Dem bislang Undenkbaren droht der Realitätstest: das Aufbrechen der Europäischen Währungsunion durch den Verlust eines Mitgliedslandes. "Jetzt liegen die Alternativen glasklar auf dem Tisch", sagte ein EU-Diplomat nach dem Scheitern der Eurogruppen-Sitzung zur Beilegung des Schuldenstreits mit Griechenland am Montag. Schon kurz vor dem Treffen hatten gut 30 Prozent der Finanzmarktakteure in einer Umfrage den "Grexit", das Aus für Griechenland als Euro-Land, für wahrscheinlich erklärt. Nach den erfolglosen Gesprächen am Montag stuften die Analysten der Commerzbank die Wahrscheinlichkeit dafür am Dienstag auf 50 Prozent hoch.

Da Griechenland nach Einschätzung von Experten womöglich schon in wenigen Wochen das Geld ausgehen könnte, stehen jetzt im wesentlichen drei Szenarien im Raum:

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DER "GREXIT"

"Grexit by accident", ein Euro-Ausstieg als Betriebsunfall - so wird dieses Szenario inzwischen von Experten genannt. Wurde Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in den letzten Tagen gefragt, ob er sich Griechenland ohne Euro vorstellen könne, antwortete er in der Regel: "Das müssen sie die griechische Regierung fragen." Unter den Euro-Partnern wolle das keiner. Allerdings steht Schäuble seit längerem im Verdacht, dass - sollte es zum Schwur kommen - er das südeuropäische Krisenland nicht zu jedem Preis in der gemeinsamen Währung halten würde.

Zwar schließt Schäubles österreichischer Kollege Hans Jörg Schelling eine solche Möglichkeit "im Moment" noch aus, doch deuten immer mehr Zeichen in diese Richtung. Der Dreh- und Angelpunkt ist das laufende Hilfsprogramm der Euro-Partner für das Land, auf das die neue Regierung unter dem Linkspolitiker Alexis Tsipras partout nicht zurückkommen will. Für die Abkehr von diesem Ansatz, der im Gegenzug für Geld den Griechen schmerzhafte Einschnitte und Reformen abfordert, sei man gewählt worden, unterstrich Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis in Brüssel. Ohne Programm aber bekommt Griechenland von seinen Partnern aus dem Euro-Raum, von der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsraum (IWF) kein frisches Geld mehr - dabei muss das Land schon demnächst 460 Millionen Euro Kreditzinsen zahlen. Bis zum 31. März werden über vier Milliarden Euro fällig.

Kann Hellas dieses Geld nicht mehr bezahlen, so die Theorie, bleibt dem Staat nur noch eine Möglichkeit, um seine Rechnungen zu begleichen: der Ausstieg aus der Währungsunion und die Rückkehr zur früheren nationalen Währung, der Drachme. Das aber, so warnen die Experten, hätte verheerende Auswirkungen, gerade auch für die Griechen selbst. "Per Saldo würden wir auf Jahressicht einen Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes von bis zu zehn Prozent erwarten", sagen die Commerzbank-Analysten. Und dass der soziale Frieden gehalten werden könne, sei "keineswegs sicher".

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VERLÄNGERUNG DES LAUFENDEN PROGRAMMS

Noch nicht aufgegeben haben die Euro-Partner die Hoffnung, dass die neue griechische Regierung in letzter Sekunde einlenkt - entgegen alle dem, was sie an Signalen ausgesendet hat. Und dieses Einlenken hieße: eine Verlängerung des laufenden Programms über den 28. Februar hinaus und dessen ordnungsgemäßen Abschluss. Allerdings müssten die Euro-Partner auf drei "Nein" der griechischen Regierung Rücksicht nehmen, sagte ein EU-Diplomat: es dürfe nicht von einem "Programm" die Rede sein, nicht von einem "Memorandum" und auch nicht von der Prüfinstanz "Troika", die die Einhaltung der Reformzusagen prüft und aus EU-Kommission, EZB und IWF besteht.

Das ließe sich aber vermutlich vermeiden, wie die aktuelle Praxis zeigt. Denn inzwischen redet kaum noch einer von der "Troika", sondern nur noch von den Institutionen - was allerdings im Kern die gleichen Beteiligten umfasst wie früher. Allerdings: noch steht die kompromisslose Weigerung Griechenlands dagegen, diesen Weg einzuschlagen.

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VARIANTE DREI: ANDERE GELDQUELLEN ANZAPFEN

Eine dritte Variante wäre, dass sich Griechenland andere Geldgeber sucht. Der IWF, normalerweise die erste Adresse für ein solches Ansinnen, würde aber wohl ausscheiden. Er ist mit seinem bisherigen Engagement in zweistelliger Milliardenhöhe Teil des abgelehnten alten Hilfssystems und der verhassten "Troika".

Ein Weg wären Länder außerhalb des Euro-Raums. Und da hat die regierungsführende Syriza-Partei in Athen seit langem enge Drähte zu Russland - das aber wegen der Folgen der Ukraine-Krise selbst wirtschaftlich unter Druck steht. Der griechische Finanzminister Varoufakis hat zwar kürzlich versichert: "Wir werden niemals in Moskau um Finanzhilfe nachsuchen." Dem steht aber entgegen, dass Verteidigungsminister Panos Kammenos nur wenig später äußerte, man könne sich auch andere Geldgeber suchen. "Das wären am besten die USA, aber es könnten auch Russland oder China oder andere Länder sein", sagte der Rechtspopulist. Russland hat verlauten lassen, wenn man gefragt werde, könnte man über dieses Thema nachdenken. In China will man bislang von Geldangeboten an Athen nichts wissen.

Reuters