"Die Reaktionen der Marktteilnehmer führen einmal mehr vor Augen, wie abhängig die Kapitalmärkte vom geldpolitischen Stimulus sind", sagt Volkswirt Dirk Gojny von der National-Bank in Essen. Noch wurde im EZB-Rat einem Sprecher zufolge nicht über ein Ausstiegsszenario gesprochen. Einen Agenturbericht, wonach die Notenbank die Käufe vor dem Auslaufen allmählich zurückfahren könnte, hatte die EZB zurückgewiesen.

Sollte die Notenbank die Ankäufe beenden, dürfte sie nach einhelliger Einschätzung von Volkswirten keinesfalls abrupt aussteigen. Sonst drohen schwere Turbulenzen am Anleihenmarkt. Denn mit den im März 2015 gestarteten Käufen ist die EZB zum wichtigsten Spieler auf dem Markt für Staatsanleihen der Euro-Länder aufgestiegen.

Den Volkswirten der Bank Barclays zufolge wird entscheidend sein, wie Draghi und seine Notenbank-Mitstreiter die so genannte "Forward Guidance" einsetzen. So wird die Kommunikationsform bezeichnet, mit der Währungshüter Finanzmarkt-Akteuren Orientierung über die künftige Richtung ihrer Geldpolitik geben. Die Barclays-Experten schlagen vor, die Wertpapierkäufe in solchen Aussagen an konkrete Konjunktur- und Inflationsmarken zu knüpfen. "Solche Bedingungen sind leicht feststellbar und es gibt wenig Spielraum für die EZB, heute getroffenen Versprechen zu den Käufen in der Zukunft zurückzunehmen", so die Experten. Damit würden die geldpolitischen Vorhersagen der EZB aus ihrer Sicht effektiver. Investoren hätten dann mehr Anhaltspunkte, wann mit einem Abklingen der Käufe zu rechnen sei.

Noch ist das aber Zukunftsmusik. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet zufolge kommt eine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik aktuell nicht in Frage. Andernfalls würde eine allmähliche Rückkehr der Wirtschaft zu mehr Inflation und Wachstum abgewürgt und rückgängig gemacht, warnte er jüngst.

Derzeit pumpen Draghi & Co über die Wertpapier-Käufe Monat für Monat rund 80 Milliarden Euro in das Finanzsystem des Währungsraums. Das Gesamtvolumen des Programms ist auf rund 1,7 Billionen Euro angelegt. Die EZB und die nationalen Notenbanken wollen noch bis mindestens Ende März 2017 kaufen - mindestens aber so lange, bis sie eine nachhaltige Zunahme der Inflation erkennen, die mit ihrer Zielmarke von knapp zwei Prozent im Einklang steht. Im September waren die Preise im Währungsraum indes nur um 0,4 Prozent gestiegen, für 2017 geht die EZB aktuell von 1,2 Prozent aus.

ABSCHRECKENDES BEISPIEL FED



Ein warnendes Beispiel für eine unglücklich kommunizierte Ausstiegsstrategie lieferte im Mai 2013 der damalige US-Notenbankchef Ben Bernanke. Er löste weltweit heftige Marktreaktionen aus, als er bei einer Anhörung im US-Kongress beiläufig erklärte, die Fed könnte bei anhaltend positiven Wirtschaftsdaten ihre Wertpapierkäufe allmählich zurückfahren. Als "taper tantrum" ist die damals dadurch ausgelöste weltweite Achterbahnfahrt an den Börsen zum geflügelten Wort geworden.

"Ähnliche Probleme könnten auf die EZB angesichts des hohen Schuldenstands in der Peripherie zukommen", warnt Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert mit Blick auf die schuldengeplagten Länder in Südeuropa. Am Dienstag waren nach Spekulationen über ein allmähliches Abklingen der EZB-Käufe die Renditen zehnjähriger italienischer und spanischer Anleihen zeitweise rund acht Basispunkte nach oben geschossen. Genau dies möchte die EZB aber vermeiden: Denn bei steigenden Renditen verteuert sich die Schuldenaufnahme und das dürfte die Finanzprobleme vor allem südeuropäischer Staaten vergrößern.

Die Fed hatte nach der Finanzkrise über viele Jahre mit Leitzinsen um Null Prozent und einer enormen Geldschwemme durch mehrere Wertpapier-Kaufprogramme ihre Bilanzsumme auf 4,5 Billionen Dollar aufgebläht. Zugleich stützte sie damit die Wirtschaft und sorgte für einen anhaltenden Höhenflug an den Börsen. Pro Monat kauften die US-Währungshüter im Jahr 2013 Staatsanleihen und Hypothekenpapiere im Umfang von rund 85 Milliarden Dollar auf. Im Dezember 2013 kündigte sie an, das Programm schrittweise zurückzufahren - zunächst um monatlich zehn Milliarden Dollar. Diese Größenordnung in Euro wurde diese Woche auch für die EZB in dem Agenturbericht genannt. Die EZB sollte aus Bernankes Patzer ihre Lehren ziehen, meint Chefökonom Carsten Brzeski von der Bank ING-DiBa: "Es sollte der EZB eine Warnung sein, solche Testballons nicht zu früh zu starten."

rtr