Liquidität auf Kante, Fed im Chaos: Reserven rutschen unter 3 Billionen – Powell moderiert, Miran und Bowman drängen auf radikale Zinssenkungen, Logan will das ganze System umbauen. Kommt der nächste Markt-Schock schneller als gedacht?

Liquidity Crash im Anmarsch?

Die Sirenen auf den US-Geldmärkten heulen – und die Federal Reserve streitet mitten im Sturm über Zinskurs, Strategie und sogar das Fundament ihrer Geldpolitik. Sieben Wochen in Folge sind die Bankreserven gefallen, nun mit 2,999,7 Milliarden Dollar erstmals seit Januar wieder unter die 3-Billionen-Schwelle gerutscht. Ein Symbolwert – aber ein mächtiges Signal. Denn je knapper die Reserven, desto dünner der Puffer für Stress.

Repo-Spikes, wackelnder Fed Funds, dünner Puffer

Die Ursachen sind altbekannt – doch das Timing macht’s explosiv. Nach dem Debt-Ceiling-Deal flutet das US-Finanzministerium den Markt mit Rekordmengen an T-Bills. Parallel leert sich die RRP-Fazilität, und die Bilanzschrumpfung der Fed (QT) wirkt wie ein gigantischer Staubsauger für Liquidität.

Die Folgen spüren die Märkte sofort: Mitte September schnellten die Repo-Sätze auf bis zu 4,51 % – ein Sprung, der die kurzfristige Finanzierung in einen Zick-Zack-Modus versetzte.

Und jetzt die eigentliche Zäsur: Erstmals seit zwei Jahren bewegt sich der effektive Fed Funds Rate nach oben – zuletzt bei 4,09 %. Nur ein paar Basispunkte? Ja. Aber sie sind ein Warnsignal mit Wucht: Die Geldmärkte werden straffer, noch bevor die Fed offiziell die Zügel anzieht.

Liquidität wird knapp – aber (noch) nicht chaotisch

UBS versucht zu beruhigen: Kurzfristige Finanzierungen bleiben zwar schwankungsanfällig, aber nicht chaotisch. Als Airbag steht die Standing Repo Facility (SRF) bereit, und der vielzitierte Reserven-Floor von 2,5 bis 2,7 Billionen Dollar gilt offiziell weiter als Sicherheitsnetz.

Doch der Puffer schmilzt: Die Bankreserven sinken – und zwar bei Auslandsbanken noch schneller als bei US-Instituten. Die Folge: Klassische Arbitragegeschäfte im Fed-Funds-Markt trocknen aus, die Umsätze sind bereits unter die Marke von 100 Milliarden Dollar gefallen.

Ökonom Lou Crandall bringt es auf den Punkt: Die Fed-Funds-Rate „flirtet“ mit einem Anstieg – nur wenige Basispunkte, aber mit Signalwirkung. Die Botschaft: Die Finanzierungsbedingungen ziehen bereits an, ganz ohne dass die Fed offiziell an der Zinsschraube dreht.

Powell in der Mitte – und alle zerren an ihm

Genau hier wird es brisant: Im Turm der Fed herrscht offener Streit – nicht nur über den künftigen Zinspfad, sondern sogar über die Messlatte selbst. Chef Jerome Powell beschreibt das „Dilemma“ des Doppelmandats: Oben lauert das Risiko einer anhaltend hohen Inflation, verstärkt durch neue Zölle. Unten kühlt der Arbeitsmarkt spürbar ab. Sein Kurs: maximale Flexibilität. Nach dem ersten kleinen Zinsschritt nach unten in diesem Jahr (–25 Basispunkte) betont Powell, dass alles weitere von den Daten abhängen wird.

Doch auf der einen Flanke prescht Stephen Miran vor: Der Neuling im Fed-Board gab gleich sein Debüt als Dissenter – und forderte eine doppelt so starke Senkung um –50 Basispunkte. Seine These: Die Geldpolitik ist viel zu restriktiv, rund zwei Prozentpunkte zu hoch. Den „neutralen Zins“ sieht er deutlich niedriger und will den Leitzins schnell in den Bereich von „low-2 %“ drücken. Miran geht noch weiter: Bis Jahresende seien zusätzliche 125 Basispunkte Kürzungen drin. Seine Begründung: Zölle, Deregulierung und sinkende Mieten erlauben aggressivere Cuts – ohne Inflationsgefahr. Wenn die Fed nicht handelt, drohten unnötige Entlassungen.

