Weil es offenbar nach wie vor viel Klärungsbedarf rund um den DAX-Vertreter gibt, fasst BÖRSE ONLINE zusammen, wie acht Analysten die jüngsten Nachrichten zu dem Finanzdienstleister sowie die weiteren Aussichten von dessen Aktien beurteilen.

Dieser Schuss ging gehörig nach hinten los. Die nach einer langen Wartezeit in dieser Woche endlich von der Wirtschaftskanzlei KPMG präsentierte Sonderprüfung zu den Bilanzierungs- und Geschäftspraktiken des Zahlungsdienstleisters Wirecard hat die Vorwürfe der Bilanzfälschung nicht vollständig ausgeräumt. Stattdessen muss jetzt unter anderem die Veröffentlichung des Geschäftsberichts für das Vorjahr verschoben werden.

Als Folge dieser Nachrichtenlage geht es beim Aktienkurs von Wirecard seit geraumer Zeit schon sehr volatil zu. In den vergangenen Wochen waren dabei die Ausschläge besonders heftig. So sackte die Notiz erst vom 12. Februar bis zum 19. März um 42,2 Prozent ab, nur um dann wieder bis zum 23. April um 69,2 Prozent zu steigen, bevor es anschließend dann in nur vier Handelstagen bis Mittwochabend im Xetra-Handel wieder um gut 36 Prozent nach unten ging.

Bei dem DAX-Titel geht es somit kursmäßig zu wie bei einer spekulativen Exoten-Klitsche. Das wiederum ist schlecht für das Nervenkostüm sehr vieler Anleger, denn Wirecard zählt nach wie vor zu den am meisten beobachteten Werten auf dem deutschen Kurszettel.

Laut JPMorgan-Analyst Sandeep Deshpande gibt es nach dem Bericht der Wirtschaftsprüfer von KPMG bei Wirecard weiter zu viele Unbekannte. Zwar gebe es keine Belege für die Vorwürfe der Bilanzmanipulation. Besorgniserregend sei aber, dass sich die KPMG-Experten veranlasst gesehen hätten, auf die fehlende volle Kooperationsbereitschaft des Unternehmens hinzuweisen. Der Report habe entscheidende Fragen offen gelassen, zitiert die Nachrichtenagentur DPA den JPMorgan-Experten.

BÖRSE ONLINE hat sich umgesehen, wie andere Analysten die Lage rund um Wirecard bewertet. Nachfolgend fassen wir die Einschätzungen von acht Research-Häusern zusammen. Das höchste Kursziel der berücksichtigten Analyten bewegt sich bei 240,00 Euro und die niedrigste Vorgabe bei 102,00 Euro. Das vergleicht sich mit einer Xetra-Schlussnotiz vom Mittwoch von 89,73 Euro.

NordLB - Halten mit Kursziel 102,00 Euro



Die NordLB hat das Kursziel von 102,00 Euro zwar unverändert gelassen, das Anlagevotum aber von Kaufen auf Halten gesenkt. Wie es von Seiten des dort zuständigen Analysten Wolfgang Donie heißt, hat Wirecard den verspäteten Sonderuntersuchungsbericht von KPMG zwar veröffentlicht und sieht demnach selbst keine Veranlassung zur Korrektur seiner Bilanzen 2016 bis 2018. Allerdings habe der Bericht insbesondere im Bereich Drittpartnergeschäft nicht alle erhobenen Vorwürfe entkräften können, vielmehr habe sich folgendes Fazit ergeben:

"Hinsichtlich der Höhe und Existenz der Umsatzerlöse aus den TPA-Geschäftsbeziehungen zwischen der Cardsystems Middle East, der Wirecard UK & Ireland sowie der Wirecard Technologies und den jeweils relevanten TPA-Partnern kann KPMG als Ergebnis der durchgeführten forensisch geprägten Untersuchungshandlungen in Bezug auf den Untersuchungszeitraum 2016 bis 2018 weder eine Aussage treffen, dass die Umsatzerlöse existieren und der Höhe nach korrekt sind, noch die Aussage treffen, dass die Umsatzerlöse nicht existent und in der Höhe nicht korrekt sind. Insofern liegt ein Untersuchungshemmnis vor. Ursächlich sind neben Mängeln in der internen Organisation insbesondere die fehlende Bereitschaft der Third Party Acquirer, umfassend und transparent an dieser Sonderuntersuchung mitzuwirken…".

