Die Lage an den Märkten ist derzeit etwas paradox. Trotz sichtbarer Vollbremsung in den Volkswirtschaften steigen die Aktienkurse. Der DAX schaute wieder über die 10 000-Punkte Marke, und auch in den USA haben sich die Kurse deutlich von ihren Tiefstständen erholt. In der Realwirtschaft hingegen herrscht Tristesse. Der GFK-Konsumklimaindex fiel im Vergleich zum Februar von 53,6 auf 31,4 Punkte. Das ist der schlechteste Wert seit der Finanzkrise. Dass sich dieser Konsumstreik auch in den Bilanzen der Onlinehändler niederschlägt, kann jeder schon am erhöhten Email-Aufkommen mit Sonderangeboten und Gutscheinen ablesen, die nun inflationär im Postfach landen. Dabei geht es den Menschen hierzulande noch vergleichsweise gut. Denn mit der Möglichkeit der Kurzarbeit können erst einmal Arbeitsplätze gesichert werden.
In anderen Ländern gibt es hingegen massive Entlassungswellen. In den USA meldeten die Statistiker etwa, dass es in dieser Woche 3,3 Millionen Erstanträge auf Arbeitslosengeld gab. Der bisherige Rekord stammt aus dem Jahr 1982. Damals waren es jedoch "nur" 695 000 Anträge. Die Commerzbank befürchtet nun, dass durch den massiven Wirtschaftseinbruch die Arbeitslosigkeit in den USA um rund acht Prozentpunkte steigen könnte. Mit 11,5 Prozent wäre die Quote dann höher als der bisherige Nachkriegsrekord von 10,8 Prozent (1982). Und auch im einstigen Wirtschaftswunderland Norwegen ächzt man unter den Auswirkungen des Virus. Nicht zuletzt der ins Bodenlose gefallene Ölpreis macht den Wikingern arg zu schaffen. Dort verfünffachte sich nun die Arbeitslosenquote! Sie stieg auf 10,9 Prozent. Das ist die höchste Quote seit der Großen Depression vor rund 90 Jahren. Aber auch in EU-Ländern wie Österreich explodiert die Arbeitslosigkeit. Ende Februar waren 400 000 Menschen ohne Arbeit. Seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen am 15. März bis zum 25. März sind 163 000 hinzugekommen. In den schlimmer betroffenen Ländern wie Italien, wo die Wirtschaft derzeit quasi ganz stillsteht, dürften die Verwerfungen noch ganz andere Dimensionen erreichen. Daher dürfte nun laut vielen Experten die Zeit reif für die europäische Bankenunion und auch für Eurobonds sein.
Für Georg von Wallwitz, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement, liegt es nahe, den gemeinsamen Haushalt für die Eurozone auszuweiten und über Eurobonds mit gemeinsamer Haftung aller Länder zu finanzieren. Allerdings ist sich von Wallwitz noch nicht so sicher, ob die sparsamen Länder des Nordens schon so weit sind. Laut von Wallwitz dürften jedoch die Regierungschefs heute wahrscheinlich beschließen, dass Mitgliedsländer Kredite im Volumen von bis zu zwei Prozent ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung vom ESM erhalten können. "Sollte das nicht ausreichen, ist auch die Auflage gemeinsamer Corona-Bonds aller Mitgliedsländer der Eurozone vorstellbar, also de facto Eurobonds", sagt von Wallwitz.