NEUBIBERG (dpa-AFX) - Für den Chiphersteller Infineon liefen die Geschäfte zuletzt wieder rund. Der Dax -Konzern war im vergangenen Jahr vergleichsweise glimpflich durch die Corona-Krise gekommen und profitierte im ersten Geschäftsquartal von der weltweit starken Nachfrage nach Halbleitern. Vorstandschef Reinhard Ploss hat das Unternehmen aus Neubiberg bei München trotz einer schwierigen Phase auf Kurs gehalten und verspricht sich nicht zuletzt durch die milliardenschwere Cypress-Übernahme wieder gute Wachstumsperspektiven. Was bei Infineon los ist, wie Experten die weiteren Aussichten einschätzen und wie sich die Aktie entwickelt hat.

DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:

Auf der Hauptversammlung des Chipherstellers Ende Februar zeigte sich, dass Ploss in den zurückliegenden Monaten offenbar einiges richtig gemacht hat. Denn von den Aktionärsvertretern und Fondsmanagern gab es Lob für die starke Entwicklung von Geschäft und Aktienkurs. Das Krisenmanagement von Infineon sei positiv gewesen, hieß es.

In der Tat scheint der Dax-Konzern nach einem von der Pandemie beeinträchtigten Jahr mittlerweile wieder auf der Überholspur zu sein. Nach einem guten Auftaktquartal (bis Ende Dezember) hatte der Halbleiter-Spezialist seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr 2020/2021 leicht angehoben und erwartet nun einen höheren Umsatz und eine bessere Profitabilität. So spielte Infineon zuletzt nicht nur ein verbessertes wirtschaftliches Umfeld in die Karten, sondern auch der Digitalisierungs-Schub sowie der in vielen Branchen aktuell herrschende Mangel an Halbleitern.

Außerdem verlief die Erholung der globalen Automärkte schneller als erwartet. Mit der Autoindustrie macht Infineon den Löwenanteil seines Geschäfts, hier musste der Konzern in der Vergangenheit wegen Corona und der zuvor anhaltend mauen Autokonjunktur Einbußen hinnehmen. Nicht nur im Automotive-Segment, sondern auch in anderen Sparten verzeichnete Infineon im ersten Quartal Zuwächse. So konnte der Konzern etwa im PSS-Segment, in dem das Geschäft mit Chips für die Stromversorgung sowie für mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets gebündelt ist, ebenfalls zulegen. Auch der Bereich Industriehalbleiter wuchs.

Im vergangenen Jahr musste allerdings auch Infineon wegen der Corona-Krise empfindliche Gewinneinbußen hinnehmen, wenngleich sich die Lage im Schlussquartal schon wieder aufgehellt hatte. Derzeit ist das Marktumfeld wieder deutlich günstiger, die Nachfrage nach Chips ist aufgrund des anhaltenden Halbleiter-Mangels besonders in der Auto- und der Unterhaltungsindustrie hoch. Ungeachtet dessen hatte Konzernchef Ploss zuletzt aber auch immer wieder darauf verwiesen, dass die Pandemie trotzdem noch nicht ausgestanden sei.

Im laufenden Geschäftsjahr wird der im vergangenen Frühjahr nach einer langen Hängepartie übernommene US-Konzern Cypress Semiconductor erstmals komplett konsolidiert. Infineon verfügt mit den Kaliforniern an Bord jetzt über ein breiteres Technologie- und Produktportfolio. Damit könnte der Chiphersteller noch mehr Märkte erreichen, ist Ploss überzeugt. Auf Dauer sieht der Manager ohnehin sehr attraktive Wachstumsmöglichkeiten für das kombinierte Unternehmen, wenn die Covid-Krise überwunden ist. Der erfolgreich abgeschlossene Zukauf ist laut Ploss aus strategischer Sicht ein Meilenstein gewesen. Er sieht das Unternehmen für die Zukunft gut aufgestellt. Zumal Infineon bewiesen habe, dass der Konzern ein robustes Geschäftsmodell habe und sich auch in unsicheren Zeiten stetig weiterentwickle.

Weil die Nachfrage hoch ist, will Ploss die Fertigungskapazitäten erhöhen und den Start der neuen Halbleiterfabrik im österreichischen Villach vorziehen. So soll die neue Fabrik in Kärnten bereits im letzten Quartal des laufenden Geschäftsjahres an den Start gehen. Bislang hatte Infineon das Ende des Kalenderjahres anvisiert.

Dennoch sind auch die Neubiberger nicht vor Unwägbarkeiten gefeit. So musste Infineon seine Anlagen wegen eines schweren Wintersturms und den daraus resultierenden Stromausfällen in der Region rund um die Stadt Austin (US-Bundesstaat Texas) Mitte Februar zwischenzeitlich abschalten. Mittlerweile hat der Chipkonzern seine Produktionskapazitäten dort zwar wieder hochgefahren. Doch wegen der zwischenzeitlichen Abschaltung rechnet das Unternehmen mit Umsatzeinbußen, die insbesondere im dritten Quartal anfallen und einen hohen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag ausmachen dürften. Ein Update zu Austin will der Konzern bei seiner Berichterstattung zum zweiten Jahresviertel am 4. Mai geben.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Seit der Vorlage der Zahlen für das erste Geschäftsquartal Anfang Februar haben sich zwölf der im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten näher mit Infineon beschäftigt. Ihr Votum fällt klar positiv aus: Gleich acht Analysten empfehlen den Kauf der Titel, vier von ihnen sprechen sich dafür aus, die Papiere zu halten und die weiteren Entwicklungen im Unternehmen genau zu beobachten. Für den Verkauf der Anteilscheine votiert aktuell niemand.