Zwischenzeitlich pflege Wirecard die erforderlichen Daten selbst und habe für Dezember 2019 über 200 Millionen Datensätze zur Verfügung gestellt, aus deren Auswertung sich bislang keine Hinweise auf Diskrepanzen zwischen ausgewiesenen Umsatzerlösen und den Kontoständen ergeben hätten. Darüber hinaus habe KPMG von Wirecard bereits identifizierte Dokumentations- und Organisationsschwächen festgestellt, die seit 2019 mit Unterstützung externer Berater behoben worden seien. Die bereits einmal verschobene und für den 30. April neu terminierte Bilanzvorlage finde nicht statt. Es erfolge nun eine Abstimmung mit dem Wirtschaftsprüfer Ernst & Young, wann die Abschlussarbeiten unter Berücksichtigung des KPMG-Berichts und der Pandemiebedingten Einschränkungen abgeschlossen werden können.

Ein Freispruch sieht laut Donie anders aus. Zwar sei Wirecard bei einigen Vorwürfen entlastet worden, insbesondere im Drittpartnergeschäft seien diese aber weder bestätigt noch entkräftet worden. Der Zeitraum 2016 - 2018 bleibe ein schwarzes Loch. Neuen Vorwürfen blieben damit Tür und Tor geöffnet. Auf das operative Geschäft dürfte dies aber weiterhin nur wenig Einfluss haben. Wirecard sollte den dynamischen Wachstumskurs weiter fortsetzen können. Das Anlageurteil hat Donie wie erwähnt aber von Kaufen auf Halten gesenkt.

DZ Bank - Halten mit Kursziel 105,00 Euro



Sowohl Anlagevotum als auch Kursziel gesenkt hat bei den Wirecard-Aktien die DZ Bank. Und zwar von Kaufen auf Halten bzw. von 132,80 Euro auf 105,00 Euro. Wie der zuständige Analyst Harals Schnitzer schreibt, ist der endgültige KPMG-Bericht, der die Vorwürfe wegen angeblich finanzieller Unregelmäßigkeiten widerlegen sollte, verspätet veröffentlicht worden.

Laut dem Unternehmen seien keine belastenden Beweise für die Bilanzmanipulationsvorwürfe gefunden worden. In den Prüfungsbereichen - Drittpartnergeschäft (TPA) und Merchant Cash Advance (MCA) / Digital Lending sowie den Geschäftsaktivitäten in Indien und Singapur - seien keine wesentlichen Erkenntnisse gefunden worden, die zu einem Korrekturbedarf der Jahresabschlüsse für 2016, 2017 und 2018 geführt hätten. KPMG habe aber Dokumentations- und Organisationsschwächen festgestellt und könne zur Höhe und Existenz der Umsätze aus dem Drittpartnergeschäft in den untersuchten Jahren 2016 bis 2018 weder sagen, ob diese existieren und korrekt sind, noch, dass sie nicht existieren und nicht korrekt sind. KPMG spreche von einem "Untersuchungshemmnis". Neben internen Organisationmängeln beeinträchtige die fehlende Bereitschaft der Drittpartner an der Sonderuntersuchung mitzuwirken. Die Existenz der Transaktionsvolumina im Untersuchungszeitraum habe für 2016 bis 2018 nicht nachvollzogen werden können.

Während sich WDI als entlastet ansehe, schienen die Anleger Zweifel zu haben. Die von KPMG bemängelten Punkte seien erklärungsbedürftig. Die Verschiebung des Jahresabschlusses und der Bilanzpressekonferenz (zuletzt für den 30.04.20 vorgesehen) dürfte die Unsicherheit anhalten lassen. Wann die Prüfungsarbeiten mit dem Abschlussprüfer E&Y unter Berücksichtigung der Covid-19-bedingten Einschränkungen und des KPMG Berichts abgeschlossen werden können, sei noch nicht abzusehen.

Das heißt laut Schnitzer, das KPMG-Gutachten hat für Wirecard nicht den erhofften Befreiungsschlag gebracht. Stattdessen sprecheKPMG im Zusammenhang mit den Drittpartnergeschäften von einem "Untersuchungshemmnis". Die Publikation des Geschäftsberichts 2019 verzögere sich zudem. Man habe daher wegen der mit rechtlichen Unwägbarkeiten verbundenen Unsicherheit eine höhere Risikoprämie eingepreist und auf Basis einer abgezinsten Cashflow-Berechungsmethode einen neuen fairen Wert von 105,00 Euro ermittelt.

