NEUBIBERG (dpa-AFX) - Beim Chiphersteller Infineon hat es zuletzt deutliche Signale für eine Erholung gegeben. Für das laufende Geschäftsjahr zeigt sich Konzernchef Reinhard Ploss trotz der anhaltenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie durchaus zuversichtlich. Positive Nachrichten von der Konkurrenz wie etwa STMicro geben Anlass zur Hoffnung. Profitieren will Infineon auch durch die Übernahme des US-Konkurrenten Cypress im vergangenen Jahr. Was bei Infineon los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

LAGE BEI INFINEON:

Die Corona-Pandemie hat auch Infineon zu schaffen gemacht. Im vergangenen Geschäftsjahr (per Ende September) musste der Konzern deutliche Gewinneinbußen hinnehmen. Doch zeigte sich die Lage im Schlussquartal schon wieder deutlich aufgehellt. So konnte Infineon von einer Erholung im Autogeschäft profitieren und bei Umsatz und operativem Ergebnis klar zulegen. Für das neue, seit Anfang Oktober laufende Geschäftsjahr 2020/2021 kündigte Infineon weiteres Wachstum an. Dabei wird Cypress erstmals für ein gesamtes Geschäftsjahr konsolidiert. Die Zahlen sind daher nur bedingt mit dem Vorjahr vergleichbar. Infineon hatte die milliardenschwere Übernahme im vergangenen April abgeschlossen. Der Umsatz soll deutlich um rund 2 Milliarden Euro auf um die 10,5 Milliarden Euro steigen, wobei Infineon eine Bandbreite von plus oder minus 5 Prozent um den Wert herum sieht. Auch die Segmentergebnis-Marge mit 16,5 Prozent in der Mitte der Umsatzspanne soll klar über dem Vorjahreswert liegen.

Durch den Cypress-Kauf verfügt Infineon über ein breiteres Technologie- und Produktportfolio. Damit könnte der Chiphersteller noch mehr Märkte erreichen, erwartet Konzernchef Ploss, der das Unternehmen für die Zukunft "bestens aufgestellt" sieht. Im neuen Geschäftsjahr soll das für Infineon besonders wichtige Autogeschäft etwas mehr als die Hälfte zum erwarteten Umsatzanstieg beitragen.

Für das typischerweise schwächere erste Geschäftsquartal ging der Chiphersteller zuletzt von einem im Vergleich zum Vorquartal stagnierenden bis deutlich höheren Umsatz aus. Konkurrent STMicroelectronics hatte sich jüngst optimistisch gezeigt und rechnet nach einem guten Abschluss für das Kalenderjahr 2020 mit einer anhaltend guten Nachfrage auch zu Jahresbeginn.

Derzeit herrscht in vielen Wirtschaftsbereichen ein Mangel an Halbleitern, so etwa in der Auto- und der Unterhaltungsindustrie. STMicro ist wie auch Infineon stark bei Chips für die Autoindustrie und profitiert von der unerwartet hohen Nachfrage - der weltweite Automarkt hatte sich nach dem Corona-Einbruch im vergangenen Frühjahr schneller erholt als gedacht. Hinzu kommt der beschleunigte strukturelle Wandel hin zur Elektromobilität, insbesondere in Europa.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Marktbeobachter zeigen sich derzeit optimistisch zu Chipwerten insgesamt und Infineon speziell. So hatte etwa das Bankhaus Metzler jüngst das Kursziel von 30 auf 39 Euro angehoben und empfiehlt die Aktie weiter zum Kauf. Die starke Erholung der Endmärkte spreche für den Halbleiterwert, begründete Analyst Holger Schmidt seine Einschätzung. Auch die Lieferengpässe in einigen Halbleiter-Bereichen wirkten sich günstig für den Chiphersteller aus.

Die DZ Bank sieht den fairen Wert für Infineon bei 40 Euro, für sie ist die Aktie ebenfalls ein Kauf. Wegen des derzeit günstigen Marktumfeldes mit guter Nachfrage und einer stabilen Preisqualität dürfte der Chiphersteller im ersten Geschäftsquartal den oberen Rand der angegebenen Bandbreite erreichen und die Jahresprognose nach oben korrigieren, erwartet Analyst Harald Schnitzer. Das günstige Marktumfeld könnte sich positiv auf die Kapazitätsauslastung auswirken.

Starke Digitalisierungs- und Elektromobilitätstrends stimmen derweil die US-Bank Goldman Sachs zuversichtlich für Europas Chipbranche. Infineon dürfte davon laut Analyst Alexander Duval besonders mit Blick auf die Automotive-Sparte profitieren.

Allgemein sieht der Experte im laufenden Jahr sowohl positive zyklische als auch strukturelle Trends in zahlreichen Endmärkten von Chipherstellern. Eine robuste Dynamik gebe es unter anderem im Bereich Telearbeit, da immer mehr Menschen wegen der Corona-Pandemie von Zuhause aus arbeiten. Zudem verweist er auf die positiven Trends in den Bereichen Online-Spiele und Kooperationstechnologien sowie auch auf den neuen Mobilfunkstandard 5G.

Darüber hinaus stellt Duval den für Infineon bedeutsamen Automobil-Bereich und dessen Trend zur Elektrifizierung in den Vordergrund. Für die Münchener kalkuliert der Goldman-Experte eine deutlichere Erholung des Automarktes und zugleich eine robuste Wachstumskurve für Elektroautos ein: "Infineon hat beträchtliche Wachstumschancen, die auf einer zunehmenden Verwendung von Halbleitern in Elektroautos basieren."

DAS MACHT DIE AKTIE:

Seit dem Corona-Crash an den Aktienmärkten im vergangenen März hat die Aktie wieder deutlich zugelegt und die Kursverluste mehr als wett gemacht. Im Januar gab es noch einmal einen zusätzlichen Schub durch gute Zahlen aus der Branche, neben STMicro etwa auch vom Chipindustrieausrüster ASML , der als Frühindikator für die zyklische Halbleiterbranche gilt. Derzeit ist die Infineon-Aktie so teuer wie seit vielen Jahren nicht mehr, mit einem Kurs von fast 36 Euro erreichte das Papier Ende Januar ein neues Hoch seit 2001. Seitdem ist der Kurs wieder etwas abgebröckelt und liegt aktuell bei rund 33 Euro.

Zum Vergleich: Kostete die Aktie Mitte Februar 2020 noch rund 23 Euro, ging es anschließend in den Keller. Mitte März - also zum Höhenpunkt des Corona-Crashs waren die Titel zwischenzeitlich nur noch etwas mehr als 10 Euro wert. Danach setzte eine kontinuierliche Aufwärtstendenz ein. Im laufenden Jahr legte die Aktie bislang um knapp sechs Prozent zu. Über die vergangenen zwölf Monate gesehen machte das Papier einen Sprung um gut 60 Prozent. Langfristig sieht es sogar noch besser aus: Im Fünf-Jahresvergleich sind es über 170 Prozent.

Der deutliche Kursanstieg hat das Unternehmen erheblich wertvoller werden lassen. So kann Infineon zuletzt auf eine Marktkapitalisierung von rund 43 Milliarden Euro blicken - was einen vorderen Platz im Mittelfeld des Dax bedeutet. Konkurrent STMicro kommt derzeit auf knapp 30 Milliarden Euro./nas/men/fba

Quelle: dpa-Afx