In der Immobilienwirtschaft hat die EZB viele Freunde: Dank der Nullzinspolitik ist gerade in Deutschland die Nachfrage nach Häusern ungebrochen, seit Jahren befindet sich die Branche im Aufwind. Besonders in den Städten ist Wohnraum knapp, die Auftragsbücher der Bauunternehmen sind so gut gefüllt wie selten zuvor. Auch am Aktienmarkt zählen Immobilienunternehmen zu den Gewinnern der vergangenen Jahre. Im Spätsommer 2015 schaffte Vonovia als erster Immobilienkonzern den Sprung in den DAX, während im MDAX bereits zahlreiche Papiere aus der Branche enthalten sind.

Spätestens bei der nächsten Indexüberprüfung im Herbst droht RWE mit der anstehenden Aufspaltung der Abstieg aus der ersten Liga. Die Aktien der Deutschen Wohnen haben derzeit mit die besten Chancen für einen Aufstieg und würden die Bedeutung der Branche unter den Blue Chips weiter steigern. In der Vergangenheit entwickelten sich die Aufstiegsaspiranten meist vor einem Indexaufstieg überdurchschnittlich gut, weil die mediale Aufmerksamkeit zunimmt und einige Trader genau auf dieses Szenario setzen. Vor allem auch Fonds, die einen Index abbilden, müssen beim Aufstieg Anteile kaufen und treiben so ebenfalls den Preis.

Die Aktien der Deutschen Wohnen haben aber noch deutlich mehr zu bieten als nur die Aufstiegsfantasie in den DAX. Der Geschäftsbericht zu den ersten drei Monaten trägt den Titel "PERFEKT - Ist nicht genug". Eine klare Ansage, nicht ohne Grund interessierte sich bereits im vergangenen Jahr sich der heimische Branchenprimus Vonovia für die Nummer 2 in Deutschland. Eine Prognoseerhöhung bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen am 12. August wäre durchaus nicht überraschend, denn der bisherige Ausblick fällt vor dem Hintergrund der jüngsten Geschäftsentwicklung recht konservativ aus. Konkurrent Vonovia erhöhte bereits bei der Zahlenvorlage Mitte Mai die Prognose für das laufende Jahr.

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Vonovia oder Deutsche Wohnen?



Der im MDAX gelistete Konzern profitiert besonders von der Fokussierung auf bestimmte Regionen, was ein effizienteres Management des Portfolios ermöglicht. Mit einem Anteil von 70 Prozent bildet der Großraum Berlin einen klaren Schwerpunkt, weitere Bestände sind im Rhein-Main-Gebiet, im Rheinland, in Dresden, Hannover/Braunschweig sowie in weiteren wachsenden deutschen Metropolregionen. Tätigkeitsschwerpunkte bilden die Segmente Wohnungsbewirtschaftung, strategischer und operativer Verkauf sowie Pflege und Betreutes Wohnen. Der Bestand umfasst rund 160.000 Wohn- und Gewerbeeinheiten sowie Pflegeobjekte mit rund 2000 Pflegeplätzen im Wert von 12,7 Mrd. Euro.

Die Zahlen zu den ersten drei Monaten zeigen nicht nur ein breit untermauertes Wachstum, sondern auch Skaleneffekte. Sowohl die Mieterlöse als auch das Ergebnis aus der Wohnungsbewirtschaftung und das Ergebnis aus Veräußerungen legten deutlich zu. Zugleich zeigen sich nun immer deutlicher die Vorteile aus der inzwischen abgeschlossenen Fusion mit der GSW Immobilien. Synergieeffekte drückten die Kostenquote knapp unter zehn Prozent. Unter dem Strich legte das operative Ergebnis - gemessen an der für die Branche wichtigen Kenngröße Funds from Operations I (FFO I) - um rund 42 Prozent auf 100,9 Millionen Euro zu. Für das Gesamtjahr rechnet das Management weiterhin mit einem Anstieg des FF0 von 303 Mio. Euro im Vorjahr auf mehr als 360 Mio. Euro.

Der ebenfalls stark beachtete Nettovermögenswert (NAV) belief sich per Ende März auf 23,39 Euro je Aktie. Mit Blick auf 2016 erscheint ein Anstieg von 23,01 auf 25 bis 26 Euro je Aktie durchaus realistisch. Damit werden die Papiere derzeit nur noch mit einem kleinen Aufschlag von rund zehn Prozent auf den NAV gehandelt, der Branchendurchschnitt liegt deutlich höher. Auch einen Vergleich mit Vonovia braucht die Nummer 2 nicht zu scheuen. Die durchschnittliche Leerstandsquote fällt wie auch der Verschuldungsgrad geringer aus, während die Monatsmiete pro Quadratmeter höher ist. Nachbesserungspotenzial besteht hingegen bei der Dividende. Aktionäre erhalten auf der Hauptversammlung am 22. Juni 0,54 Euro je Aktie für 2015, was zu einer Verzinsung von knapp zwei Prozent führt. Bei Vonovia liegt die Dividendenrendite hingegen mit rund drei Prozent wesentlich höher.

Betongold mit Extra-Power



Unter dem Strich bleibt die Aktie der Deutschen Wohnen eines der interessantesten Papiere im Bereich der Immobilienwerte. Mit dem deutlich verbesserten Ergebnis im ersten Quartal wurden nicht nur die Konsensschätzungen übertroffen, sondern auch der Grundstein für ein erfolgreiches Gesamtjahr gelegt. Eine Prognoseerhöhung in den kommenden Wochen ist angesichts der intakten Wachstumstreiber zu erwarten. Die meisten Analysten siedeln das Kursziel bei rund 32 Euro an. Als zusätzlicher Kurstreiber ist der mögliche DAX-Aufstieg im Herbst zu sehen. An schwächeren Tagen sollte es sich daher für mittelfristige Anleger lohnen, bei der Nummer 2 einzusteigen. Je nach Risikogeschmack bieten sich Absicherungen bei 24 oder 25,40 Euro an.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. www.index-radar.de