Mit einem Kursziel von 45 Euro hat die Privatbank Berenberg den höchsten Wert auf dem Zettel. Aus Sicht von deren Analystin Tammy Qiu treibt die Nachfrage nach Halbleitern für die Automobilindustrie Infineon kurzfristig an. Der Engpass in diesem Bereich dürfte bis ins dritte oder vierte Quartal hinein dauern, glaubt die Expertin. Von diesem Trend profitiere der Chiphersteller weiterhin, denn er sei am stärksten auf die Auto-Endmärkte ausgerichtet. Zudem dürfte der Autoabsatz 2021 wieder wachsen.

Ähnlich zuversichtlich gibt sich die Deutsche Bank, deren Analyst Johannes Schaller auf eine Online-Roadshow mit dem Leiter der Sparte Connected Secure Systems (CSS) verweist. In dem Bereich wird unter anderem das Geschäft mit Chips für das kontaktlose Bezahlen oder Spielekonsolen gebündelt, das derzeit boomt. Dieses Geschäft habe ihn in seiner Einschätzung bestärkt, dass der Halbleiterkonzern in einer starken Position sei, nach der erfolgreichen Integration von Cypress die zunehmenden Chancen im Bereich Internet der Dinge zu nutzen.

Für DZ-Bank-Analyst Harald Schnitzer bleibt die Chipindustrie als Motor der technologischen Entwicklung auf Wachstumskurs und gewinnt strategisch an Bedeutung. Um technologisch auf dem neuesten Stand zu bleiben und die Kostenstrukturen zu optimieren, nehme das Übernahmekarussell in der Branche Fahrt auf. Trotz seiner Größe sei auch Infineon ein Übernahmekandidat. Der Konzern verfüge über ein hervorragendes Technologieportfolio für strukturell wachsende Märkte und halte führende Marktpositionen in den Segmenten, urteilt der Experte.

Während Achal Sultania von der schweizerischen Bank Credit Suisse davon ausgeht, dass Infineon angesichts der beschleunigten Durchsetzung der E-Mobilität seine mittelfristigen Ziele übertreffen kann, glaubt Sandeep Deshpande von der US-Bank JPMorgan, dass der Halbleiter-Spezialist durchaus die Schätzungen übertreffen und die Schätzungen für das laufende Jahr erhöhen könnte.

Dagegen gibt Malte Schaumann vom Analysehaus Warburg Research zu bedenken, dass der Chiphersteller im ersten Quartal zwar besser als erwartet abgeschnitten habe. Nun jedoch sei der Spielraum für weitere positive Überraschungen begrenzt. Mit einem Kursziel von nur 31 Euro ruft Schaumann zusammen mit der NordLB den geringsten Wert auf.

Unterdessen rechnet Andrew Gardiner von der britischen Investmentbank Barclays damit, dass in der Berichtssaison der europäischen Anbieter von Technologie-Hardware das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage das bestimmende Thema sein dürfte. Dank der Nachfragestärke sei dem Sektor erneut ein guter Jahresstart gelungen. Bei Infineon aber könnten sich Kapazitätsbeschränkungen in diesem Jahr als limitierender Faktor erweisen.

DAS MACHT DIE AKTIE

Seit dem Corona-Crash an den Aktienmärkten im März vergangenen Jahres hat die Infineon-Aktie ihren Wert mehr als verdreifacht. Anfang April erreichte sie mit 37,30 Euro den höchsten Stand seit 2001. Seitdem ist der Kurs aber wieder etwas abgebröckelt.

Die Infineon-Aktie war Ende März in den Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 aufgestiegen und hatte dort den finnischen Netzwerkausrüster Nokia ersetzt. Im vergangenen Jahr bekamen die Titel aber die zwischenzeitliche Panik an den Finanzmärkten zu spüren. Kostete die Aktie Mitte Februar 2020 noch rund 23 Euro, ging es anschließend tief in den Keller. Mitte März - also zum Höhenpunkt des Corona-Crashs - waren die Titel nur noch etwas mehr als 10 Euro wert. Damit hatten sie innerhalb von nur etwas mehr als einem Monat über die Hälfte eingebüßt.

Im Anschluss setzte dann aber eine kontinuierliche und steile Aufwärtstendenz ein. Im laufenden Jahr steht für die Titel ein Plus von rund 8 Prozent zu Buche. In den zurückliegenden 12 Monaten haben sie ihren Wert mehr als verdoppelt.

Durch den klaren Kursanstieg ist das Unternehmen an der Börse erheblich wertvoller geworden. Aktuell kommt Infineon auf eine Marktkapitalisierung von rund 44 Milliarden Euro - damit liegt der Chipkonzern im Leitindex Dax ziemlich genau in der Mitte. Konkurrent STMicroelectronics kommt derzeit auf einen Börsenwert von knapp 30 Milliarden Euro./eas/ajx/mne/he

Quelle: dpa-Afx