen wird oder rechnen Sie damit, dass hier noch weitere Vorstände des Volkswagen-Konzerns ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten könnten?
Das ist jetzt schwer zu sagen. Wir kennen die Ermittlungsergebnisse ja nicht. Aber Stadler hatte ja seit zweieinhalb Jahren immer wieder mit negativen Meldungen um den Diesel im Fokus gestanden. Es war sehr unglücklich, wie sich das entwickelt hat. Meines Wissens hat Stadler viel stärker in den letzten beiden Jahren zu kämpfen gehabt als die anderen. Von daher ist derzeit kein weiterer "Blitzeinschlag" im Management erkennbar.
Im Rennen um Premium-Krone hat Audi gegenüber Mercedes-Benz und BMW zuletzt deutlich Boden verloren. Mit 20 neuen Modelle im laufenden Jahr wollte Audi eigentlich wieder in die Offensive kommen. Zugleich hat Stadler bei der jüngsten HV in Ingolstadt angekündigt, bei E-Autos die Nummer 1 im Premium-Segment werden zu wollen. Was bedeutet die Verhaftung Stadlers für diese Pläne und das Selbstbewusstsein der VW-Tochter?
Die Pläne und Umsetzungen laufen ohne Einschränkung weiter. Audi hat gute Karten, mit dem E-Tron und den folgenden Produkten eine gute Figur zu machen. In Deutschland wird man Audi Dieselgate nachtragen, in Europa nicht ganz so stark und in China interessiert das niemanden.
Wie kann das krisengeschüttelte Unternehmen Audi nun wieder in die Offensive kommen?
Die ideale Strategie wäre, Wiedergutmachung bei den Kunden und der Öffentlichkeit, sprich saubere Autos. Dazu müsste man Hardware-Nachrüstungen zertifizieren. Das wäre der Königsweg. Ich gehe aber nicht davon aus, dass man den wählt. Schade!!! Also muss man den Neuanfang mit einem neuen CEO und seiner Elektromobilitäts-Initiative gehen. Zusätzlich ist die Marke Audi gut bei autonomen Fahren unterwegs. Interessant wäre auch einen stärkeren Fokus bei Premium Mobility Services aufzubauen in Ergänzung zu MOIA.