Ganz allgemein heißt es darüber hinaus noch, Chance gebe es bei Wirecard durch das Wachstum der E-Commerce-Märkte, dem Wachstum der Mobile Payment-Märkte, denkbaren weiteren Übernahmen im Rahmen der Marktkonsolidierung, durch die bargeldlose Bezahlung am Point of Sale sowie durch eine regionale Diversifikation in weitere internationale Märkte. Als Risiken seien dagegen technologische Entwicklungen und kurze Produktlebenszyklen einzustufen, ein hoher Wettbewerbsdruck, Regulatorische Eingriffe sowie die Möglichkeit, dass wieder anonyme Betrugsvorwürfe auftreten.

BayernLB - Kaufen mit Kursziel 120,00 Euro



Die BayernLB hat Kaufempfehlung und Kursziel von 120,00 Euro unverändert gelassen. In einer Einschätzung zu den Wirecard-Aktien stellen die dortigen Analysten zunächst ebenfalls fest, dass das Unternehmen mit 24 Stunden Verspätung am 28. April den lange erwarteten Abschlussbericht von KPMG zur Sonderprüfung bei Wirecard veröffentlicht hat. Allerdings habe dieser nicht wie erhofft Klarheit über die strittige Bilanzierung des Konzerns gebracht, was am Tag der Vorlage des Berichts zu einem Kurssturz bei der Wirecard-Aktie von 26,1 Prozent geführt habe.

Belege für den gravierenden Vorwurf der Bilanzfälschung seien zwar nicht gefunden worden, allerdings weise der Bericht auf Mängel in der Organisation und in der Dokumentation von Geschäftsabläufen vor allem bei Aktivitäten mit Drittlizenznehmern hin. Laut KPMG habe man keine Aussage darüber treffen können, dass bestimmte Umsätze existieren und der Höhe nach korrekt sind, aber auch das Gegenteil sei nicht möglich gewesen. Dass KPMG keine Gesamtbeurteilung ausgerechnet über das zuvor stark kritisierte Drittpartnergeschäft habe treffen können, wertet die BayernLB sehr negativ. Als ebenfalls unerfreulich bezeichnet man es, dass laut dem Bericht Wirecard die Untersuchung verzögert haben soll. Zu guter Letzt sei dann auch noch die Vorlage des Geschäftsberichts für 2019 zum zweiten Mal verschoben worden, nachdem der erste Termin bereits vom 08.04. auf den 30.04. verschoben worden sei.

Wirecard wolle "in wenigen Wochen" mit dem Wirtschaftsprüfer EY klären, wann der Bericht vorgelegt werden könne. Eigentlich sollten auch am 12.05. die Zahlen für das erste Quartal 2020 vorgelegt werden. Auch dieser Termin sei nun obsolet. Die Erstquartalszahlen seien aber laut Wirecard erwartungsgemäß ausgefallen. Die Geschehnisse bei Wirecard bleiben damit laut BayernLB für einen Dax-Konzern beispiellos und der Konzern auch weiterhin angreifbar. Es bleibe zu hoffen, dass die seit 2019 eingeleiteten Maßnahmen, insbesondere bezüglich Transparenz, mittelfristig Wirkung zeigten. Bei einem unveränderten Kursziel von 120,00 Euro (Discounted-Cashflow-Modell) bestätige man aber auf Grund der langfristigen Wachstumsperspektiven und des attraktiven Bewertungsniveaus das bestehende Kaufen-Votum.

Zu den Stärken des Unternehmens heißt es, dieses sei technologisch führend gegenüber den Wettbewerbern, verfüge über eine sehr gute regionale Diversifikation bzw. hohe Auslandsaktivitäten, hinzu kämen eine hohe Profitabilität, hohe Skaleneffekte sowie ein breites Produktportfolio. Zu den Schwächen zählt die BayernLB eine starke Ausrichtung auf den Vorstandsvorsitzenden, Firmengründer und Großaktionär Markus Braun (problematische Governance), zudem sei Wirecard weltweit sehr dezentral aufgestellt (für Braun sei dies aber ein Wettbewerbsvorteil). Negativ Erwähnung finden auch die relativ geringe Profitabilität des Segments Call Center & Communications, das wettbewerbsintensive Marktumfeld, eine hohe Verschuldung sowie die komplizierte und schwer zu durchschauende Rechnungslegung.

LBBW - Kaufen mit Kursziel 150,00 Euro



Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hat ihre Kaufempfehlung bestätigt, aber das Kursziel von 175,00 Euro auf 150,00 Euro gesenkt. Der verantwortliche Analyst Mirko Maier hält in seiner Einschätzung fest, dass der mit Spannung erwartete Abschlussbericht zur von KPMG durchgeführten Sonderprüfung nun vorgelegt worden sei. Doch als der abschließende, alle Vorwürfe der Financial Times aus dem Weg räumende Abschlussbericht könne das umfangreiche Werk leider nicht angesehen werden.

