Es gibt Orte, an denen sich niemand gerne aufhält. Laut Umfragen gehören auch Beratungszimmer von Banken dazu. Ganz besonders Frauen sollen sich dort ungern aufhalten. Das ist paradox, denn finanziell unabhängig zu sein ist für Frauen in Deutschland ein besonders wichtiges Ziel im ­Leben.

Fast vier von fünf Frauen sagen laut einer aktuellen YouGov-Umfrage im Auftrag der Commerzbank, dass dies für sie "äußerst" oder "sehr" wichtig sei. Gleichzeitig beschäftigt sich aber nur jede Vierte regelmäßig mit der eigenen Geldanlage. Und nur magere sechs Prozent schätzen ihre eigene Finanzkompetenz als hoch ein. "Für viele Frauen ist das Thema Finanzen ähnlich attraktiv wie einen Kaktus zu streicheln", sagt Claudia Krieger, Leiterin Anlagemanagement der Commerzbank-Niederlassung München-Nord.

Doch woran mag das liegen? Krieger sieht dafür etliche Gründe: "Es sind noch viele überholte Rollenklischees wirksam, die verhindern, dass Frauen sich um ihr Geld kümmern." Auch die oft niedrigeren Einkommen von Frauen wirken sich negativ aus. Laut Umfrage haben nur 15 Prozent der Befragten ein eigenes Nettoeinkommen von über 2.000 Euro im Monat.

Frauen übernähmen oft viel Zusatzarbeit: "Neben einem bezahlten Job tragen sie häufig den Löwenanteil an der Familienarbeit, kümmern sich um Kinder, Eltern oder engagieren sich in der Gemeinde. Da bleibt dann nicht mehr viel Zeit, sich auch noch Gedanken um die eigenen Finanzen zu machen", erklärt Krieger. Häufig fühlten sie sich in Finanzfragen unsicher - zu Unrecht, meint die Bankerin. "Wir Frauen können genauso gut Geld anlegen - und wir sollten es auch aktiver tun, gerade weil es für uns noch wichtiger ist."

Weibliche Anleger sind erfolgreich


Teilzeitjobs oder Familienpausen haben nämlich zur Folge, dass Frauen im Alter im Schnitt deutlich weniger Geld als Männer zur Verfügung haben - und das, obwohl sie statistisch länger leben. Ein Nachteil ist auch die unterschiedliche Bezahlung: In Deutschland beträgt die sogenannte Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern noch immer über 20 Prozent, was zum wichtigen Teil an der Berufswahl liegt: Frauen arbeiten öfter in sozialen oder dienstleistungs­nahen Berufen, die weniger gut bezahlt sind. Doch selbst bei gleicher formaler Qualifikation und ansonsten gleichen Merkmalen beträgt der Entgeltunterschied immer noch sechs Prozent.

"Es mag unromantisch klingen, aber Frauen sollten auch in der Partnerschaft stets darauf achten, finanziell auf eigenen Füßen zu stehen und ihr Geld stets selbst im Blick zu haben", empfiehlt die freie Finanzplanerin Stefanie Kühn, die das Buch "Ein Mann ist kein Vermögen" geschrieben hat. Angesichts von Scheidungsraten von um die 40 Prozent ein vernünftiger Rat. "Was spricht zum Beispiel dagegen, mit dem Partner einen finanziellen Ausgleich auszuhandeln, wenn man beruflich der Kinder wegen kürzertritt?"

Auch Banken könnten helfen, Hürden abzubauen, glaubt Krieger. Wenn schon die Frauen nicht selbst kämen, müsste man an ihre Männer appellieren, ihre Frauen mitzubringen und sie für das Thema zu sensibilisieren: "Ich rede meinen männlichen Kunden schon mal ins Gewissen und frage sie, was sie denn in puncto Finanzen für ihre Ehefrau ­bereits unternommen haben. Das hilft, ­ihnen die Augen zu öffnen, wie wichtig das wäre", erzählt sie aus der Praxis.

Fakt ist, dass Frauen, wenn sie sich um ihr Geld kümmern, oft sehr erfolgreich dabei sind: "Finanzinteressierte Frauen, die zu uns in die Beratung kommen, haben häufig den besseren Überblick, sind beratungsoffen und leiden weniger unter Selbstüberschätzung als manche Männer", sagt Krieger. Diese Aussage stützen auch Auswertungen von Direktbanken. Laut ING hatten weibliche Depotinhaber 2019 das bessere Händchen bei Geldanlageentscheidungen als Männer: Frauen erzielten eine Rendite vor Kosten in Höhe von 24,1 Prozent auf ihren Depots, Männer von 23,5 Prozent. "Wir beobachten bei unseren weiblichen Kunden, dass sie im Vergleich zu unseren männlichen Kunden öfter langfristig und breiter investieren. Beispielsweise in Fonds oder ETFs. Dies könnte einer der Gründe für das bessere Abschneiden sein", erläutert Thomas Dwornitzak, Leiter Sparen & Anlegen der ING.

Die Consorsbank hat von Anfang 2017 bis Mitte 2019 Depots von Männern und Frauen ausgewertet: In Zeiten, in denen die Märkte prima liefen, zahlte sich die offensivere, aber riskantere Anlagestrategie der Männer aus - so etwa 2017 und im ersten Halbjahr 2019. Im schwierigen Börsenjahr 2018 waren die Frauen besser: Ihre defensiver aufgestellten Depots erwiesen sich als krisenresistenter und weniger schwankungsintensiv. Insgesamt hatten die Männer zwar einen leichten Performance-Vorsprung, doch brauchten sie aufgrund der hohen Schwankungen die besseren Nerven.

Wichtig: Transaktionskosten wurden bei der Analyse nicht berücksichtigt. Wären sie dabei, würde der Vorsprung der Männer noch geringer ausfallen. Der Grund: Sie tradeten bei Consors mehr als doppelt so oft wie Frauen.

Sparpläne zum Einstieg


Doch wie lassen sich Frauen motivieren? Das Thema treibt nicht nur Beraterinnen und Banken wie die Comdirect um, die die Initiative "Finanzheldinnen" aus der Taufe gehoben hat. Der Finanzen Verlag, in dem €uro am Sonntag erscheint, bringt seit Februar "Courage" heraus, Deutschlands erstes Geld-, Karriere- und Lebenslustmagazin, das in erster Linie Frauen anspricht. Die Themen sollen sie motivieren, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen.

Ansonsten gilt: einfach mal anfangen, etwa mit breit streuenden Fonds- und ETF-Sparplänen. Und über Geld reden. Mit dem Partner, mit der Freundin, mit der Tochter. Dann wächst vielleicht auch der Spaß daran, eine Anlageberatung aufzusuchen.