FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Notenbanken setzen mit ihren Leitzinsanhebungen zur Eindämmung der hohen Inflation die Aktienmärkte immer stärker unter Druck. Am Donnerstag belastete eine unerwartet deutliche Zinserhöhung der Schweizer Nationalbank (SNB) Europas ohnehin fragile Börsen schwer. In Frankfurt sackte der Dax zeitweise in Richtung der runden Marke von 13 000 Zählern. Zuletzt büßte er noch 2,46 Prozent auf 13 154 Punkte ein. Er bewegt sich auf dem tiefsten Niveau seit Anfang März.

Der MDax fiel um 2,64 Prozent auf 27 051 Zähler. Für den Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 ging es um 2,1 Prozent abwärts. Der Schweizer SMI sackte in Zürich gar auf den tiefsten Stand seit Ende 2020 ab und verlor zuletzt noch 2,5 Prozent. Die Nervosität bleibt hoch, zwischenzeitliche Kurserholungen wie am Vortag werden schnell für Verkäufe genutzt. Angesichts des mittlerweile zügigen Tempos bei der Straffung der Geldpolitik durch die Zentralbanken sehen Anleger die Gefahr einer Rezession weiter steigen.

Die SNB erhöhte den Leitzins am Morgen überraschend um 0,50 Prozentpunkte und erklärte dies als Maßnahme gegen inflationären Druck. Laut einem Marktteilnehmer hatte so gut wie kein Ökonom damit gerechnet, dass sich die SNB in die Riege der zinserhöhenden Notenbanken einreiht. Auch an den Anleihe- und Devisenmärkten sei allenfalls ein kleiner Schritt einkalkuliert worden. Entsprechend geriet auch der gerade wieder etwas erholte Bund-Future , der den Kurs einer fiktiven, langfristigen Bundesanleihe widerspiegelt, wieder stark unter Druck. Am Nachmittag verlor er 1,88 Prozent auf 142,63 Punkte.

Neben der SNB hob am Donnerstag auch die Bank of England (BoE) ihren Leitzins um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent an. Dies war von Volkswirten erwartet worden. Allerdings stellte die BoE weitere Zinsschritte in Aussicht.

Die Anleger hatten sich nach der jüngst nochmals überraschend hohen US-Inflation in den vergangenen Tagen gerade erst auf eine noch straffere Geldpolitik der US-Notenbank Fed eingestellt, sodass die am Vorabend vollzogene Leitzinsanhebung um 0,75 Prozent - immerhin die deutlichste seit 1994 - nicht mehr wirklich überraschte. Nun aber verstärkte die SNB wieder die Inflations- und Wachstumssorgen. Auch der Druck auf die bisher eher zögerliche Europäische Zentralbank (EZB) wächst. Sie hat für Juli eine erste Zinserhöhung angekündigt.

Das Inflationsthema werde immer prägnanter und ernsthafter an den Finanzmärkten erkannt und in die einzelnen Anlageklassen eingepreist, sagte Marktexperte Andreas Lipkow von Comdirect. "In diesem Umfeld macht es kaum Sinn, sich gegen die Verkaufswelle auflehnen zu wollen." Die Bühne gehöre zurzeit den pessimistisch eingestellten Marktteilnehmern.

Am Markt standen Online-Modehändler im Fokus nach einer gesenkten Prognose von Asos und einem enttäuschenden Zwischenbericht von Boohoo . Dies setzte die Titel des deutschen Konkurrenten Zalando erheblich unter Druck. Die Papiere fielen als Schlusslicht im Dax um mehr als zehn Prozent.

Die Aktien von BASF und Uniper gehörten mit hohen Kursverlusten von mehr als sechs beziehungsweise fast elf Prozent ebenfalls zu den schwächsten Werten. Hauptgrund dürfte die weitere Reduzierung der Gaslieferungen nach Deutschland durch den russischen Energiekonzern Gazprom sein. Bei der BASF etwa bedroht ein möglicher Stopp russischer Gaslieferungen die Produktion am Chemiestandort Ludwigshafen.

Südzucker bauten ihre Vortagesgewinne um 3,3 Prozent aus. Analyst Oliver Schwarz von Warburg Research strich seine Verkaufsempfehlung und reagierte damit auf die erhöhten Jahresziele vor allem dank der hervorragenden Entwicklung bei CropEnergies.

Angesichts der hohen Verunsicherung an den Finanzmärkten sank auch der Euro . Am Nachmittag kostete die Gemeinschaftswährung 1,0420 Dollar. Die EZB hatte den Referenzkurs am Mittwoch auf 1,0431 Dollar festgelegt. Am Rentenmarkt gingen die Kurse auf Talfahrt. Die Umlaufrendite stieg im Gegenzug von 1,66 Prozent am Vortag auf 1,72 Prozent. Der Rentenindex Rex gab um 0,27 Prozent auf 130,47 Punkte nach./ajx/stk

--- Von Achim Jüngling, dpa-AFX ---

Quelle: dpa-Afx