FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Euro ist am Donnerstag nach anfänglichen Gewinnen unter Druck geraten und unter 1,02 US-Dollar gerutscht. Die Stimmung kippte nach dem Rücktritt von Italiens Ministerpräsident Mario Draghi. Der Eurokurs erreichte sein bisheriges Tagestief bei 1,0166 Dollar und notierte zuletzt bei 1,0188 Dollar geringfügig über dem Niveau vom Vorabend. Im frühen Handel war die Gemeinschaftswährung noch auf Erholungskurs gegangen und angesichts der wiederangelaufenen Gaslieferungen aus Russland über die runde Marke von 1,02 Dollar gestiegen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Mittwochnachmittag auf 1,0199 Dollar festgesetzt.

Italiens Staatschef Sergio Mattarella nahm den Rücktritt von Draghi inzwischen an. Die Regierung bleibt aber für die Abwicklung der laufenden Geschäfte noch im Amt. Mattarella muss nun entscheiden, ob er die Parlamentskammern auflöst und damit den Weg für eine vorgezogene Wahl ebnet oder ob er einen Experten oder Politiker sucht, um eine neue Regierungsmehrheit aus dem bestehenden Parlament zu formen.

Italien rutscht damit immer weiter ins politische Chaos. Das hoch verschuldete Land könnte nun zu einer Gefahr für die Europäische Union und den Euro werden. Aus Sicht der Commerzbank sind jetzt Neuwahlen im September oder Oktober wahrscheinlich. Damit dürfte der Antrieb für die Reformen, die Draghi auf den Weg gebracht hat, weitgehend dahin sein, schrieb Analyst Marco Wagner. Dabei habe Italien wirtschaftliche Probleme zuhauf wie den wenig flexiblen Arbeitsmarkt, die ineffiziente Bürokratie oder das starke Nord-Süd-Gefälle.

Durch die Regierungskrise in Italien rückte in den Hintergrund, dass Russland wieder Gas durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 liefert. Netzdaten ließen darauf schließen, dass die angekündigten Mengen nach der Wartung der Ostsee-Leitung eingehalten werden - das Hochfahren in den ersten Betriebsstunden verläuft nach Angaben des Betreibers bisher jedenfalls nach Plan. Zuvor war befürchtet, dass der Euroraum bei einem Ausbleiben russischer Gaslieferungen in die Rezession abgleiten könnte.

Im weiteren Handelsverlauf steht die Geldpolitik der EZB im Mittelpunkt. Es wird erwartet, dass die Notenbank erstmals seit elf Jahren ihre Leitzinsen anhebt. Sie würde sich damit gegen die hohe Inflation stemmen, allerdings deutlich später als andere große Notenbanken. Das Ausmaß der Anhebung ist ungewiss: Signalisiert ist ein Zinsschritt um 0,25 Prozentpunkte, aber auch ein größerer Schritt um einen halben Prozentpunkt ist denkbar. Zudem könnte es Nachrichten zu einem neuen Instrument geben, mit dem "ungerechtfertigte Zinsanstiege" im Euroraum verhindert werden sollen./la/bgf/mis

Quelle: dpa-Afx