FRANKFURT/BERLIN (dpa-AFX) - Der Ausstieg aus einem Immobilienkredit kann teuer werden - nach Ansicht von Verbraucherschützern verlangen viele Institute dafür zu viel Geld von ihren Kunden. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt stärkt nach Einschätzung von Anwälten und Verbraucherschützern die Position der Darlehensnehmer.
"Erste Urteile zeigen, dass die Berechnung der sogenannten Vorfälligkeitsentschädigung so komplex ist, dass selbst die Banken daran scheitern, die gesetzlichen Informationspflichten über diese Entschädigungsforderung zu erfüllen", sagte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg der Deutschen Presse-Agentur in Frankfurt. "Wir raten Betroffenen daher, sich gegen die Vorfälligkeitsentschädigung zu wehren und die Klausel zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung rechtlich prüfen zu lassen."
Das Frankfurter OLG hatte am 1. Juli dieses Jahres gegen die Commerzbank
Mit einer solchen Entschädigung sichern sich Geldhäuser - vereinfacht gesagt - einen Ausgleich dafür, dass ihnen im Fall einer vorzeitigen Kündigung eines Kreditvertrages Zinseinnahmen entgehen. In dem vor dem OLG verhandelten Fall sollte der Kreditnehmer für die Ablösung von zwei Darlehen insgesamt mehr als 21 500 Euro an die Commerzbank zahlen.
Nauhauser kritisiert: "Die derzeitige gesetzliche Regelung zur Vorfälligkeitsentschädigung sichert den Banken die volle Gewinnmarge, während die Risiken gescheiterter Finanzierungen auf Verbraucher abgewälzt werden."
Die Praxis jedoch stellt das OLG nicht grundsätzlich in Frage. Eine Bank habe das Recht, "eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden" zu verlangen, heißt es in dem Urteil. Dieser Anspruch sei jedoch "ausgeschlossen, wenn im Vertrag u.a. die Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind".
Nach einer Schätzung der Berliner Kanzlei Gansel, die das Urteil erstritten hat, sind allein bei der Commerzbank direkt etwa 95 000 Kreditverträge von dem Richterspruch betroffen - eine Zahl, die ein Commerzbank-Sprecher auf Nachfrage weder bestätigen noch dementieren wollte.
"Der Gesetzgeber hat im März 2016 festgeschrieben, dass Banken ihre Kunden gerade auch bei Baufinanzierungen klar und deutlich über die Vorfälligkeitsentschädigung belehren müssen", stellte Rechtsanwalt Marko Huth von der Kanzlei Gansel fest. "Dass viele Institute das auch vier Jahre später immer noch nicht umsetzen, ist völlig unbegreiflich. Das Urteil gegen die Commerzbank ist nun hoffentlich der Anfang vom Ende dieser verbraucherfeindlichen Praxis."
Die Kanzlei habe "eine Vielzahl von Verträgen verschiedener Banken geprüft und festgestellt, dass die meisten von ihnen angreifbar sind, da sie keine korrekte Information zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung enthalten", führte Huth aus. Nach Einschätzung der Kanzlei haben Hunderttausende Verbraucher nun die Möglichkeit, "eine Vorfälligkeitsentschädigung zu vermeiden oder bereits getätigte Zahlungen erstattet zu bekommen".
Bis zu einer abschließenden Entscheidung in dem Rechtsstreit kann es jedoch noch dauern: Die Commerzbank hat nach Angaben des Unternehmenssprechers Nichtzulassungsbeschwerde gegen das OLG-Urteil beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. "Vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung des BGH zu den Anforderungen an die Darstellung der Berechnungsmethode für Vorfälligkeitsentschädigungen, wonach lediglich die Benennung der wesentlichen Parameter in groben Zügen erforderlich ist, kann die Ansicht des OLG Frankfurt unseres Erachtens nicht überzeugen", begründete die Bank./ben/DP/fba
Quelle: dpa-Afx