BÖRSE ONLINE: Wie funktioniert das autonome Fahren?

Stefan Ebener: Die Autos selbst sind nicht intelligent, sondern werden trainiert. Bei Testfahrzeugen werden permanent Daten erhoben: Vom Radarsystem, Kameras, Ultraschallsensoren. Diese Daten werden in einem zentralen Pool abgespeichert. Darin werden sogenannte neuronale Netze trainiert. Das kann man sich vorstellen wie das Gehirn. Unterschiedliche Punkte sind miteinander vernetzt. Man trainiert das Netz dann so, dass man eine Erinnerung an eine Situation - beispielsweise eine Ampel, die von grün auf rot springt - bekommt. Die neuronalen Netze machen die Autos intelligent. Je mehr Testkilometer gefahren werden, je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto ausgereifter wird das neuronale Netz und desto zuverlässiger wird das Auto. NetApp stellt Plattformen bereit, um die Daten zu erfassen, in diesen Pool zu transportieren und innerhalb dieses Pools zu verwalten.

Der US-Elektroautobauer Tesla hat schon ziemlich viele Testkilometer gesammelt.

Tesla hat damit angefangen und sich damit gerühmt, mittlerweile über eine Million Testkilometer gefahren zu sein. Man muss das aber realitätsnah betrachten. Die Frage ist nämlich: Wann ist ein Auto zuverlässig? Dazu schaut man sich an, wie viele Kilometer ein Fahrzeug unfallfrei gefahren ist. Die Autobauer müssen dazu sehr viel simulieren. Das macht Tesla auch.

Audi ist mit seinem Staupilot im neuen A8 schon sehr weit. Welche Anbietern schaffen es, das autonome Fahren massentauglich zu machen?

Tesla ist am Stärksten, was das Marketing betrifft. Elon Musk, ein Silicon-Valley-Idol und viel mehr als ein gewöhnlicher Vorstandschef, treibt die gesamte Marke voran. Tesla ist aber nicht viel weiter als die anderen Autobauer. Die deutschen Hersteller haben das schon ein bisschen verpasst, und sich zu sehr auf ältere Technologien konzentriert. Aber, Tesla hat keine Altlasten. Die konnten ihre Ideen ausprobieren und haben nichts zu verlieren. Das System ist aber auch noch nicht ausgereift. Jetzt versuchen sie, die Massenproduktion anzuschieben und straucheln. Volkswagen-Chef Matthias Müller hat kürzlich betont, dass es doch einen Unterschied macht, ob man 100.000 Autos im Jahr baut, oder eine Million. Aber in Deutschland tut sich etwas: Die neue Mercedes S-Klasse fährt komplett autonom.

Das autonome Fahren wird in fünf Level unterteilt. Bei Level eins gibt es Assistenzsysteme, bei zwei Funktionen wie das automatische Einparken. Stufe drei ist die Hochautomatisierung, vier die Vollautomatisierung. Bei Level fünf ist gar kein Fahrer mehr erforderlich.

Stufe drei ist für alle erledigt. Für Level vier und fünf braucht man Technologien wie beispielsweise 3D-Maps: eine dreidimensionale Karte um das Auto, wo mit Algorithmen berechnet wird, wo das Auto fahren kann. Das ist sehr aufwändig. Im Februar hat deshalb der Zulieferer Bosch mit dem Chiphersteller Nvidia einen Supercomputer für das Auto vorgestellt. Bis Ende 2018 soll es die ersten Fahrzeuge mit Level vier geben.

Was kann dieser Supercomputer?

Der schafft es, 30 Billionen "Deep Learning Operations" in der Sekunde zu berechnen.

... die Leistungsfähigkeit von Computern wird in Deep Learning Operations angegeben. Je mehr ein Computer berechnen kann, desto schneller ist er...



Der Supercomputer berechnet diese neuronalen Netze in Echtzeit. Er macht die sogenannte Objektklassifizierung: Ist ein Objekt ein Fußgänger oder ein Zebrastreifen? Wie bewegt sich der Fußgänger? Und er erstellt Prognosen - wie wird sich ein Fußgänger bewegen? Dafür ist unglaublich viel Rechenleistung notwendig. Ein Auto ist ein Rechenzentrum auf Rädern.

Wie ist autonomes Fahren in Deutschland schon möglich?

Technisch ist die Stufe vier schon möglich, wie in der Mercedes S-Klasse. Selbstständig bremsen, beschleunigen, lenken - all das kann das Auto schon. Das Problem ist die Gesetzgebung. Der Fahrer muss im Auto sitzen, alle 30 Sekunden an das Lenkrad fassen und im Zweifel übernehmen.

Sind die Stufen vier und fünf dann rechtlich überhaupt erlaubt?

Dafür muss sich in Europa noch viel ändern. Wenn das autonome Auto etwa einen Unfall baut, ist der Fahrer rechtlich in der Pflicht. Solange es keine rechtliche Klarheit gibt, wird nie ein Auto der Stufe vier oder fünf auf der Straße fahren.

Welche Infrastruktur braucht es für das autonome Fahren?

In Deutschland gibt es einige ausgewiesene Teststrecken, beispielsweise auf der A9 zwischen München und Nürnberg. Für das eigentliche autonome Fahren wird jedoch keine Infrastruktur benötigt. Ein Auto muss sich auch dann autonom bewegen können, wenn es keine Verbindung beispielsweise zum Mobilfunknetz hat. Erst für neue Mobilitätsangebote wie positionsbezogene Informationen, alles rund um das sogenannte Connected-Car, wird dann auch eine Infrastruktur benötigt.

