HAMBURG/BREMEN (dpa-AFX) - Mehr Miteinander statt Gegeneinander: Die deutschen Seehäfen können die seit Jahren stärker wachsende Konkurrenz unter anderem in Rotterdam und Antwerpen aus Sicht der norddeutschen Wirtschaft nur gemeinsam kontern. "In jüngerer Zeit verlorene Marktanteile müssen zurückgewonnen und zusätzliches Wachstum für die norddeutsche Küste generiert werden", heißt es in einem gemeinsamen Positionspapier der Kammern, das am Freitag veröffentlicht wurde. "Die Seehäfen Bremerhaven, Hamburg und Wilhelmshaven müssen gemeinsam in ihrer internationalen Wettbewerbsposition - vor allem gegenüber den Westhäfen Rotterdam und Antwerpen sowie dem polnischen Hafen Danzig - gestärkt werden", schreiben die Kammern weiter.
Zwar verhandeln die Hafenlogistikkonzerne HHLA
Ein besonderes Augenmerk widmen die Kammern beim Thema Kosten und Preise. Es müssten "große Anstrengungen unternommen werden, um die Produktivität, insbesondere beim Umschlag, zu steigern", verlangen sie. Beispielsweise würden in Rotterdam deutlich mehr Container pro Stunde verarbeitet, als zum Beispiel in Bremen, sagte der Präses der Bremer Handelskammer, Eduard Dubbers-Albrecht. "Wenn ich Reeder bin, schau ich mir das genau an."
Große Potenziale für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit sehen die Kammern zudem bei der gemeinsamen Lobbyarbeit für wichtige Infrastrukturprojekte und bei der gemeinsamen internationalen Vermarktung der Seehäfen. Auch bei IT-Plattformen zur Steuerung der Ladungsströme und dem klimaneutralen Umbau der Häfen sollten die Hafenstandorte an einem Strang ziehen. Hoffnungen setzt die maritime Wirtschaft auf die neue Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP, die in ihrem Koalitionsvertrag verspricht: "Wir werden eine Nationale Hafenstrategie entwickeln und die enge Zusammenarbeit unserer Häfen fördern. Der Bund steht zur gemeinsamen Verantwortung für die notwendigen Hafeninfrastrukturen."
Alle Seehafenbetriebe fordern bereits länger einen Ausbau der Bahnnetze, damit mehr Güter klimafreundlich über die Schiene transportiert werden können. Vorreiter ist hier der Hamburger Hafen, der über die weltweit größte Bahnanbindung für An- und Abtransport von Fracht zum oder vom Hafen verfügt. Aus Sicht der Kammern muss aber auch im Straßenbau einiges geschehen: "Der Aus- und Weiterbau der Küstenautobahn berührt alle fünf norddeutschen Bundesländer", heißt es in ihrem Papier. "Die A20 ist eine wichtige infrastrukturelle Voraussetzung für die Stärkung des maritimen Standorts Norddeutschland."
Rotterdam und Antwerpen sind in den vergangenen Jahren mit stets höheren Wachstumszahlen gegenüber der deutschen Konkurrenz davongezogen. Mit Danzig an der polnischen Ostsee und dem mehrheitlich dem chinesischen Cosco-Konzern gehörenden Hafen im griechischen Piräus sind weitere Rivalen hinzugekommen, die den deutschen Häfen Geschäft wegnehmen. Starke eigene Häfen gelten maritimen Experten indes als Garant für Versorgungssicherheit. Außerdem sichern Häfen direkt und indirekt hunderttausende Arbeitsplätze. Die wären durchaus in Gefahr, sollten deutsche Häfen weiter Marktanteile verlieren.
"Nur durch gemeinsame Kraftanstrengungen können die norddeutschen Seehäfen im schärfer werdenden Wettbewerb Marktanteile zurückgewinnen und Beschäftigung sichern", sagt Dubbers-Albrecht. "Dazu gehören dringend Maßnahmen zur weitgehenden Automatisierung der Prozesse beim Hafenumschlag." Für lokale Eifersucht ist zudem aus seiner Sicht kein Platz. So sei es für ihn aus Bremer Sicht kein Problem, wenn beispielsweise der relativ junge Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven auf Kosten anderer Häfen dazugewinne. "Am Ende geht es darum, den Hafenstandort Deutschland zu stärken."
Mit den allgemeinen Entwicklungen im internationalen Handel kann das relativ geringe Wachstum der deutschen Häfen nicht erklärt werden, wie die Ökonomin Levke Jessen-Thiesen vom Kieler Institut für Weltwirtschaft am Beispiel des Hamburger Hafens erklärt. "Die Entkopplung von Hafenumschlag und EU-Güterhandel weist vielmehr darauf hin, dass der Hamburger Hafen im Wettbewerb hinter anderen Häfen zurückfällt." Die Ökonomin spricht von "strukturellen Herausforderungen", die bereits lange vor der Coronapandemie bestanden hätten./kf/DP/eas
Quelle: dpa-Afx