So habe KPMG zwar keine der von der FT angeführten Anschuldigungen bestätigt, doch teilweise hätten KPMG für die betreffenden Jahre, den in Frage gestellten Angaben, Aktivitäten oder Transaktionen keine Buchungsunterlagen, Protokolle, Verträge, etc. zur forensischen Überprüfung vorgelegen. Manche der vermissten Informationen seien wohl nun nachgereicht worden und die Sonderprüfung gehe laut Wirecard auch demzufolge weiter. Maier hofft, dass der in Aussicht gestellte finale Abschlussbericht die aktuell noch nicht ausgeräumten Aspekte abschließend behandeln wird.

Der Wettbewerber Ayden sei in seinem Bericht zum ersten Quartal 2020 auf die Auswirkungen von Covid­19 auf die Geschäftsentwicklung eingegangen. Deutlich geringere Transaktionsvolumina im Bereich Travel und Handel seien demnach wohl durch höhere Volumen im Onlinehandel kompensiert worden. Auch bei Wirecard stünden die Bereiche Travel und Handel für große Teile des Transaktionsvolumens. Zudem dürften Aktivitäten in Asien, z.B. Indien, im Moment stark von Covid­19 beeinträchtigt sein.

Die LBBW hat vor diesem Hintergrund die Prognosen für 2020 reduziert. Beim Gewinn je Aktie rechnet man jetzt mit 4,87 Euro, woraus sich für das laufende Jahr ein geschätztes KGV von 18,4 ergibt. Trotz einer für die darauffolgenden Jahre unterstellten stärkeren Wachstumsdynamik sinke dadurch das auf einem abgezinsten Cashflow-Berechnungsmodell ermittelte Kursziel auf 150 Euro.

Chancen witter Maier allgemein in dem sehr dynamischen Marktwachstum, dem umfangreichen Leistungsportfolio, der sehr guten Marktstellung und darüber hinaus werde der Cash-Zufluss von Softbank auch für Aktienrückkäufe genutzt. Zu den Risiken zähle es, dass die belastende Vertrauenskrise weiter anhalte, das Ergebnis der Untersuchung in Singapur durch die Behörden noch ausstehe, der Aktienkurs sehr volatil ausschlage, wobei letzteres auch auf Shortseller-Aktivitäten zurückzuführen sei.

Warburg Research - Kaufen mit Kursziel 230,00 Euro



Das Analysehaus Warburg Research hat die Einstufung für Wirecard auf "Buy" mit einem Kursziel von 230 Euro belassen. Der von der KPMG vorgelegte Bericht der Bilanz-Sonderprüfung lasse nach wie vor einige Fragen unbeantwortet, schrieb Analyst Marius Fuhrberg in einer am Mittwoch vorgelegten Studie.

Nach monatelangem Warten habe Wirecard endlich den KPMG-Bericht über die Sonderprüfung vorgelegt, die durch öffentliche Vorwürfe gegen das Third Party Acquiring Business (TPA), das Händler-Barvorschussprogramm, angebliches Round-Tripping von Einnahmen und eine Indien-Transaktion ausgelöst worden sei. Während allgemein erwartet worden sei, dass der Bericht eine umfassende Klärung bringen wird, seien jetzt doch noch einige Fragen in Bezug auf das TPA offen geblieben. Eine Telefonkonferenz mit dem CEO Markus Braun habe nicht viel dazu beigetragen, die verbleibenden Zweifel zu zerstreuen.

KPMG habe mehr als einmal erklärt, dass man nicht in der Lage sei, eine vollständige forensische Prüfung des TPA-Geschäfts durchzuführen, da Wirecard nicht den vollen Umfang der erforderlichen Daten zur Verfügung gestellt habe, unter anderem weil Teile des erforderlichen Datensatzes unter der Kontrolle von TPA-Partnern stehen, die nicht zur Zusammenarbeit bereit gewesen seien. Während der Telefonkonferenz habe Braun dies erläutert und erklärt, dass die Bereitstellung des vollständigen Datensatzes auch durch logistische Probleme behindert werde, da eine Entschlüsselung und Übertragung in einem angemessenen Zeitrahmen und aufgrund der schieren Größe des Datensatzes unmöglich sei. Wenn man bedenke, dass allein für Dezember 2019 200 Millionen Datenpunkte beschafft werden mussten, erscheine dies plausibel.