Welche Daten sammelt das Auto?

Ein Fahrzeug sammelt schon heute ein Vielzahl an Daten, wie den Verschleiß von Getriebe, Motor Bremsen. Dies sind insbesondere die Zulieferer, aber auch für Versicherer sehr interessante Daten. Hinzu kommen Daten aus Fabriken, öffentlich zugängliche Daten wie das Wetter. Über Plattformen wie von NetApp werden diese Daten miteinander vernetzt.

Wem gehören die vielen Daten, die das Auto sammelt?

Alle wollen die Daten haben.

… Fahrzeughalter, Hersteller, Zulieferer …

Aktuell gibt es in Europa keine eindeutige Rechtsprechung dazu. Wir haben eine rechtliche Grauzone. Momentan wird das über die AGBs geregelt. Das heißt, man kauft ein Auto, unterschreibt die AGBs und es ist geklärt, wem die Daten gehören - dem Autobauer.

Wie kann man mit den Daten Geld verdienen?



Über den sogenannten Aftermarket. Also Geld zu verdienen, nachdem das Auto verkauft worden ist. Nach Prognosen ist so über den Lebenszyklus des Fahrzeugs für den Autobauer nochmal das bis zu zweifache des Kaufpreises drin. Da gibt es die direkte Datenmonetarisierung. Mit seinem Fahrstil schafft ein Fahrer Daten, die der Autobauer dann analysiert. Wie beispielsweise Frauen in einer bestimmten Altersklasse, die einen 5er-BMW fahren, die Bremsen abnutzen. Diese Analysen verkauft BMW etwa an Bosch. Bei der indirekten Datenmonetarisierung geht es um die interne Optimierung. Mit den Daten der Fahrer versucht der Autobauer die Herstellungskosten für beispielsweise den Motor, der gerade entwickelt wird, zu senken. Bei der großen Skalierung - Volkswagen hat zuletzt eine Million Autos im Monat verkauft - verbessert es die Marge, wenn man nur zwei Schrauben weniger braucht.

Google kann riesengroße Datenmengen verarbeiten. Ist der US-Suchmaschinenanbieter der große Profiteur des autonomen Fahrens?

Google spielt in vielen Bereichen eine große Rolle, hat auch den finanziellen Hintergrund. Aber sie haben keine Erfahrung damit, Autos zu bauen. Sie versuchen mit ihren Softwareprogrammen ins Auto zu kommen und darüber wiederum Daten zu verarbeiten.

Wie kann ein autonomes Auto bei einem Unfall entscheiden, ob beispielsweise eine alte Frau oder ein Säugling überfahren wird?

Aus ethischen Gründen kann es keine Entscheidung geben und wir können solche Dinge auch nicht von Maschinen oder Algorithmen berechnen lassen.

Was, wenn sich ein Fahrer wirklich in einer solchen Situation befände - was macht das Auto dann?

Daimler hat sich im vergangenen Jahr als einer der Ersten klar zu diesem Thema geäußert: Der Schutz der Insassen kann klar definiert werden. Wie die anderen Autobauer das handhaben, ist unklar.

Deutschland ist in punkto Digitalisierung ein Entwicklungsland. Besteht nach dem autonomen Fahren in Deutschland überhaupt die Nachfrage?

Der Bedarf nach autonomen Fahren ist riesig. Bis das autonome Fahren flächendeckend - also bei mindestens 51 Prozent der Autos - da ist, wird es noch mindestens zehn Jahre dauern. Der Deutsche fährt sein Auto im Durchschnitt neun Jahre.

Sind die Deutschen nicht zu technikscheu?

Die Deutschen sind schon konservativ in Bezug auf neue Technologien. Im Fokus steht auch immer die Sicherheit. Das autonome Fahren ist auch eine Generationenfrage. Zeigt sich das Paradoxon von den drei Adaptionsthemen. Das bedeutet, dass man bis man circa acht Jahre alt ist, nimmt man die Welt als gegeben hin. Die Kinder heute gehen davon aus, dass jedes Handy ein Touchdisplay hat. Im Alter zwischen acht und 38 kann man jede Technologie, die auf den Markt kommt, erlernen und annehmen. Und ab 38 ist man eher skeptisch und lässt eine Technologie auch mal vorbeiziehen. Beispiel Snapchat: Bei den Jugendlichen das große Ding. Die Älteren werden nicht wirklich warm damit und nutzen den Dienst nicht. Die jüngere Generation, die den Führerschein vielleicht gar nicht mehr macht, wächst mit der neuen Technologie - dem autonomen Fahren - auf, und hinterfragt es gar nicht.

Fahrzeuge mit der Technologie des autonomen Fahrens sind sehr teuer. Wie kann das massentauglich werden?

Im Luxussegment ist das kein Thema. Aber in der Breite will das niemand bezahlen. Ein Mittelklassewagen, der jetzt 30.000 Euro kostet, würde dann 40.000 Euro kosten. Die Autobauer bringen das autonome Fahren also über Mobilitätsportale in die Masse.

... Mobilitätsportale wie Car2go ...

Die Autobauer stellen die Wägen - mit autonomen Features - bereit. Gezahlt wird pro gefahrenem Kilometer oder Minute. Die Kunden können dann das autonome Fahren ausprobieren. So senken die Autobauer die Schwelle von hohen Ausgaben für diese Technologie, bringen aber trotzdem viele solche Fahrzeuge auf die Straße.