GÖPPINGEN (dpa-AFX) - Der Softwareanbieter Teamviewer
DAS IST LOS BEI TEAMVIEWER:
Vorstandschef Oliver Steil hatte bereits mit der Prognose für das laufende Jahr klargemacht, dass das erste Halbjahr im direkten Zahlenvergleich mit der Sondernachfrage in den ersten beiden Quartalen 2020 nicht so rosig aussehen würde.
"Wir haben uns für die ersten beiden Quartale bei den Billings wegen der starken Vorjahreswerte ein Mindestwachstum von 20 Prozent zum Ziel gesetzt, für das zweite Halbjahr dann deutlich über 30 Prozent. Mit dem Jahresstart liegen wir da auch genau im Plan", sagte Steil nach den Zahlen zum ersten Quartal im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Für das Gesamtjahr sind weiterhin währungsbereinigt 29 bis 33 Prozent Wachstum anvisiert.
Teamviewer ist vor allem für seine Fernwartungssoftware und Videokonferenz-Apps bekannt und traf damit im ersten großen Lockdown im Frühjahr 2020 den Nerv von Kunden - und von Anlegern. Ganz so viel Schwung wie damals kann der Anbieter nicht mehr aufweisen, was das Unternehmen allerdings als Normalisierung wertete.
Doch langfristig hat Steil große Pläne und will das Wachstum ordentlich ankurbeln. Zunächst übernahm Teamviewer im vergangenen Jahr die Bremer Softwarespezialisten von Ubimax, um sich im Bereich mit Augmented-Reality-Software zu stärken. Das sind Programme, die zum Beispiel Wartungstechnikern auf Datenbrillen Schaltpläne oder nötige andere Infos liefern können. Teamviewer will damit vor allem bei den lukrativen Firmenkunden mit großen Verträgen punkten. Die Göppinger kauften für den Bereich in diesem Jahr noch die US-Firma Upskill und den 3D-Visualisierer Viscopic. In Österreich legte sich das MDax-Unternehmen die Firma Xaleon zu, die Software zur Online-Kundenbetreuung samt Vertragsabschlüssen anbietet.
Untermauert hat Steil das Wachstumsvorhaben mit einer großen Marketingoffensive. So wird das Teamviewer-Logo ab der kommenden Saison als Hauptsponsor auf dem Trikot des englischen Premiere-League-Clubs Manchester United prangen. Auch beim Formel-1-Team von Mercedes-Benz soll das Emblem eine tragende Rolle spielen. Das Marketingbudget für dieses Jahr wurde dafür soweit aufgestockt, dass Teamviewer die Ergebnisprognose für dieses Jahr um rechnerisch rund 35 Millionen Euro senken musste. Und da noch andere Marketinggelder umgewidmet wurden, dürften die Verträge sogar noch mehr als das kosten.
An der Börse muss Steil für diesen teuren Expansionskurs weiter werben, die Gewinnwarnung schockte die Anleger. Denn die Kosten für das Sportsponsoring dürften in den kommenden Jahren noch steigen, wie Finanzchef Stephan Gaiser erläuterte. Allerdings gibt Teamviewer nach eigenem Bekunden damit gemessen am in Rechnung gestellten Umsatz weiter weniger für Marketing aus als die direkte Konkurrenz.
Das Sportsponsoring soll das Wachstum der sogenannten Billings - die Rechnungsstellungen für die kommenden zwölf Monate - auch über 2023 hinaus unterstützen. Es soll insbesondere auch bei großen Unternehmenskunden Schwung bringen. Bis 2023 hat Teamviewer ein Wachstum bei den Billings auf rund eine Milliarde Euro angepeilt - mehr als eine Verdoppelung des Werts von 2020 (460 Mio Euro). Vor allem ab 2025 sollen die Sportsponsorings sich dann merklich bezahlt machen, dann erhofft sich Teamviewer ein zusätzliches Potenzial von zunächst 150 Millionen Euro Geschäft jährlich.
