"München ist jetzt teurer als London" titelte der "Spiegel" am vergangenen Freitag. Gemeint sind die Preise am Immobilienmarkt. Doch dabei handelt es sich fast um eine Ausnahme. Nur in einigen Metropolen steigen die Immo-Preise noch. Ansonsten geht’s bergab. Auch die Deutsche Bank stimmt ihre Kunden erstmals seit Jahrzehnten auf fallende Immobilien-Preise ein. Platzt nun die oft zitierte Immobilien-Blase?

Das Jahr 2021 war ein Rekordjahr am Immobilien-Markt. Nach einer aktuellen Untersuchung von Deloitte ließ sich bei Neubauwohnungen weiterhin ein Aufwärtstrend bei den durchschnittlichen Transaktionspreisen feststellen: In 18 der 23 untersuchten europäischen Länder sind die Preise gestiegen. Das Vereinigte Königreich übernahm 2021 die Spitzenposition des teuersten Landes mit einem Neubau-Quadratmeterpreis von 4.905 Euro. Danach folgte Österreich mit 4.782 Euro vor Frankreich mit 4.639 Euro pro Quadratmeter.

Durchschnittliche Immo-Preise in München höher als London City

Auf Städte-Basis ist für Käufer München inzwischen die zweitteuerste Stadt in Europa, nach Paris und vor London. In City-Lagen der Briten-Hauptstadt werden im Schnitt durchschnittlich 8.426 Euro je Quadratmeter verlangt. In München müssen mittlerweile meist fünfstellige Beträge gezahlt werden. Für die am Freitag veröffentlichte Branchenstudie hatten die Deloitte-Experten insgesamt 68 Städte durchleuchtet.

Deloitte-Experte Michael Müller sagte, dass gestörte Lieferketten und knappes Baumaterial nun die Risiken in der Planung und Abwicklung von Bauvorhaben erhöhen. Personalmangel und die allgemeine Inflation treiben zudem die Baupreise weiter. Steigende Zinsen könnten die Nachfrage und den Preisanstieg aber bremsen.

Immobilienpreise beginnen zu fallen

Die Deutsche Bank streicht das Konjunktiv "könnten". Deren Immobilien-Kunden werden nun erstmals seit Jahrzehnten auf fallende Immobilienpreise eingestimmt. "Einen Preisrutsch bei Immobilien sehe ich nicht, aber sicher werden die Preise in bestimmten Regionen maßvoll nachgeben. Das merken wir jetzt schon", sagte Deutsche-Bank-Vertriebschef Philipp Gossow dem "Kölner Stadt-Anzeiger" kürzlich.

Ein Indiz für weniger Nachfrage am Immobilienmarkt sei die Zeit, wie lange es dauere, ein Haus oder eine Wohnung zu verkaufen. "Vor einem halben Jahr stand eine Immobilie höchstens 14 Tage zum Verkauf. Heute dauert es deutlich länger, einen Käufer zu finden. Die Anbieter hängen noch an alten Preisen, die aber so nicht mehr realisierbar sind", sagte Gossow weiter.

Markt hat sich gedreht

Auch der Immobilien-Finanzierer Interhyp registriert in der Gemengelage mit Zinswende, Ukraine-Krieg, steigenden Baukosten, sinkender Bau-Förderung und Mangel an Handwerkern ein Abwürgen des ewigen Booms. Vor allem die steigenden Hypotheken-Zinsen sorgen für Ernüchterung. Der Markt hab sich komplett gedreht, beschreibt David Schmitt von Engel & Völkers laut "Handelsblatt" die neue Lage. Die steigenden Zinsen machen zusammen mit den hohen Baukosten ein Eigenheim für viele Familien inzwischen unerschwinglich. Auch wenn in den vergangenen Tagen wieder leicht rückläufige Konditionen zu beobachten sind, müssen Haus- und Wohnungs-Käufer im Vergleich zum Vorjahr immer noch rund das Dreifache an Hypothekenzinsen zahlen.

Kommunen berichten laut "Handelsblatt", dass erste Privatleute wegen der Preissteigerungen bereits erschlossene Grundstücke wieder zurückgegeben haben. Denn die meisten Städte und Gemeinden versehen die Vergabe gewöhnlich mit einer Baufrist von zwei bis fünf Jahren, in der das Projekt fertig sein muss. Im ersten Halbjahr ist die Zahl der Baugenehmigungen in Deutschland bereits gesunken.


Nach mehr als zehn Jahren Immobilienboom in Deutschland und enorm steigenden Preisen erwarten einige Experten nun einen Richtungswechsel am Wohnungsmarkt. Im zweiten Quartal sind die Preise für Häuser und Wohnungen nach Daten von Interhyp im Vergleich zu den ersten drei Monaten bereits leicht gesunken.

Mehr Angebot, weniger Nachfrage

Beim Verkauf von Bestandsimmobilien verzeichnete Immoscout24 im zweiten Quartal 2022 sogar 36 Prozent weniger Nachfrage nach gelisteten Objekten als im Vorjahr - bei gleichzeitig 46 Prozent mehr Angeboten. Das sorgt für sinkende Preise.

Auch wenn die Zeiten immer weiter steigender Immobilien-Preise zu Ende gehen, dürfte es nicht zu einem plötzlichen Platzen der Immo-Blase kommen. Dazu bedürfte es eines weitreichenden Platzens von Immobilien-Krediten. Und das könnte - wenn überhaupt - wohl erst in einigen Jahren passieren, wenn die Hypotheken-Zinsen in dem Tempo wie zuletzt weiter ansteigen. Vor allem, wenn die individuelle Bau-Finanzierung auf wackeligen Beinen steht.