Darüber hinaus weise die Argumentation in dem Bericht auf einen Mangel an geeigneter Dokumentation, Verifizierung und allgemeinen Geschäftsprozessen hin, was KPMG zu der Schlussfolgerung veranlasst habe, dass man nicht in der Lage gewesen sei, die Richtigkeit der TPA-Einnahmen von Wirecard für die Jahre 2016 bis 2018 abschließend zu beurteilen. Während einige Schwachstellen in den genannten Prozessen bereits bekannt gewesen seien, sei jetzt eine Task Force eingerichtet worden, die sich 2019 mit diesen Fragen befassen soll.

Nichtsdestotrotz habe KPMG 75 Prozent der Umsätze der jeweiligen Jahre rechnerisch und auf Vertragskonformität hin überprüfen können, weitere 12 Prozent seien auf Plausibilität geprüft worden. Dies deute darauf hin, dass die Verbuchung des Großteils der Einnahmen auf korrekten Grundlagen beruhe, der Detaillierungsgrad der Datensätze jedoch nicht ausgereicht habe, um einen forensischen Prüfungsansatz von KPMG zu erfüllen. Der schwerwiegendste Vorwurf des allgemeinen Betrugs sollte damit jedoch vom Tisch sein, was ein positives Zeichen sei.

Interessanterweise habe der CEO erklärt, dass Wirecard irgendwann im Jahr 2019 eine neue Plattform eingeführt habe, um alle Transaktionen intern zu verarbeiten und alle für eine forensische Prüfung erforderlichen Daten zu sammeln. Daher sei das ursprüngliche Prüfungsmandat um eine vollständige forensische Prüfung der im Dezember 2019 abgewickelten Transaktionen erweitert worden. Das Endergebnis dieser Prüfung stehe noch aus, aber das Zwischenergebnis lasse keine Anzeichen von Betrug erkennen. Das Endergebnis dieser Prüfung dürfte in einigen Wochen vorliegen und für die Vergangenheit von großer Bedeutung sein, da der derzeitige Stand, wenn alles korrekt verbucht worden sei, das Ergebnis eines gewissen Wachstumspfades sein müsse. Dies wäre ein starkes Indiz für die Korrektheit der vergangenen Einnahmen und würde auch das Vertrauen in das zukünftige Geschäft stärken.

Der Abschlussbericht von KPMG hat laut Furberg eindeutig nicht die erhoffte Erleichterung gebracht. Zu viele Fragen seien unbeantwortet geblieben und die Sprache im Bericht impliziere, dass Wirecard KPMG die erforderlichen Daten nicht zur Verfügung stellen konnte oder wollte. Es sei jedoch möglich, dass der scharfe Ton, den KPMG in seinem Bericht verwende, darauf abziele, die eigene Verwundbarkeit zu minimieren. Insgesamt erscheine Betrug höchst unwahrscheinlich, aber die Prozesse bei Wirecard müssten verbessert werden. Die neue Plattform könne einen ersten Schritt in diese Richtung darstellen, und die Ergebnisse der Prüfung vom Dezember 2019 dürften ein wesentlicher Auslöser für die Aktie sein. Zusammenfassend lasse sich sagen, dass die fundamentale Wachstumsstory und damit der Investment Case nach wie vor gültig erschienen, auch wenn viel Vertrauen der Investoren zerstört worden sei.

UBS - Neutral mit Kursziel 129,00 Euro



Bei der UBS hat der zuständige Analyst Hannes Leitner keine Veränderung bei Einschätzung und Zielvorgabe vorgenommen. Das heißt, das Anlageurteil lautet weiter auf neutral und das Kursziel beträgt unverändert 129,00 Euro.

Das Unternehmen habe den Sonderbericht von KPMG mit einem Tag Verzögerung veröffentlicht. Von den vier Hauptvorwürfen, die gegen Wirecard erhoben wurden, gebe es in dem 74-seitigen Bericht von KPMG keine Probleme in Bezug auf "Round-Tripping" und "Übernahme des indischen Zahlungsgeschäfts Hermes I-Tickets", während bei "MCA" keine größeren Probleme gefunden worden seien.

Allerdings habe der Bericht auch ergeben, dass der Großteil der MCA-Kredite an den TPA-Partner (Third Party Acquiring) von Wirecard vergeben worden seien. In Bezug auf die "TPA"-Beziehung zu Wirecard habe KPMG keine endgültige Schlussfolgerung ziehen können. Generell habe KPMG von Verzögerungen bei der Einreichung von Dokumenten, mehreren verschobenen Interviews, eingeschränktem Zugang zu IT-Systemen und begrenzter Unterstützung durch die Geschäftspartner von Wirecard berichtet.

