Noch wächst das operative Geschäft moderat. Für den nächsten Ertragsschub stehen aber neue Arzneien mit Milliardenpotenzial bereit. Der Schweizer Pharmakonzern Roche sieht sich für den nächsten Gewinnschub gerüstet, um die ab 2017 drohenden Patentabläufe mehr als kompensieren zu können.

Acht Medikamente sollen in den nächsten drei Jahren die Zulassung schaffen. Darunter ein Krebsmittel, bei dem die körpereigene Immunabwehr gegen Tumorzellen aktiviert wird, und ein Heilmittel gegen Multiple Sklerose, das gegen den schubförmigen wie auch den stetigen Krankheitsverlauf eingesetzt werden kann. An der Börse kommt die Erfolgsstory an. Während die Aktienkurse von Konkurrenten seit vergangenen Sommer um bis zu 30 Prozent an Wert verloren haben, halten sich die Verluste bei Roche in Grenzen.

Branche im Umbruch



Als Reaktion auf die Umsatzeinbrüche durch Patentabläufe und den Preisdruck durch Einsparungen in den Gesundheitssystemen hat sich die gesamte Industrie neu positioniert. Die meisten Pharmagiganten stellten ihre Konzernstrukturen auf den Prüfstand. Novartis etwa hat seine Tiermedizin- und Impfstoffsparte veräußert. Im Gegenzug übernahm der Schweizer Konzern die Krebsforschung von GlaxoSmithKline und brachte zugleich in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem britischen Wettbewerber sein Geschäft mit rezeptfreien Arzneien ein. Auch Bayer mischt bei den frei verkäuflichen Arzneien nach der Übernahme dieser Sparte vom US-Konzern Merck & Co. an vorderster Front mit. Abbvie steht vor dem Abschluss einer Kooperation in der Krebsforschung mit dem zweitgrößten deutschen Pharmakonzern Boehringer Ingelheim.

Weil es schwierig ist, in Massenmärkten wie Tabletten gegen Bluthochdruck oder Sodbrennen neue Produkte mit besserem medizinischen Nutzen zugelassen zu bekommen, haben die meisten Pharmakonzerne lukrativere Nischenmärkte im Blick. "Neuer Fokus sind Produktfelder mit mehr Preissetzungsmacht", meint Kai Brüning, Portfoliomanager bei Apo Asset. "Das bedeutet auch Heilmittel für spezifische Patientengruppen in einzelnen Krankheiten mit einem besseren Wirkprofil. Dementsprechend höher kann der Preis für eine solche Behandlung angesetzt werden."

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Blockbuster in Marktnischen



"Eine solche Spezialisierung auf einige wenige Krankheitsfelder ist aus Kosten-Ertrags-Relationen sinnvoll - und die Krebsmedizin ist dabei aufgrund ihrer hohen Margen nahezu unverzichtbar", erläutert Thomas Bucher, Fondsmanager bei DWS Investment. Bis zu 15 000 Euro kostet etwa eine einzige Infusion mit Opdivo, einem zur Behandlung von Lungenkrebs und Schwarzem Hautkrebs zugelassenen Antikörper. Der vom US-Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb entwickelte Wirkstoff aktiviert das körpereigene Immunsystem gegen die Tumorzellen. Längst ist die Diskussion im Gange, ob eine Kombination von solchen neuartigen Therapieansätzen bestimmte Krebsarten langfristig zu einer chronischen Krankheit wandelt.

Immer mehr Marktanteile gewinnen die aus Antikörpern oder Proteinen biologisch hergestellten Substanzen (siehe Infografik, Seite 3). Den Nachbau der komplexen Eiweißstrukturen als Biogenerika nach Patentablauf nehmen die Pharmakonzerne teilweise selbst in die Hand. Wegen der schwierigeren Herstellung und den höheren Zulassungshürden können die Nachahmerkopien mit einem geringeren Preisabschlag zu den Originalprodukten verkauft werden als herkömmliche Generika. Dementsprechend lukrativ ist das Geschäft: Zwischen 2015 und 2020 sollen die Erlöse mit diesen Biosimilars von ein auf 25 Milliarden US-Dollar steigen. Pfizer hat sich mit dem Kauf von Hospira in Stellung gebracht, Novartis ist mit der Tochter Sandoz aktiv.

Dank der hohen Margen, der stabilen Geschäftsentwicklung und der teilweise stattlichen Dividende bleiben Pharmaaktien ein defensiver Baustein für jedes Anlegerdepot. "Dieses stabile Gewinnwachstum sollte eine Prämie gegenüber der relativen Bewertung des breiten Marktes beinhalten. Aus diesem Grund halte ich die Pharmabranche gerade jetzt für attraktiv bewertet", meint Pharmaexperte Brüning. "Der Sektor wurde in den letzten Jahren mit zehn Prozent Prämie zum breiten Markt gehandelt. Dieser Aufschlag ist abgeschmolzen, und Pharma ist ähnlich bewertet wie der breite MSCI World Index."

Es empfiehlt sich, dabei auf verschiedene Geschäftsmodelle zu setzen. Eine gute Wahl im Lager der Generalisten ist etwa Johnson & Johnson aus den USA. Die Geschäftsfelder des weltweit größten Gesundheitskonzerns sind breit gestreut. Während der starke US-Dollar zurzeit das Pharmageschäft belastet, profitiert die Medizintechnik von der alternden Bevölkerung und den steigenden Umsätzen in den Schwellenländern. Dazu erlauben eine starke Bilanz und hohe Cashflows Aktienrückkäufe und höhere Dividenden. Auf dem aktuellen Kursniveau ist auch Bayer ein Kauf. Unter dem scheidenden Konzernlenker Marijn Dekkers hat sich der Traditionskonzern ganz auf Pharma und Agrochemie ausgerichtet - und steht mit neuen Heilmitteln vor dem nächsten Gewinnschub.

Die Trendwende geschafft hat Astra-Zeneca. Der in London gelistete Konzern erzielte 2015 trotz der Patentabläufe seiner beiden Megaseller Nexium und Crestor ein deutliches Gewinnplus und will mit Newcomern durchstarten. So erwarten die Analysten der Deutschen Bank im Zeitraum 2017 bis 2020 im Schnitt ein Gewinnplus von 14 Prozent. Roche wiederum rechtfertigt seine höhere Bewertung durch die Top-Position bei den Krebsmitteln, welche mit ihren hohen Margen das Wachstum der Pharmasparte befeuern. Dazu sind die Bereiche Pharma und Diagnostik gut miteinander verknüpft, um in der personalisierten Medizin mitzumischen.

Weniger bekannt ist hierzulande UCB. Die belgische Gesellschaft, die 2007 das MDAX-Mitglied Schwarz Pharma übernommen hatte, ist auf Erkrankungen des Immunsystems und des Nervensystems wie Epilepsie oder Parkinson spezialisiert. Der Konzern erwartet von 2014 bis 2017 einen Umsatzanstieg von 3,34 Milliarden auf 4,28 Milliarden Euro und beim Gewinn je Aktie von 1,69 auf 3,44 Euro. Angesichts dieses Gewinnsprungs hat die optisch teure Aktie weiter Luft nach oben.





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