DIE LAGE BEI ZALANDO:
Der Trend zu Internetbestellungen lässt derzeit die Geschäfte von Online-Unternehmen in die Höhe schießen. Davon profitieren zahlreiche Lieferdienste von Delivery Hero, aber auch Online-Händler wie Zalando. Nach einem starken dritten Quartal zeigte sich Zalando erneut zuversichtlicher. So rechnet das Unternehmen mit noch stärkeren Zuwächsen bei Umsatz und operativem Gewinn als zuvor.
Die "durch die Corona-Pandemie beschleunigte Verlagerung der Kundennachfrage hin zu digitalen Angeboten" habe das Geschäft im dritten Quartal angetrieben, hieß es von Zalando Anfang Oktober. Außerdem hat der Konzern von Einmaleffekten profitiert, die von einem gesteigerten Optimismus herrührten: Das Unternehmen hatte Sonderabschreibungen auf den Warenbestand aufgelöst. Diese hatte Zalando im März getätigt, als unklar war, wie stark die Nachfrage in Corona-Zeiten sein würde.
Während viele Handelsunternehmen und Konsumgüterhersteller mit den Auswirkungen der Pandemie kämpfen, verkehrt sich das bei Zalando ins Gegenteil. Die Beschränkungen des öffentlichen Lebens wie die zeitweise Schließung von Geschäften, Restaurants sowie die Kontaktbeschränkungen spielen den Berlinern in die Karten. Der Trend geht immer mehr zum Online-Kauf.
Zalando entwickelt sich dabei zu einer Handelsplattform. Neben dem eigenen Handel bietet der Konzern Markenherstellern Platz für ihr Geschäft - was für diese in Zeiten von Corona ebenfalls immer wichtiger ist. Dabei erweitert Zalando das Spektrum stetig. Neben Mode und Schuhen bietet das Unternehmen inzwischen auch Kosmetik an. Dazu schneidert Zalando seinen Shop verstärkt auf individuelle Bedürfnisse der Kunden zu.
Im dritten Quartal etwa steigerte Zalando den Umsatz nach vorläufigen Zahlen um bis zu 23 Prozent. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) lag bei bis zu 130 Millionen Euro, ein Vielfaches des Vorjahreswertes von 6,3 Millionen Euro. Detaillierte Zahlen will Zalando an diesem Mittwoch vorlegen.
Für 2020 erwartet Zalando nun ein Umsatzwachstum von bis zu 22 Prozent. Das bereinigte Ebit soll bei 375 bis 425 Millionen Euro liegen - deutlich höher als die 250 bis 300 Millionen Euro, die Zalando zuvor in Aussicht gestellt hatte. Im Vorjahr lag der Wert bei rund 225 Millionen Euro.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Analysten zeigen sich positiv gestimmt. Von den im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten, die sich in jüngerer Zeit mit dem Papier beschäftigt haben, empfiehlt die Mehrheit die Aktie zum Kauf. So etwa Aneesha Sherman vom Analysehaus Bernstein. Die Corona-Krise habe den europäischen Einzelhandel erschüttert und die Kaufgewohnheiten der Verbraucher deutlich zugunsten des Onlinehandels verändert, so die Analystin.
Sie hat als Kursziel 94 Euro aufgerufen. Noch optimistischer ist die Privatbank Hauck & Aufhäuser, deren Experte Christian Salis sogar 110 Euro als Ziel gesetzt hat. Die sich wieder verschärfende Corona-Krise spiele dem Unternehmen in die Hände. Das vergleichsweise neue Kosmetiksegment des Online-Modeanbieters sei zudem eine exzellente Ergänzung des Portfolios.
Volker Bosse von der Baader Bank sieht Zalando verglichen mit der Modekonkurrenz in einer starken Position. Die Trends im dritten Quartal seien besser als erwartet gewesen, findet er. Wie einige aus seiner Zunft erhöhte er seine Schätzungen für 2020 und 2021.
Die Zahlen hätten eindrucksvoll gezeigt, dass das Geschäftsmodell und die Strategie des Online-Modehändlers intakt seien, kommentierte jüngst Independent-Analyst Lars Lusebrink. Die Verschärfung der Covid-19-Situation in Europa sollte den Trend zum Online-Einkauf weiter unterstützen.
Am pessimistischsten bei den Experten, die sich seit der Vorlage der Quartalszahlen im Sommer gemeldet haben, ist Morgan-Stanley-Analyst Geoff Ruddell. Sein Kursziel liegt bei 45 Euro. Auch Berenberg-Analyst Michael Benedict zählt zu den Skeptikern. Er erhöhte zwar sein Kursziel nach den Zahlen zum zweiten Quartal von 31 auf 50 Euro. Da er aber Zweifel an der langfristigen Gewinnentwicklung hegt, beließ er die Einstufung auf "Sell". Zudem liegt sein Kursziel deutlich unter dem aktuellen Niveau und der durchschnittlichen Prognose der von dpa-AFX erfassten Analysten. Das durchschnittliche Kursziel der 13 Experten, die sich seit Anfang August geäußert haben - liegt bei etwas mehr als 82 Euro.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Der kurzzeitige Corona-Schock, der das Papier im März zeitweise bis auf fast 27 Euro gedrückt hatte, ist längst überwunden. Positiv aufgenommene Zahlen zum ersten Quartal Mitte April und der wieder optimistischere Ausblick auf das Geschäftsjahr Anfang Mai brachten den Stimmungsumschwung. Seitdem erreichte der Kurs mehrfach neue Höhen.
Anfang Oktober erreichte Zalando mit der Vorlage der vorläufigen Drittquartalszahlen und der erneuten Prognoseerhöhung mit knapp 88 Euro einen Rekord. Danach bröckelte der Kurs wieder etwas ab. Mit etwas mehr als 80 Euro kostet das Papier aber immer noch 78 Prozent mehr als Ende 2019.
Mit dem Kursanstieg zählt das Zalando-Papier zu den sogenannten Corona-Gewinnern am Aktienmarkt. Mehr als die Zalando-Aktie haben in diesem Jahr im MDax nur die Anteile von Shop Apotheke (Shop Apotheke Europe NV) (227 Prozent), HelloFresh (146 Prozent) und Sartorius (Sartorius vz) (90 Prozent) zugelegt.
Doch Zalando war schon vor Corona am Kapitalmarkt gefragt - zumindest seit einiger Zeit. Nachdem das Papier nach dem Börsengang im Oktober 2014, als es zu 21,50 Euro pro Stück ausgegeben worden war, bis Ende 2018 kaum zulegen konnte, verdoppelte sich der Kurs im vergangenen Jahr.
Mit dem steigenden Kurs nimmt auch die Marktkapitalisierung stetig zu. Derzeit kommt Zalando auf einen Börsenwert von gut 21 Milliarden Euro und liegt damit auf Platz vier im MDAX. Zalando gilt als heißer Kandidat für einen Aufstieg in den Dax (DAX 30), wenn dieser erweitert wird. Die Deutsche Börse erwägt eine Aufstockung des Leitindex von derzeit 30 auf 40 Mitglieder.
Größter Anteilseigner von Zalando ist die schwedische Beteiligungsgesellschaft Kinnevik, die sich zwar im Sommer von einigen Papieren getrennt hatte, aber immer noch rund 21 Prozent hält. Die Schweden hatten bereits früh in Zalando investiert und dem Unternehmen, anders als zum Beispiel Rocket Internet (Rocket Internet SE), die Treue gehalten.
dpa-AFX