Dies umso mehr, als starke technologische Veränderungen zu erwarten sind. Digitalisierung, lernfähige Maschinen und Informationsplattformen sind Treiber der Entwicklung. Die MIT-Ökonomen Brynjolfsson und McAfee treffen die Vorhersage, dass es, wenn schon nicht zum Ende der menschlichen Arbeit, so doch zu radikalen Veränderungen in der Arbeitswelt kommt. Das "zweite Maschinenzeitalter", das sie heraufkommen sehen, würde - anders als das erste - nicht mehr die Produktivität des Faktors Arbeit durch die Kombination Arbeit und Kapital (also Maschine) heben. Vielmehr würde es Arbeit durch Kapital ersetzen, so ihre Prognose. Maschinen wie Programmen wird es ermöglicht, auch in sehr anspruchsvolle Tätigkeitsfelder vorzustoßen, die bisher dem Menschen vorbehalten waren. Digitalisierung kann auch ein Wachstumsmotor für Deutschland sein. Die Chancen, von der Digitalisierung zu profitieren, sind Bert Rürup zufolge umso größer, je ausgeprägter die Fähigkeit einer Volkswirtschaft ist, die Produktivität steigernde Risiken einzugehen.
Die Entwicklung hin zu einer Industrie 4.0 ist nicht aufzuhalten, die Reformen zu einem von Rürup geforderten "Sozialstaat 4.0" könnten sich als Jahrhundertaufgabe entpuppen. Warum nicht ganz pragmatisch die von den demografischen und technologischen Entwicklungen ausgehenden Herausforderungen nutzen und Maschinen für Menschen arbeiten lassen? Kapitaleinkünfte würden Arbeitseinkünfte ergänzen.
Was Kapitalbeteiligung für Einkommen und Vermögensaufbau bedeuten könnte, verdeutlicht folgende Überlegung. Angenommen, die Erwerbstätigen in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien hätten sich von Anfang 1992 bis Ende 2015 mit einem Sparplan über monatlich 50 Euro am europäischen Aktienmarkt beteiligt, so würde ihnen heute etwas mehr als 48 Prozent der Marktkapitalisierung des MSCI Europa gehören. Hätten die Sparer jeweils in den nationalen Aktienmarkt investiert, so würden die deutschen Sparer heute rechnerisch über 100 Prozent des deutschen Aktienmarktes besitzen. Italiener und Spanier kämen sogar auf höhere Quoten.
Auch das Ergebnis der einzelnen Sparpläne lässt sich sehen: Die Einzahlungen und der Kapitalzuwachs summieren sich auf 43 400 Euro. Bei einer unterstellten Dividendenrendite von drei Prozent auf dieses Vermögen käme man so auf 1300 Euro an Kapitaleinkünften im Jahr. Das ist mindestens ein nettes Zubrot für die Altersvorsorge. Man mag den Vorschlag angesichts der starken Schwankungen am Aktienmarkt als frivol bezeichnen, aber ohne ein gesundes Maß an Risikobereitschaft ist Wohlstand nicht zu haben. Insofern ist es das größere Risiko, die Chancen ungenutzt zu lassen, die der lange Anlagehorizont und die antizyklische Komponente eines Sparplans bieten.
Hans-Jörg Naumer
Naumer ist seit 2000 Global Head of Capital Markets & Thematic Research bei Allianz Global Investors (AGI). Analysen zur strategischen und taktischen Allokation, spezifischen Investmentchancen und das Herausarbeiten langfristiger Trends der Kapitalanlage bilden den Schwerpunkt seiner Arbeit. AGI verwaltet aktuell ein Vermögen von rund 427 Milliarden Euro für Privatanleger, Family Offices und institutionelle Anleger.