In ihrer Schlussfolgerung habe KPMG den Umfang der Untersuchung und den Einsatz von forensischer Buchhaltung hervorgehoben und betont, dass sich die Untersuchung nur auf die definierten Themen konzentrier habe. Die erste Schlussfolgerung der UBS zum KPMG-Bericht deute darauf hin, dass die angekündigten Investitionen in interne Prozesse und Kontrollen, die mit den Ergebnissen von 2018 getätigt worden seien, möglicherweise in ihrem Umfang weiter erhöht werden müssten, was die hauseigene Ansicht bestätigt, dass der operative Leverage in den kommenden Jahren aufgrund erhöhter Investitionen begrenzt sein dürfte.

In Bezug auf die TPA-Beziehungen zu Wirecard habe KPMG aufgrund "schwacher interner Kontrollen" und "begrenzter Kooperation der TPA-Partner" die Transaktionsvolumina von Wirecard von 2016-2018 im Rahmen der forensischen Untersuchung nicht bestätigen könne, weil man in der Lage gewesen sei, die Transaktionen durchgängig zu verfolgen. Erst im Dezember 2019 habe Wirecard eine interne Plattform für den Zugriff auf TPA-Daten eingerichtet. Die Untersuchung von KPMG sei in dieser Angelegenheit noch nicht abgeschlossen. Man hält fest, dass Wirecard bereits früher erklärt habe, dass alle TPA-Händler mit an Bord seien und denselben KYC-Prozess befolgen wie seine eigenen Händler, was den vollständigen Zugang zu den Daten - insbesondere im Hinblick auf das Risikomanagement - nahe lege.

Während KPMG bei der Darstellung des Wirecard MCA-Geschäfts in der Türkei und Brasilien (inklusive der angegebenen Volumina) keine Missstände gemeldet habe, weise der Bericht auf 150 Millionen Euro bzw. 100 Millionen Euro Kreditlinie für TPA-Partner 1 und 3 im Jahr 2018 hin, was 88 Prozent des angegebenen MCA-Exposures von 285 Millionen Euro Ende 2018 ausmache. Wirecard habe nun zum 2. Mal (8. und 30. April) die Veröffentlichung der Konten für 2019 bis auf weiteres verschoben.

Den Umsatz sieht die UBS von 2019 bis 2023 von 2,776 Milliarden Euro auf 5,851 Milliarden Euro steigen. Die Schätzreihe für den verwässerten Gewinn je Aktie sieht für den genannten Zeitraum wie folgt aus: 4,49 Euro, 5,17 Euro, 6.48 Euro, 7,67 Euro, 9,17 Euro. Auf letztgenannter Basis ergibt sich für 2023 ein geschätztes KGV von knapp zehn.

Commerzbank - Kaufen mit Kursziel 230,00 Euro



Die Commerzbank stuft die Aktien von Wirecard weiterhin mit Kaufen und mit einem Kursziel von 230,00 Euro ein. Laut der verantwortlichen Analystin Heike Pauls fiel der 74-seitige Sonderprüfungsbericht von KPMG letztlich im Grunde genommen ergebnislos aus: Er beinhalte keine Beweise für Betrug, aber eine eher drastische Bewertung der gravierenden Mängel an Buchhaltungsunterlagen für 2016-2018 habe eine Entlastung verhindert, insbesondere bei Geschäften mit Dritten.

Das Gute an der Sache sei, dass die neue "elastic engine"-Plattform von Wirecard eine verlässliche End-to-End-Bewertung von Drittgeschäften seit 2019 ermögliche. Das Management habe einer Erweiterung des Prüfungsumfangs um eine forensische Untersuchung für den Monat Dezember 2019 zugestimmt. Sie habe ergeben, dass die Transaktionsvolumina mit den Abrechnungen der Partner übereinstimmten und sich in den Konten genau widerspiegelten. Die Untersuchung sei im Gange, doch bisher habe KPMG keine Hinweise auf Betrug gefunden und stufe die Datensätze als authentisch ein, wobei aber noch Überprüfungen durch Dritte ausstünden. Das Endergebnis ist laut Pauls entscheidend, um das Vertrauen wiederherzustellen und damit sich der aufgewirbelte Staub wieder legen könne.

