Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, alle an dem Einsatz beteiligten deutschen Soldaten sowie Vertreter von Auswärtigem Amt und Bundespolizei seien in die usbekische Hauptstadt Taschkent ausgeflogen. Parallel dazu wurden bei einem Selbstmordanschlag am Flughafen in Kabul nach Angaben der jetzt in Afghanistan regierenden radikalislamischen Taliban mindestens 13 Menschen getötet. In Washington hieß es, darunter seien auch vier US-Soldaten.
Kramp-Karrenbauer sagte, zwei Bundeswehrsoldaten, die zunächst hätten zurückgelassen werden müssen, seien mit dem Krankenhaus-Airbus MedEvac am Abend evakuiert worden. Die Bundeswehr habe wegen des Anschlags die Notfallpläne aktiviert und sei entsprechend frühzeitig aufgebrochen. Die beiden Soldaten hätten sich zu der Zeit im US-Teil des Flughafens befunden. Für ihr Leib und Leben habe zu keiner Zeit eine Gefahr bestanden. Die jetzt in Taschkent stationierte MedEvac stehe bereit für einen weitere Einsatz in Kabul, falls es zur Bergung von Verletzten gebraucht werde. Merkel sprach mit Blick auf den Anschlag von einer "bedrückenden Nachricht". "Dies ist ein absolut niederträchtiger Anschlag", sagte sie.
Laut Kramp-Karrenbauer flog die Bundeswehr insgesamt 5347 Menschen aus mindestens 45 Nationen aus Kabul aus. Darunter seien rund 500 Deutsche und mehr als 4000 Afghanen gewesen. Rund 2000 sogenannte Ortskräfte und deren Angehörige seien bereits vor der Luftbrücke nach Deutschland gekommen. Ihre Gedanken sei jetzt bei all jenen, die sich noch in Afghanistan befänden. Für diese Menschen bleibe die Bundesregierung auch nach dem Ende der Evakuierungsmission in der Verantwortung. Dies betonte auch Kanzlerin Merkel. Um dies in der Region zu regeln, kündigte Bundesaußenminister Heiko Maas an, in den kommenden Tagen nach Pakistan, Usbekistan und Tadschikistan sowie nach Katar und in die Türkei zu reisen.
"DIE HEKTISCHSTE PHASE"
Die US-Regierung geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Extremisten-Gruppe IS-Chorassan, der afghanische Ableger des Islamischen Staats, hinter dem Angriff am Kabuler Flughafen steckt. Ein Bekennerschreiben lag zunächst aber nicht vor. Ein Krankenhaus in Kabul berichtete von 60 Verletzten, die eingeliefert worden seien. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums bestätigte später, dass es in der Nähe des Flughafens eine zweite Explosion gegeben habe. Die erste Detonation sei das Ergebnis eines "komplexen Angriffes", der US- und zivile Opfer zur Folge gehabt habe.
Die USA hatten angekündigt, ihre Soldaten bis zum Dienstag kommender Woche abzuziehen. Daraufhin kündigten ihre Alliierten einschließlich Deutschlands an, den Einsatz ebenfalls bis dahin zu beenden. Am Flughafen in Kabul verschärfte sich nach der Ankündigung das Chaos weiter, Tausende Menschen versuchen, in den letzten Militärmaschinen außer Landes zu kommen. Kramp-Karrenbauer hatte am Mittag in Berlin gesagt, es laufe "die hektischste Phase" des Einsatzes. Es sei eine "höchst schwierige und höchst gefährliche Situation".
Verschärft wurde die Lage durch Erkenntnisse westlicher Geheimdienste, wonach der afghanische Ableger des IS Anschläge am Flughafen plane. Die IS-Miliz und die Taliban sind verfeindet. "Es gibt die andauernde und große Gefahr eines terroristischen Angriffs", warnte das britische Außenministerium. Die Menschen am Flughafen sollten sich daher an einen "sicheren Ort" begeben. Auch Kramp-Karrenbauer verwies darauf, dass konkrete Anschlagsdrohungen des IS die Operation einschränkten.
"UNGLAUBLICH ÜBERFÜLLT"
Der britische Premierminister Boris Johnson kündigte an, die Evakuierungsmission zunächst fortsetzen zu wollen. Frankreich indes will die Operation am Freitagnachmittag beenden. Nach Angaben von Präsident Emmanuel Macron standen am Abend noch 20 Busse mit französischen Staatsbürgern und anderen Personen, die geschützt werden sollen, vor den Toren des Flughafens. Eine erfolgreiche Evakuierung könne jedoch nicht garantiert werden. Auch die Niederland kündigten an, die Mission einzustellen. Belgien und Kanada haben ihre Evakuierungsflüge bereits beendet.
Nach Einschätzung von US-Außenminister Antony Blinken halten sich noch etwa 1500 US-Bürger in Afghanistan auf. Das Auswärtige Amt hatte am Mittwoch von rund 200 Deutschen gesprochen, die noch in Kabul seien. Trotz der Warnungen drängen sich weiterhin große Menschenmengen vor den Zugängen zum Flughafen. Die Umgebung sei "unglaublich überfüllt", sagte ein westlicher Diplomat. Allein schätzungsweise 1500 Menschen, die US-Pässe oder Visa für die USA hätten, versuchten weiterhin, auf das Flughafengelände zu gelangen. Ahmedullah Rafiksai, der für die afghanische Flugsicherheit arbeitet, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, trotz der wiederholten Warnungen seien die Menschen nicht bereit, das Gelände zu verlassen. "Es ist ihre feste Absicht, das Land zu verlassen, so dass sie keine Angst haben, dabei zu sterben."
rtr