KI-Aktien gerieten in den vergangenen Wochen in heftige Turbulenzen, weil intensiv darüber diskutiert wird, ob sich in diesem Marktsegment eine Blase gebildet hat. Hinzu kommen Vorwürfe, manche Unternehmen würden ihre Abschreibungen - und damit die Kosten - falsch darstellen.

Am vergangenen Dienstag berichtete BÖRSE ONLINE über die Wette des Star-Investors Michael Burry gegen Nvidia und Palantir. Burry wurde bekannt, weil er als einer der ersten die US-Subprime-Immobilienkrise vorhergesagt hat. Seine erfolgreiche Wette wurde durch das Buch und den Film „The Big Short“ weltberühmt. Aktuell warnt Burry öffentlich vor einer Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Kosten im Bereich der KI-Infrastruktur, insbesondere beim Umgang mit den enormen Investitionen in GPU-Hardware und Rechenzentren. Seine Kritik zielt vor allem darauf ab, dass Tech-Giganten wie Microsoft oder Meta die Nutzungsdauer ihrer hochspezialisierten KI-Chips zu lange ansetzen. Dadurch werden Kosten auf mehr Jahre gestreckt, die Gewinne erscheinen dadurch höher. Nehmen Datenzentren realistische Abschreibungen vor?

Massiv unter Druck gerieten zuletzt Titel mit besonders starken Ambitionen in den Bereichen Datenzentren wie z.B. Oracle, CoreWeave und Meta, während bei Chipherstellern wie Nvidia und AMD lediglich moderate Rückschläge zu beobachten waren.

In der aktuellen Debatte rund um den KI-Hype richtet sich der Blick zunehmend nicht nur auf die positiven Wachstumsaussichten und die technologischen Sprünge, sondern auch auf die weniger sichtbaren finanziellen Strukturen großer Technologieunternehmen. Burry behauptet, dass zentrale Komponenten moderner KI-Systeme, insbesondere GPUs von Nvidia und anderen Herstellern, in vielen Fällen deutlich schneller veralten, als es die Unternehmen in ihren Bilanzen abbilden.

Während die Hyperscaler unter den Tech-Konzernen ihre KI-Hardware über Zeiträume von fünf bis sechs Jahren abschreiben, spricht Burry von realistischen Nutzungsdauern von lediglich zwei bis drei Jahren. Grund dafür sei das extrem hohe Innovationstempo in der Branche: Jedes Jahr erscheinen neue Prozessorgenerationen mit erheblich verbesserter Rechenleistung, Effizienz und Architektur. In einem Markt, in dem sich Wettbewerbsvorteile mittlerweile im Halbjahresrhythmus entscheiden, könne veraltete Hardware oft kaum noch für KI-Höchstleistungen eingesetzt werden.

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Gewinne werden künstlich aufgebläht

Burry argumentiert, dass diese aus seiner Sicht zu langen Abschreibungszeiträume die Gewinne der Unternehmen künstlich aufblähen. Seine Berechnungen gehen davon aus, dass die Gewinne einiger der größten Player – darunter Meta, Alphabet, Amazon, Microsoft und Oracle – im Zeitraum 2026 bis 2028 um bis zu 176 Milliarden US-Dollar zu hoch dargestellt sein könnten. Aus Investorensicht wäre dies ein erhebliches Risiko, da Bewertungen und Kursentwicklungen maßgeblich von den berichteten Gewinnen abhängen. Werden jedoch Kosten über einen zu langen Zeitraum verteilt, entsteht ein verzerrtes Bild, das zukünftige Korrekturen umso schmerzhafter machen könnte.

Was Anleger in diesem Kontext unbedingt beachten sollten: Welchen Restwert hat KI-Hardware nach Ende der Abschreibungsdauer. Führungskräfte von CoreWeave, einem rasant wachsenden Cloud-Anbieter für KI-Rechenleistung, sind bspw. der Meinung, dass auch ältere GPU-Modelle wie Nvidias H100 weiterhin eine robuste Nachfrage erleben. So soll ein großer Kunde des Unternehmens erst kürzlich neue Verträge abgeschlossen haben – zu Preisen nur marginal unter den ursprünglichen Konditionen. Dies deute darauf hin, dass ältere Hardware nicht zwangsläufig wertlos wird, sondern noch immer in großen Rechenverbünden eingesetzt werden kann, insbesondere dort, wo Höchstleistung nicht der primäre Faktor ist.

In den Chefetagen globaler Konzerne wie Microsoft scheint man ebenfalls nervös zu werden. Dessen Chef Satya Nadella reagierte nämlich auf die Burry-Vorwürfe und die nachfolgenden Diskussionen via „X“ (ehemals Twitter) folgendermaßen: „Wenn man etwas über sechs Jahre abschreibt, ist der beste Ansatz der, den wir immer verfolgt haben: Man kauft jedes Jahr ein bisschen und lässt die Hardware altern. … Man nutzt den neuesten Chipknoten fürs Training und im nächsten Jahr wandert er dann ins Inference.“ Dabei merkte er an, dass es keinen Sinn mache, die Leistungsfähigkeit jedes Jahr zu verdoppeln wenn man den Bestand nicht verkaufen könne. Abschließend meinte er: „Im Moment wollen alle die Ersten sein, aber die wirtschaftliche Realität wird sich durchsetzen.“ 

KI-Branche bleibt extrem spannend

Die Debatte zeigt zwei parallele Realitäten: Auf der einen Seite steht die rasante technologische Entwicklung, in der sich die Rechengeschwindigkeit der KI-Anwendungen exponentiell entwickelt, was ältere Hardware schnell an ihre Grenzen bringt. Auf der anderen Seite gibt es weiterhin operative Einsatzfelder, die auch auf diesen älteren Systemen laufen und so deren Wert länger erhalten, als es ein rein technologischer Blick vermuten ließe. Für Investoren stellt sich die Frage, ob Burrys Warnungen eine Überreaktion darstellen oder ob der Star-Investor tatsächlich den Spot auf ein unterschätztes Risiko wirft, das bisher im KI-Hype übersehen wurde.

Die Diskussion über Abschreibungslogiken, Innovations- und Ersatzzyklen und die tatsächliche Nutzungsdauer von KI-Hardware wird in den kommenden Jahren deutlich an Bedeutung gewinnen. Denn allen voran die Magnificent Seven haben hunderte Milliarden Dollar in KI-Rechenleistung investiert - und müssen nun beweisen, wie schnell sich die Investitionen rentieren. Es geht nicht nur um Buchhaltung und Bilanzierung, sondern auch um strategische Investitionsentscheidungen und die gesamte Wettbewerbslandschaft im Bereich der Hochtechnologie. Burrys Kritik erinnert daran, dass bei alles technologische Euphorie am Ende auch eine finanzielle Realität steht – und dass deren genaue Betrachtung für langfristige Stabilität einer Branche unverzichtbar ist. Burry hat angekündigt, am 25. November weitere Details zu seiner Analyse zu veröffentlichen.

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Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Nvidia, Palantir Technologies.