Nachdem sich die Gerüchte und Anschuldigungen rund um die Bilanz von Wirecard hartnäckig gehalten hätten, seien die bisherigen Prüfergebnisse nun öffentlich zugänglich und daran werde sich eine ebenfalls öffentliche Diskussion zu den Wirecard-Bilanzierungspraktiken anschließen. Dies zusammen mit einem weiteren Kommunikationsdesaster dürfte die Grundlage für weitere anstehende signifikante Verbesserungen bei der internen Vorgehensweise sein, die voraussichtlich unter der Leitung von Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann erfolgen werden.

Den Umsatz sieht Pauls von 2019 bis 2022 von 2,704 Milliarden Euro auf 5,472 Milliarden Euro steigen. Beim Gewinn je Aktie kalkuliert sie gleichzeitig mit einer Verbesserung von 4,14 Euro auf 10,69 Euro, woraus sich für das übernächste Jahr ein geschätztes KGV von 8,4 errechnet.

Baader Bank - Kaufen mit Kursziel 240 Euro



Die Baader Bank hat die Einstufung für Wirecard mit Kaufen ebenso bestätigt wie das Kursziel von 240,00 Euro. Laut er die vollständige Sonderprüfung von KPMG durchgelesen habe, ist der zuständige Analyst Knut Woller zu dem Schluss gekommen, dass es zwar nicht der erhoffte Freispruch sei, da mehrere Fragen nicht endgültig beantwortet werden konnten. Vor diesem Hintergrund dürften sich die Bären wahrscheinlich in ihrer kritischen Sichtweise bestätigt fühlen (vor allem in Bezug auf TPA sowie die Akquisition in Indien). Dagegen dürften die Bullen wahrscheinlich argumentieren, dass es keine Beweise für die Maipulations-Behauptungen gebe und keine wesentlichen Feststellungen gemacht worden seien, die eine Anpassung der Jahresrechnung 2016-2018 in Bezug auf alle in der Prüfung untersuchten Bereiche erfordern würden.

So gesehen dürften die Diskussionen über die Interpretation der Daten wahrscheinlich weitergehen. Mit der Umstellung der Transaktionsverarbeitung der Wirecard auf eine eigene Plattform für das TPA-Geschäft (Elastic Engine für das TPA-Geschäft) im Jahr 2019 können Transaktionsdaten nun aber ohne Beteiligung Dritter bereitgestellt werden. Auf dieser Grundlage erhalte KPMG mehr als 200 Millionen Datensätze für Dezember 2019, die noch ausgewertet würden. Auf der Grundlage vorläufiger Ergebnisse seien bis heute keine Fakten bekannt, die Anlass zu wesentlichen Zweifeln an der Authentizität der für Dezember 2019 zur Verfügung gestellten Daten geben, was Woller als positiv bewertet.

In dem Abschnitt, in dem KPMG Art und Umfang der Durchführung ihrer Untersuchungen beschreibe, berufe man sich auf eine verspätete Bereitstellung von Dokumenten durch die Wirecard AG und erkläre ferner, dass es sich bei den vorgelegten Dokumenten fast ausschließlich um elektronische Kopien gehandelt habe, deren Authentizität nicht überprüft werden könne. Ferner werde festgestellt, dass KPMG den Aufsichtsrat in einem Schreiben über die erhebliche Verzögerung bei der Bereitstellung der angeforderten Dokumente durch die Wirecard AG an KPMG informiert habe.

Mit Blick auf TPA berufe sich KPMG auf ein Ermittlungshindernis hinsichtlich der Höhe und der Existenz der Umsätze aus TPA-Geschäftsbeziehungen zwischen Cardsystems Middle East, Wirecard UK & Ireland und Wirecard Technologies und den jeweiligen TPA-Partnern im Untersuchungszeitraum 2016-2018, da sie auf der Grundlage ihrer forensischen Untersuchungen weder auf die Existenz und die Richtigkeit der Umsätze noch auf die Nicht-Existenz der Umsätze und der nicht korrekten Beträge schließen könne. KPMG stelle unter anderem fest, dass die Third Party Acquirers im Rahmen ihrer Sonderprüfung nicht vollständig und transparent kooperiert hätten. Den Untersuchungen von KPMG zufolge konnten 13 Prozent der Einnahmen im analysierten Zeitraum nicht hinsichtlich der Vertragskonformität validiert werden, während bei 75 Prozent der Einnahmen der TPA-Partner im analysierten Zeitraum die numerische Berechnung und die Vertragskonformität validiert werden konnten und bei zwölf Prozent der Einnahmen Plausibilitätsprüfungen durchgeführt werden konnten.

