(neu: Kurs aktualisiert, Analystenstimmen, mehr Details)
GÖPPINGEN (dpa-AFX) - Der angeschlagene Softwareanbieter Teamviewer
Der in den vergangenen Monaten schwer gebeutelte Aktienkurs gewann am Nachmittag 15,6 Prozent auf 13,35 Euro. Damit war das Papier so teuer wie seit Mitte November nicht mehr. "Das Wachstum im vierten Quartal sollte die Investoren zufriedenstellen", schrieb Analystin Stacy Pollard von der US-Großbank JPMorgan in einer ersten Einschätzung. Für eine durchgreifende Erholung würden die Anleger jedoch eine ähnliche Entwicklung beständig auch in den kommenden Quartalen sehen wollen, merkte sie an.
Ohnehin dürfte das starke Kursplus für viele Anleger nur ein schwacher Trost sein, denn allein 2021 verlor der Kurs wegen der Probleme rund um Wachstum und hohe Kosten fast drei Viertel seines Werts. Im Sommer 2020 war der Titel auf dem Rekordhoch mehr als das Vierfache wert mit fast 55 Euro. Selbst der Ausgabepreis zum Börsengang im September 2019 mit 26,25 Euro ist derzeit noch in weiter Ferne.
Dass Teamviewer mit den detaillierten Jahreszahlen am 2. Februar auch einen Plan für die Kapitalallokation - also für die Verwendung verfügbarer finanzieller Mittel - vorlegen will, sorgte bei Anlegern für Fantasie. Eine Dividende zahlt das Unternehmen bislang nicht. Im November hatte Vorstandschef Oliver Steil der "Börsen-Zeitung" gesagt, dass die Investoren wohl bald wissen wollen, was das Management mit den freien Barmitteln anzustellen gedenke. Er brachte vor allem weitere Zukäufe ins Spiel - sollten die aber keinen Sinn machen, könne man immer noch über Dividenden nachdenken.
Einen Aktienrückkauf sah der Manager zu dem Zeitpunkt dagegen kritisch: "Ich glaube nicht, dass man mit so einer kurzfristigen Aktion Wert generieren kann." Nun brachten einige Expertinnen und Experten dennoch einen größeren Kapitalrückfluss an die Aktionäre ins Spiel. UBS-Analyst Hannes Leitner etwa sah Raum für Kapitalrückzahlungen in Höhe von 100 bis 200 Millionen Euro. Er verwies auf eine deutlich niedrigere Verschuldungsquote gegen Ende dieses Jahres. Auch JPMorgan-Analystin Pollard schrieb von "etwaigen Aktienrückkäufen".
Teamviewer hatte zu Beginn der Corona-Pandemie von einer Sondernachfrage nach Fernwartungs- und Videokonferenzsoftware profitiert, konnte die Geschwindigkeit beim Wachstum aber in der Folge nicht auf hohem Niveau halten. Finanzchef Stefan Gaiser wertete die Ergebnisse aus dem Schlussquartal nun als Erfolg. "Wir haben das Geschäftsjahr mit einem starken vierten Quartal abgeschlossen", sagte er. "Das spiegelt sich besonders in der hohen Anzahl an Vertragsverlängerungen und in einem starken Billings-Wachstum im Enterprise-Segment wider." Insbesondere bei Großkunden, im Enterprise-Bereich, verspricht sich Teamviewer in den kommenden Jahren gute Geschäfte.
Die Billings sind die in einem Zeitraum in Rechnung gestellten Umsätze der kommenden zwölf Monate. Da der Umsatz selbst in der Bilanz auf die Vertragslaufzeit verteilt werden muss, gibt er nach Ansicht des Managements die aktuelle Nachfrage nur unzureichend wieder. Teamviewer hatte in der jüngeren Vergangenheit mit vielen Kündigungen und auslaufenden Abonnements zu kämpfen, da viele Unternehmen nach der Hochphase der Pandemie wieder in einen geregelteren Arbeitsablauf eintraten und die Software nicht mehr im bisherigen Umfang brauchten.
Das Management hatte die Wachstumsaussichten nach mehreren unerwartet schwachen Quartalen im vergangenen Oktober harsch gekappt - nicht nur für 2021, sondern auch für die Jahre danach. Das hatte den Aktienkurs rapide abstürzen lassen: Den anfallenden Kosten für das ohnehin stark kritisierte teure Sportsponsoring beim englischen Fußballclub Manchester United und beim Mercedes-Formel-1-Team standen nämlich plötzlich drastisch geringere Erwartungen bei den Erlösen gegenüber. Zudem hatte Teamviewer wegen hoher Wachstumspläne viel Personal eingestellt.
Erste Maßnahmen zum Gegensteuern hätten bereits Wirkung gezeigt, sagte Finanzchef Gaiser. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen werde 2021 voraussichtlich zwischen 254 und 257 Millionen Euro liegen. Das seien rund 47 Prozent Marge bezogen auf die in Rechnung gestellten Umsätze (Billings) und damit etwas mehr als zuletzt mit bis zu 46 Prozent veranschlagt. 2020 hatte das Unternehmen noch eine Marge von knapp 57 Prozent erzielt - die Investitionen in Werbung und Personal ließen die Profitabilität nun sinken.
Die Billings stiegen 2021 im Gesamtjahr um 19 Prozent auf rund 548 Millionen Euro und trafen damit die Prognose. Im vierten Quartal legten die Rechnungsstellungen um 20 Prozent zu, währungsbereinigt um 17 Prozent. Zwischen Oktober und Dezember hat das Unternehmen darauf verzichtet, bei den vielen Umsonst-Nutzern in großem Stile zu überprüfen, ob sie die Software des Unternehmens kommerziell einsetzen - um bei Privatanwendern die Attraktivität des kostenlosen Angebots zu stärken, wie es hieß. Die Abonnentenzahl stieg zum Ende des Jahres auf 627 000, ein Jahr zuvor waren es 584 000 gewesen./men/ngu/mis
Quelle: dpa-Afx