Für dieses Jahr peilt Teamviewer ein Wachstum der Billings auf 585 bis 605 Millionen Euro an. Das bereinigte operative Ergebnis (ber. Ebitda) wird zwischen 49 bis 51 Prozent der Billings erwartet. Die Billings sind für das Management die wesentliche Kennzahl zur Beurteilung des Tagesgeschäfts. Der Umsatz wächst derzeit nicht so stark, weil das Unternehmen weiter von Lizenzverkäufen auf das Abomodell umstellt. Die Erlöse sollen in diesem Jahr zwischen 525 und 540 Millionen Euro betragen (VJ: 456).
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Die seit Mai im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten sind sich weitgehend einig: Sieben von acht Analysten raten zum Kauf von Teamviewer-Aktien. Nur die britische Bank Barclays ist etwas vorsichtiger und belässt ihr Rating bei "Halten". Dabei hat der Kurs noch ein gutes Stück vor sich, um das durchschnittliche Kursziel von gut 51 Euro zu erreichen. Derzeit taumelt die Aktie um 31 Euro.
Trotz seines neutralen Votums zu den Teamviewer-Aktien klang Barclays-Analyst James Goodman zuletzt allerdings insgesamt eher optimistisch. Der Anbieter von Fernwartungssoftware habe das erwartet solide und unkomplizierte Quartal vorgelegt, schrieb Goodman nach Vorlage der Zahlen für die ersten drei Monate. Das konstante Wachstum bei den Rechnungsstellungen (Billings) sei eindrucksvoll, stellte der Experte fest.
Ebenfalls angetan zeigte sich JPMorgan-Expertin Stacy Pollard, die weiterhin eine Kaufempfehlung aussprach. Der Softwarekonzern habe im ersten Quartal solide abgeschnitten und den Ausblick bestätigt, begründete sie ihre Entscheidung. Andreas Wolf von Warburg Research fügte an, die ersten drei Monate des Jahres seien vor allem gewinnseitig sehr gut ausgefallen. Zudem habe Teamviewer bei den Billings etwas über den Erwartungen gelegen.
SO LIEF DIE AKTIE
Schon seit einigen Monaten tut sich das Teamviewer-Papier schwer. Neben den teuren Sponsorenverträgen und den nicht mehr ganz so schwungvollen Wachstumsaussichten sorgt auch der ehemalige Eigentümer, der Finanzinvestor Permira, für Druck auf den Kurs: Er senkt seinen Anteil nach und nach mit größeren Platzierungen und macht Kasse, dazu nutzte Permira noch den Höhenflug der Aktie.
Aktuell liegt der Kurs mit 31 Euro deutlich unter dem Rekordhoch aus dem vergangenen Sommer bei knapp 55 Euro - seitdem beträgt der Kursverlust mehr als 43 Prozent. Dabei hatte das Papier auch in diesem Jahr schon deutlich bessere Zeiten gesehen, im Februar noch kratzte der Kurs an der Marke von 50 Euro.
Mitte Februar hat Permira auch zum vorerst letzten Mal ein Aktienpaket auf den Markt geworfen. Damit summieren sich die Einnahmen des Finanzinvestors aus Aktienverkäufen durch den Börsengang und danach auf rund 5,4 Milliarden Euro. Das Paket von rund 20 Prozent der Anteile, das Permira noch hält, ist derzeit rund 1,3 Milliarden Euro wert.
Permira hatte Teamviewer erst 2014 für rund 870 Millionen Euro gekauft und dann im Herbst 2019 an die Börse gebracht. Beim größten deutschen Tech-Börsengang seit dem Platzen der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende konnte der Investor 2,2 Milliarden Euro erlösen.
Mit rund 31 Euro liegt die Aktie zwar noch deutlich über dem Corona-Tief von 22,30 Euro im März 2020. Vom Ausgabekurs bei 26,25 Euro zum Börsengang im September 2019 ist das Papier aber nicht mehr ganz so weit entfernt. Mit einem Kursverlust von knapp 30 Prozent ist das Papier in diesem Zeitraum zudem der schwächste MDax-Titel
Quelle: dpa-Afx