HAMBURG/BREMEN (dpa-AFX) - Die coronabedingt ohnehin schon chaotische Abfertigung von Container- und Frachtschiffen in Deutschlands Seehäfen droht wegen eines Warnstreiks der Hafenarbeiter vollends aus dem Tritt zu geraten. Unzufrieden mit den Ergebnissen der vierten Verhandlungsrunde in Bremen forderte die Gewerkschaft Verdi am Mittwoch tausende Beschäftigten auf, am Donnerstagmorgen für 24 Stunden die Arbeit niederzulegen. Betroffen seien die Häfen Hamburg, Emden, Bremerhaven, Bremen, Brake und Wilhelmshaven. Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) verurteilte die Streikankündigung und forderte ein Vermittlungsverfahren. "Die angekündigten 24-stündigen Warnstreiks sind nicht verhältnismäßig", sagte ZDS-Verhandlungsführerin Ulrike Riedel.
"Wir hätten einen weiteren Warnstreik gern vermieden, aber das jetzt vorliegende, mehrheitlich verschlechterte Angebot ist für uns nicht annehmbar", entgegnete Verdi-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth. Bereits vor der dritten Verhandlungsrunde hatten Hafenarbeiter erstmals seit Jahrzehnten bei einem Warnstreik mehrere Stunden die Abfertigung von Schiffen weitgehend lahmgelegt und die ohnehin massiven Verspätungen an der Kaikante weiter vergrößert.
Wegen der in Folge der Corona-Pandemie aus dem Tritt geratenen Containerschifffahrt warten derzeit in der Nordsee Dutzende Schiffe auf ihre Abfertigung. Nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft stecken dort nun mehr als zwei Prozent der globalen Frachtkapazität im Stau und können weder be- noch entladen werden. Alleine in der Deutschen Bucht warteten derzeit 15 große Containerschiffe auf ihre Abfertigung in Hamburg oder Bremerhaven - und ein Ende ist nicht in Sicht. Nach dem Ende des Lockdowns am weltgrößten Containerhafen in Shanghai rollt nun eine Welle an Containerfrachtern auf Europa zu. Dabei gibt es in den Häfen bereits jetzt kaum Container-Stellplätze, weil Boxen, die sonst binnen kurzer Zeit weitertransportiert werden, nun zwischengelagert werden müssen.
Schwiegershausen-Güth nannte das jüngste Angebot der Arbeitgeber für die rund 12 000 Beschäftigten in den 58 tarifgebundenen Betrieben in Hamburg, Niedersachsen und Bremen eine klassische Mogelpackung. "Nach der Annäherung in der dritten Runde haben wir jetzt einen Rückschritt gemacht." Sie forderte die Arbeitgeber zu weiteren Verhandlungen auf. "Ihr Angebot kann nicht das letzte Wort bleiben."
Der ZDS hatte am Dienstag in Bremen nach eigenen Angaben sein "finales" Angebot vorgelegt. Danach soll der Stundenlohn der Hafenarbeiter bei einer Tariflaufzeit von 18 Monaten um 1,20 Euro steigen, im Autoumschlag um 90 Cent. Darüber hinaus soll die Zulage im Container-Bereich um 1200 Euro steigen. Zudem sei in Vollcontainer-Betrieben eine Einmalzahlung in Höhe von 1000 Euro und in konventionellen in Höhe von 500 Euro geplant.
Verdi fordert dagegen bei einer Laufzeit von nur 12 Monaten für die Beschäftigten ebenfalls eine Erhöhung der Stundenlöhne um 1,20 Euro sowie in Vollcontainerbetrieben eine Erhöhung der jährlichen Zulage um 1200 Euro. Darüber hinaus fordert Verdi einen nicht näher bezifferten "tatsächlichen Inflationsausgleich". Bei Löhnen von aktuell knapp unter 15 Euro bis gut 28 Euro pro Stunde bedeuten die Verdi-Forderungen eine Gehaltssteigerung um bis zu 14 Prozent.
"Wir haben ein sofort wirksames Volumen von bis zu 11 Prozent, davon eine dauerhafte Erhöhung der Löhne um bis zu 7,2 Prozent, angeboten", sagte Riedel. Das gehe über eine echte Reallohnsicherung hinaus und liege deutlich über vergleichbaren Tarifabschlüssen. Riedel warf Verdi vor, keinerlei Kompromisse einzugehen. "Wir fordern ver.di auf, umgehend in ein geordnetes Vermittlungsverfahren mit uns zu gehen und damit unserer gemeinsamen Verantwortung in dieser von multiplen Krisen geprägten Zeit gerecht zu werden", sagte Riedel. Besonders empört zeigte sich die ZDS-Verhandlungsführerin über erhebliche Sachbeschädigungen am Bürogebäude der BLG Logistics Group AG & Co KG in Bremen. "Wir verurteilen diesen blinden Vandalismus."/klm/DP/nas
Quelle: dpa-Afx