Vor dem Hintergrund der zur Verfügung gestellten Informationen zur Ausgestaltung des MCA-Geschäfts der Wirecard-Niederlassungen in der Türkei und in Brasilien konnten auf Basis der Ergebnisse der KPMG-Untersuchung keine Belege für die rechtliche Unzulässigkeit der entsprechenden Geschäftsaktivitäten gefunden werden, so Woller. Bei den Geschäftsaktivitäten in Indien: habe KPMG den wirtschaftlichen Eigentümer von Fonds 1, von dem Wirecard das Zahlungsgeschäft der GI Retail Group im Jahr 2015 übernommen hat, nicht identifizieren können. Daher konnte die Behauptung, dass Fonds 1 nur ein Vermittler sei, nicht schlüssig geklärt werden. Die Wirecard AG habe gegenüber KPMG erklärt, dass ihr der wirtschaftliche Eigentümer von Fonds 1 nicht bekannt sei. Die einzelnen Gesprächspartner hätten gegenüber KPMG erklärt, dass sie keine Anteile an Fonds 1 besitzen würden. KPMG wiederum habe erklärt, dass man in den vorgelegten Dokumenten sowie den von ihr durchgeführten Untersuchungen keine weiteren Beweise gefunden habe. Ferner habe KMPG erklärt, keine Hinweise auf ein "Roundtripping" gefunden zu haben.

Bezüglich der Vorwürfe zur Geschäftstätigkeit in Singapur habe KPMG mitgeteilt, dass eine weitere Untersuchung der untersuchten Umstände, die von EY Audit im Rahmen seiner "erweiterten Prüfungsverfahren" und den beteiligten Anwaltskanzleien 1 und 2 analysiert wurden, auf der Grundlage der KPMG zur Verfügung gestellten Dokumente nicht erforderlich sei.

Woller geht bei seinen Schätzungen davon aus, dass der Umsatz von 2019 bis 2022 von 2,704 Milliarden Euro auf 5,472 Milliarden Euro zulegen kann. Beim Gewinn je Aktie rechnet er gleichzeitig mit einer Verbesserung von 4,14 Euro auf 10,69 Euro.

Charttechnik

Bei Wirecard ist der Aktienkurs von Februar 2003 bis September 2018 von 0,77 Euro auf 195,75 Euro gestiegen. Es handelte sich somit in diesem Zeitraum um eine der besten Aktien auf dem deutschen Kurszettel überhaupt. Allerdings ist bei dem DAX-Vertreter seit dem zuletzt genannten Rekordhoch der Ofen aus in Sachen positiver Performance. Gegenüber der erwähnten Bestmarke hatte der Titel am 19. März 2020, als bei 83,24 Euro das bisherige Jahresschlusskurstief im Yetra-Handel markiert wurde, einen Abschlag von gut 57 Prozent vorzuweisen. Danach ging es dann kurz stark nach oben und die Notiz knabberte dabei kurzzeitig sogar wieder an dem seit September 2018 bestehenden Abwärtstrend. Doch die vergangenen Handelstage warfen den Titel dann wieder arg zurück und statt den Ausbruch aus dem Abwärtstrend zu proben geht es nun darum, einen Fall unter das erwähnte Jahrestief zu verhindern, weil sich das ohnehin jetzt wieder als sehr angeknackst einzustufende Chartbild noch weiter verschlechtern würde.

Profil

Die Wirecard AG ist einer der führenden internationalen Anbieter elektronischer Zahlungs- und Risikomanagementlösungen. Weltweit unterstützt Wirecard über 20.000 Kunden aus unterschiedlichen Branchen bei der Automatisierung ihrer Zahlungsprozesse und der Minimierung von Forderungsausfällen. Die Wirecard Bank AG bietet Konten- und Kreditkarten-Dienstleistungen sowohl für Geschäfts- als auch Privatkunden und ist Principal Member von VISA, MasterCard und JCB und als Kreditkarten-Acquirer weltweit aktiv.

Der Internetbezahldienst Wirecard ermöglicht Konsumenten sicheres Bezahlen bei Millionen von MasterCard Akzeptanzstellen. Zusätzlich können registrierte Nutzer in Echtzeit untereinander Geld versenden oder empfangen. Darüber hinaus bietet die Wirecard-Gruppe über die eigene Bank Lösungen in den Bereichen Corporate Banking, Prepaid- bzw. Co-branded-Karten- sowie Konten-Produkte; sowohl für Geschäfts- als auch für Privatkunden.