Entschlossene Zinssenkungen

Auf der anderen Seite meldet sich Michelle Bowman mit klaren Worten: Sie warnt vor einem spürbar schwächer werdenden Arbeitsmarkt und fordert entschlossene Zinssenkungen, um Jobs zu retten. Die Inflationsgefahr hält sie inzwischen für besser beherrschbar.

Zwischen den Fronten stehen die „Gradualisten“: Austan Goolsbee will vorsichtige, schrittweise Zinssenkungen, weil er ein Stagflations-Risiko sieht – also Stillstand bei gleichzeitig hoher Inflation. Alberto Musalem sieht kaum noch Spielraum für weitere Senkungen, während Raphael Bostic (dieses Jahr ohne Stimmrecht) klarstellt: 2025 wird es von ihm keine weiteren Cuts geben, solange die Preisrisiken hoch bleiben.

Mary Daly wiederum deutet an: weitere Senkungen dürften kommen – nur das genaue Timing ist noch offen.

Schmid will die Bilanz klein – Logan will das System neu erfinden

Währenddessen mahnt Jeffrey Schmid (Kansas City): „Je kleiner die Bilanz, desto besser.“Die Banken sollen ihre Liquidität wieder untereinander regeln – nicht ständig über die Notenbank. Das stützt zwar die Linie des Bilanzabbaus (QT), setzt die Märkte aber unter Druck, weil die Reserven gerade spürbar schrumpfen.

Noch brisanter klingt Lorie Logan (Dallas): Sie fordert nicht nur eine Diskussion über die Höhe der Zinsen, sondern über das ganze Instrumentarium. Der klassische Fed-Funds-Markt sei inzwischen zu klein, zu fragil und zu sehr von wenigen Akteuren abhängig. In der Realität spiele die Musik längst im „Repo-Markt“, also in Geschäften, die mit sicheren Staatsanleihen hinterlegt sind. Gemeinsam mit Fed-Ökonom Sam Schulhofer-Wohl wirbt Logan für einen proaktiven Kurswechsel: Statt erst im Krisenfall, besser jetzt den Leitzins an einen robusteren Repo-Satz wie TGCR oder SOFR koppeln. Das würde die Geldpolitik stabiler machen und die Gefahr einer hektischen Notlösung im Stressfall vermeiden.

Mehr Volatilität, weniger Planbarkeit

Die Marktfolgen liegen auf der Hand: Immer öfter kommt es zu kleinen Ausschlägen, etwa rund um Steuertermine, Zinszahlungen oder Quartalsenden. Die Nutzung des Fed-Notfallinstruments SRF zeigt dabei früh, ob die Lage angespannter wird. Zwar betont UBS, dass das Programm zum Abbau der Fed-Bilanz („QT“) noch läuft, doch der Rückgang der Bankreserven unter die Marke von drei Billionen Dollar wirft ein grelles Licht auf die Untergrenze. Sollte diese Schwelle fallen, wäre eine Pause oder sogar ein Ende von QT kaum zu vermeiden.

Und als wäre das nicht genug, brodelt es auch politisch: Mit einer Shutdown-Wahrscheinlichkeit von 83 % steigt die Nervosität – ein zusätzlicher Risikofaktor für Finanzmärkte, Dollar, Staatsanleihen und nicht zuletzt auch für Krypto.

Feuer im Maschinenraum

Liquidität wird zum Taktgeber. Während die Märkte zunehmend nervös auf schrumpfende Reserven und zickige Repo-Sätze schauen, ringt die Fed gleichzeitig um Richtung und Regelwerk.

Jerome Powell moderiert das Dilemma zwischen Inflation oben und Jobschwäche unten. Stephen Miran will den Befreiungsschlag: Zinsen kräftig runter. Michelle Bowman pocht auf entschlossene Cuts, um den Arbeitsmarkt zu stützen. Auf der Gegenseite treten Alberto Musalem und Raphael Bostic auf die Bremse. Jeffrey Schmid zieht die Bilanzschraube an, während Lorie Logan das Betriebssystem gleich komplett modernisieren will – weg vom alten Fed-Funds, hin zu robusteren Repo-Sätzen.

Für Anleger heißt das: Front-End im Blick behalten, Repo-Spreads und SRF-Taps monitoren, QT-Kommunikation feinlesen – und sich auf mehr Kurzfrist-Volatilität einstellen. Noch ist das kein Remake von 2019. Aber die Schwelle rückt bedrohlich nah.

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